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Stichwort "Neue Lernkultur (im Kontext des Medieneinsatzes)"


Im Prozess der Entwicklung einer neuen Lernkultur an den MuK-Schulen kommt den vielfältig praktizierten Arbeitsweisen des Projektunterrichts, der produktiven Medienarbeit und der fächerverbindenden Arbeit eine große Bedeutung zu. Dadurch werden neben der kognitiven auch soziale, emotionale, ästhetische und praktisch-technische Lerndimensionen angesprochen. Die aktive Strukturierung der Lerninhalte - z. B. über die Produktion von Medien, der Ausarbeitung von Präsentationen, aber auch über eine Form des "Lernens durch Lehren" - unterstützt eine nachhaltige Aneignung von Lerninhalten durch die Schüler/innen. Die Herausbildung überfachlicher Kompetenzen, die nach Interpretation von Frau Prof. Dr. Kerber-Ganse wesentlich den Rahmenbedingungen des Unterrichts geschuldet ist, wie z.B. Team-, Durchsetzungs-, Diskussions-, Argumentations- und Selbstreflexionskompetenzen, selbstverständlich auch Medienkompetenz, zeigt sich nicht nur im MuK-Unterricht, sondern wird auch im Fachunterricht anderer Fächer von Kolleginn/en wahrgenommen: "In vergleichbaren Situationen (Englischprojekt eines Profilkurses an der Universität Potsdam) zeichneten sich die MuK-Schüler durch herausragende Sach-, Fach- und Sozialkompetenz aus [...]. Nicht am Projekt unmittelbar beteiligte Lehrer unserer Schule stellten in ihrem Unterricht ähnliche Verbesserungen fest (Mathematik, Biologie, Chemie, Sprachen)" (Bericht 2000, Sportschule Potsdam). Neben den fachlichen und überfachlichen Kompetenzen ist nach Frau Prof. Dr. Kerber-Ganse von einem dritten Kompetenzbereich auszugehen, der als "Ertrag fächerübergreifenden Unterrichtens und Arbeitens zu betrachten" ist (Kerber-Ganse, Bericht 2000, unveröffentlichtes Manuskript). Angesprochen ist hier die Fähigkeit zum vernetzten Denken und zum mehrperspektivischen Denken. In der Zusammenarbeit von Lehrer/innen verschiedener Fächer entwickelte sich an den MuK-Schulen in unterschiedlicher Ausprägung, zunächst für die an MuK beteiligten Kolleg/inn/en, eine veränderte Lehrer/innen-Lehrer/innen-Interaktion, die ihre Entsprechungen aufgrund der gewählten Arbeitsformen auch in veränderten Schüler/innen-Lehrer/innen- und Schüler/innen-Schüler/innen-Interaktionen erfuhr.

Selbstgesteuertes Lernen - Förderung, Forderung, Unterforderung und Überforderung

Insgesamt bestätigen mehrere Aussagen von Schüler/innen und Lehrer/innen, dass das didaktische Leitkonzept des SEMIK-Programms in Anlehnung an konstruktivistische Ansätze der US-amerikanischen Instruktionsforschung - z. B. das des problemorientierten Lernens (vgl. Gerstenmaier & Mandl, 1995) - eine wichtige Orientierung bei der Entwicklung einer neuen Lernkultur darstellt. So kann die als gemäßigt konstruktivistisch bezeichnete Auffassung, die eine Balance zwischen Konstruktion und Instruktion vorsieht, überzogene Vorstellungen von den Selbststeuerungskompetenzen bzw. -motivationen der Schüler/innen in jeder Unterrichtsphase, zu jedem Unterrichtsthema und in ihrer für alle Schüler/innen geltenden Allgemeinheit relativiert und in ein sinnvolles Verhältnis eingeordnet werden. Notwendig erscheint es hier auch, Formen des Unterrichtens zu entwickeln, die eine Differenzierung nach Schüler/innen, die weitgehend selbstständig arbeiten wollen und können und anderen, die mehr Anstöße und Hilfen benötigen, ermöglichen.

Die Methode der Projektarbeit stellt einen wichtigen Ansatz dar, um Selbststeuerungsprozesse von Schüler/innen zu initiieren und zu ermöglichen. Mehrere Lehrkräfte berichten über ihre Erfahrungen mit Schüler/innen der gymnasialen Oberstufe, dass diese überwiegend in der Lage sind "sich selbständig Wissen anzueignen und es ihren Mitschülern in geeigneter Form darzulegen. (...) Durch den Umgang mit Medien lernten die Schüler selbständiger zu arbeiten" (z. B. Bericht 2000, Oberstufenzentrum Oberhavel II, Hennigsdorf). Dabei wird der "hohe Anteil an Eigenverantwortung [...] auf der einen Seite als wohltuend, mitunter jedoch auch als Belastung angesehen. Anerkannt wird der fehlende Stress in der eigentlichen Projektarbeit gegenüber den anderen Unterrichtsfächern, wobei insbesondere in der Endphase der Entstehung eines medialen Produkts selbstorganisierter Stress nicht selten ist - nämlich als Folge möglicher Gelassenheit in der Anfangsphase" (Bericht 2000, Einstein-Gymnasium, Potsdam).

Generell zeigt sich jedoch auch, dass das selbständige Arbeiten (in der Gruppe) einzelne Schüler/innen mit geringer intrinsischer Lernmotivation phasenweise überfordert. "Einige Schüler ruhten sich in den einzelnen Gruppen auf Kosten der anderen aus. Das zeigte sich jedoch erst als die Schüler ihre Projekte präsentierten und über ihre Arbeitsweise sprachen" (Bericht 2000, Oberstufenzentrum Oberhavel II, Hennigsdorf). In vielen Projekten zeigt sich, dass bei längerer Dauer der selbständigen Arbeit Beratungen und Konsultationen der Arbeitsgruppen unbedingt notwendig sind, um inhaltliche Anregungen und Strukturierungshilfen zu geben sowie möglicherweise detailliertere Aufgabenstellungen für einzelne Schüler/innen auszuarbeiten. Selbstgesteuertes Lernen setzt methodische Kenntnisse der Recherche, der Sachanalyse, des Exzerpierens und Zusammenfassens von Texten, des Zitierens usw. voraus, die immer wieder begleitend vermittelt, erweitert, aktualisiert, geübt werden müssen.

An der Pilotschule besuchten "MuK-Schüler/innen" des ersten Schüler/innen-"Durchlauf" im Schuljahr 2000/2001 bereits die 13. Jahrgangsstufe. Im Grundkurs konnten die Schüler/innen eine eigenständige Aufgabenstellung wählen, die sie mit dem geeigneten und bevorzugten Medium - sozusagen als "Gesellenstück" - bearbeiten sollten. Parallel dazu wurden theoretische Kenntnisse im Projektmanagement vermittelt und Hilfestellungen bei inhaltlichen und organisatorischen Fragen angeboten. Die Arbeitsweise der Schüler/innen und die vorgelegten Ergebnisse belegen, dass die Schüler/innen nach ihren im "MuK-Profil" in den Vorjahren erworbenen Erfahrungen in Projektarbeit mit der "Zumutung" des selbstgesteuerten Arbeitens sehr gut zu recht kommen.

Teamfähigkeit

Der hohe Anteil an Gruppenarbeit im Unterricht des Grundkurses MuK und fächerverbindend angelegten Projekten wird von den Schüler/innen als sehr positiv gewertet und fördert das soziale Lernen und die Teamfähigkeit. "Durch die Langzeitgruppenarbeit wurde die Kritikfähigkeit zueinander geschult. Es wurde ein größerer Zusammenhalt erreicht und das Verantwortungsgefühl gegenüber den Klassenkameraden wuchs" (Bericht 2000, Oberstufenzentrum Oberhavel II, Hennigsdorf). "Da sich die Arbeit größtenteils in Projektgruppen vollzog, waren gruppendynamische Prozesse voraussehbar und auch schnell ablesbar: z.T. heftige Diskussionen durch fehlende Wahrnehmung von Verantwortung einzelner Gruppenmitglieder, zu starke Belastung Einzelner, Konsequenzen bei Vernachlässigung einzelner Aufgabenerfüllung, Qualitätsdiskussionen, Meinungsstreit über Einzelheiten, Verantwortung für die Zusammenfügung der Einzelbeiträge zum Gesamtwerk [...]. Eine Schülerin arbeitete an einem Projekt allein und äußerte schließlich, dass sie ganz froh darüber sei. Interessant jedoch ist, dass sie in diesem Jahr im Bereich der Videoarbeit die Gruppe bevorzugt" (Sachstandsbericht 2000, Einstein-Gymnasium, Potsdam). An der Sportschule Potsdam wurde in einem nicht auf MuK bezogenen Fach eine verbesserte Teamfähigkeit der MuK-Schüler/innen gegenüber anderen Schüler/inne/n festgestellt, an mehreren MuK-Schulen wurden MuK-Schüler/innen zu Schüler/innensprechern gewählt. Insgesamt wird das Klima in den Lerngruppen aus Lehrer/innen- und Schüler/innensicht als sehr gut beschrieben.

Projektarbeit und Produktive Medienarbeit

Das problemorientierte Lernen, die Projektmethode und häufig realisierte produktive Medienarbeit sind eng gekoppelt an das selbstgesteuerte Lernen von Schüler/innen, das eine Offenheit der Ergebnisse voraussetzen muss. Durch die Produktion von Medieninhalten für Zielgruppen, das eine Reflexion über Strukturierung und Akzentuierung von Inhalten bedingt, durch über Präsentationen aufbereitete Unterrichtsvorträge und durch konkret für jüngere Mitschüler/innen geplante Unterrichtseinheiten wird auch einem Konzept des "Lernens durch Lehren" entsprochen, das ein nachhaltigeres Aneignen von Lerninhalten unterstützt. Produktive Medienarbeit, die als Projekt- und häufig Gruppenarbeit angelegt ist und praktisches mit theoretischem Arbeiten verknüpfen kann, wird von den Schüler/innen als sehr motivierend empfunden. Von den Schüler/innen wird immer wieder betont, wie sehr praktisches Arbeiten geschätzt wird, vor allem, dass dabei "nebenbei" gelernt würde, "ohne dass man es merke".

Der Bezug auf die Medienwelt und Informationsgesellschaft wird als bedeutsamer und auch lebensweltrelevanter Gegenstandsbereich gesehen, der viele Verknüpfungen im eigenen Alltagshandeln erfährt. Auch das Lernen mit allen Sinnen spricht die Schüler/innen nicht nur geistig-kognitiv an, sondern ganzheitlich. Die Bewältigung komplexer Aufgaben bietet eine Plattform für kognitive, soziale, emotionale, ästhetische und praktisch-technische Tätigkeiten, die - auch fachlich aufeinander bezogen - ihre Bedeutsamkeit offenbaren.

Prof. Dr. Kerber-Ganse interpretiert Schüler/innenantworten in einem Fragebogen: "Viele Schüler/innen erleben eine Sinnperspektive (wenn auch keineswegs für alle gleich bedeutsam), die sich entweder auf den Ertrag der Projektarbeit, das gemeinsame Produkt, bezieht oder auch auf eine gegenwartsbezogen erlebbare lebenspraktische Relevanz oder auf die berufliche Zukunft. Die Anerkennung von Seiten der Lehrer/innen (erlebbar als Unterstützung, Ermutigung), die Selbstwertschätzung durch sichtbare Erträge des Arbeitens, die Selbsterfahrung in den zielorientierten Interaktionen (mit allen ihren Einbrüchen) und das Erleben veränderter eigener Arbeitshaltungen sind in Sichten der Schüler/innen als Bestandteile der Neuen Lernkultur auszumachen." (Bericht 2000, unveröffentlichtes Manuskript).

Eine weitere Dimension für das Entstehen einer neuen Lernkultur ist auch in der gemeinsamen Identifikation von Lehrer/inne/n und Schüler/inne/n mit den Medienprodukten begründet, die sich mit dem Brecht'schen Wort vom "Lob der dritten gemeinsamen Sache" umschreiben lässt. Auf Schüler/innenseite zeigte sich in fast allen Projekten, in denen produktiv mit Medien gearbeitet wurde, dass sie mit großem Engagement - häufig in ihrer unterrichtsfreien Zeit - weiter arbeiteten. Allerdings war die Produktionsdynamik, die diese Arbeitsprozesse hervorrief, unter Lehrer/innen immer wieder Anlass, auch kritisch darüber nachzudenken, ob der praktische Aufwand im Unterricht zu groß ist, so dass dieser möglicherweise die erforderlichen Lernzeiten für die notwendigen Aufgaben von Wissenserwerb und theoriegeleiteten Arbeitsprozessen entzieht (vgl. Kerber-Ganse, Bericht 2000, unveröffentlichtes Manuskript).


Der Brandenburgische Bildungsserver ist ein Service des Medienpädagogischen Zentrums im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg. © MPZ, 2001
Projektleitung: Dr. Michael Kaden