Die Schulbibliothek bezieht auch die Familien mit ein, um die Eltern als Partner in der Leseförderung zu gewinnen
Familiärer Hintergrund, die Einstellungen des Elternhauses gegenüber dem Lesen sowie die literalen Praktiken innerhalb einer Familie haben einen bedeutenden Einfluss auf die Sprach- und Leseentwicklung eines Kindes. Bettina Hurrelmann bezeichnete die Familie deshalb als die „wirksamste Instanz der Lesesozialisation“1.
Gleichzeitig wissen wir, dass eine gute Zusammenarbeit von Familie und Schule im Sinne einer Bildungspartnerschaft sehr gewinnbringend für alle Beteiligten ist, ganz besonders für die Schülerinnen und Schüler. Was liegt also näher, als dass Schule und Familie gerade in der Leseförderung gemeinsame Sache machen und Schule sich bemüht, die Familien in der Praxis ihrer literalen Kultur zu stärken. Hier kann die Schulbibliothek unterstützend wirken, indem sie in ihren Angeboten auch die Familien der Kinder mit einbezieht und durch lesemotivierende Aktivitäten das Leseverhalten in den Familien positiv anregt.
1 Hurrelmann, Bettina (2004): Informelle Informationsinstanz Familie. In: Groeben, Norbert/Hurrelmann, Bettina (Hrsg.): Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Weinheim, S. 169
Auf einem Elternabend zum Thema „Lesen – zu Hause“ sollten Eltern informiert und nicht belehrt werden. Sie sollten Möglichkeiten bekommen, selbst aktiv zu werden und in den Erfahrungsaustausch miteinander zu treten. Für die Durchführung gibt es an der Schule keinen besseren Ort als die Schulbibliothek, die die Eltern an diesem Abend positiv kennen lernen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulbibliothek könnten einbezogen werden und den Eltern ihre Angebote vorstellen.
Kinder-Eltern-Lesefeste gibt es für die Jahrgangsstufen 1/2, 3/4 und 5/6. Sie werden seit Jahren erfolgreich an Schulen und Bibliotheken durchgeführt. Kinder-Eltern-Lesefeste sind als Inszenierungen gedacht, nicht um Eltern und Kinder über die Bedeutung des Lesens zu unterrichten, sondern sie vielmehr Lesefreude unmittelbar und gemeinsam erleben zu lassen. Lesefeste müssen gut vorbereitet werden. Dies kann besonders gut mit der Unterstützung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schulbibliothek gelingen. Auch hier kann die Schulbibliothek - wenn der Raum groß genug – idealer Ort für die Durchführung der Lesefeste sein.
Die individuelle Lesesozialisation wird vor allem zu Hause geprägt und gefestigt. Der Familien-Leserolli bietet Familien die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen mit Büchern zu machen, auch in Kombination mit anderen Medien, und sich darüber auszutauschen. Ein Koffer mit Rollen – vollgepackt mit attraktiven Kinderbüchern, einer Audio-CD und einer DVD – fährt in einer Lerngruppe von Familie zu Familie. In jedem Zuhause bleibt der Familien-Leserolliungefähr zwei Wochen. In dieser Zeit können die Kinder zusammen mit den Eltern in Ruhe in den Büchern schmökern, sich gegenseitig vorlesen, Bildergeschichten gemeinsam betrachten, das Hörbuch hören, den Zeichentrickfilm anschauen …
In verschiedenen Berliner Grundschulen zeigen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulbibliothek verantwortlich für die Zusammenstellung und Erhaltung der Familien-Leserollis und sind damit für die Pädagoginnen und Pädagogen eine große Unterstützung.
Ebenso wie der Familien-Leserolli ist die Berlin-Tasche ist eine mittlerweile von zahlreichen Berliner Schulen erprobte Idee. Die Berlin-Tasche – bepackt mit Büchern, Spielen, Hörbüchern, Filmen zum Thema Berlin – lädt die Schülerinnen und Schüler ab Jahrgangsstufe 4 gemeinsam mit ihren Familien ein, die Stadt Berlin (neu) zu entdecken. Nacheinander dürfen alle Kinder die Berlin-Tasche für einen Zeitraum von ca. zwei Wochen nach Hause nehmen. Über das Lesen, Betrachten, Hören, Spielen werden die Familien angeregt, sich auf Entdeckungstour in die Stadt zu begeben. Auch hier empfiehlt es sich, Zusammenstellung, Erhaltung und Ausleihe der Berlin-Taschen an die Schulbibliothek anzubinden.
Eltern als Buchpatinnen und Buchpaten
Ein Schlüssel für die motivierte Nutzung der Schulbibliothek ist das interessante Textangebot. Für Kinder ist dabei auch die ästhetische Erfahrung im Umgang mit Büchern durchaus von Bedeutung. So beschreiben sie oft begeistert beim Betrachten eines neuen Buches, wie schön es aussieht und wie gut es doch riecht. Das Leseangebot der Schulbibliothek immer wieder zu ergänzen – mit attraktiven, auch optisch ansprechenden neuen Büchern – ist gerade zur Aufrechterhaltung der Lesemotivation wichtig. Als Buchpatinnen und Buchpaten können die Eltern hier unterstützen.
Im Rahmen einer Veranstaltung in der Schulbibliothek, z.B. einem Elternabend oder einem Kinder-Eltern-Lesefest, wird den Eltern besonders deutlich, wie wichtig dieser Ort für ihre Kinder ist – zur Entwicklung von Leseinteresse und Lesekompetenz, zur Recherche, zum Vergnügen, als Rückzugsort an anstrengenden Schultagen usw. Hier kann die Bitte formuliert werden, dass die Eltern durch Buchgeschenke „Buchpaten“ für die Schulbibliothek werden. Als Zeichen des Danks kann vorne in das Buchgeschenk ein hübsch gestaltetes kleines Blatt eingeklebt werden, ähnlich einem Exlibris, auf dem die Buchpatin bzw. der Buchpate eingetragen wird.
So leisten die Eltern einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Lesefreude und der Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler und auch die Kinder sind stolz auf die Bücher, die ihre Eltern der Schulbibliothek geschenkt haben.
Genau wie der Familien-Leserolli möchten die Wochenend-Lesebeutel Familien zur gemeinsamen Beschäftigung mit Büchern und weiteren Medien anregen. Die Kinder können sich immer freitags – und nur wenn sie möchten – einen Wochenend-Lesebeutel mit anregender Lektüre für sich und ihre Familie ausleihen. Nach dem Wochenende werden die Beutel wieder zurückgebracht. Im Montagskreis berichten die Kinder kurz, wie sie zu Hause mit dem Wochenend-Lesebeutel umgegangen sind und ihrer Familie der Inhalt gefallen hat. Wochenend-Lesebeutel können im Austausch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schulbibliothek mit den Lehrpersonen auf der Grundlage der Interessen der Schülerinnen und Schüler und aus dem Bestand der Schulbibliothek zusammengestellt werden. Für einzelne Lerngruppen wird dann von der Schulbibliothek für einen bestimmten Zeitraum eine Auswahl von Beuteln zusammengestellt. Diese kann immer wieder ausgetauscht bzw. ergänzt werden.
Elterncafé in der Schulbibliothek
Elterncafés werden immer mehr zu festen Institutionen in Schulen. Oft initiiert durch den Förderverein und die Elternvertreterinnen und -vertreter dienen sie Müttern und Vätern zum informellen Austausch über die Erfahrungen in der Schule oder auch einfach zum gegenseitigen Kennenlernen. Ist ein Elterncafé erst einmal etabliert, lassen sich dort auch der Austausch über Bücher oder kleinere Veranstaltungen rund um Geschichten und Lesen durchführen.
Ideal ist es, wenn das Elterncafé für derartige Veranstaltungen in der Schulbibliothek stattfinden kann und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schulbibliothek und den Pädagoginnen und Pädagogen gemeinsam vorbereitet und durchgeführt wird. Die Formen können ganz unterschiedlich gestaltet sein. Vielleicht gibt es einen Themenabend, an dem Kinderliteratur vorgestellt wird. Oder – so bietet es das Familiencafé der Lenau-Grundschule in Berlin Kreuzberg an – ein mehrsprachiges Bilderbuchkino für Eltern und Kinder einmal im Monat. Kuchen steuern die Eltern bei, für Getränke und eine Bilderbuchgeschichte sorgt die Schulbibliothek.
Weitere Möglichkeiten sind Tauschtische im Elterncafé, auf denen Eltern Bücher zum Tausch anbieten können, aus denen ihr Kind herausgewachsen ist. Zum Austausch bei Kaffee und Kuchen kommt dann noch der Büchertausch.
Redaktionell verantwortlich: Erna Hattendorf
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