Zitat Dezember 2006

"Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer."   (Antoine de Saint-Exupéry)

 
Berufsschüler fragen mich mitunter, ob nicht die Praxis, also der ausbildende Betrieb und ein gekauftes Lehrbuch die Schule ersetzen können. Sicher ginge das, wenn ich mich darauf beschränken würde, ihnen praktisches und theoretisches Wissen zu vermitteln. Aber wenn sie mir dann von ihren Sorgen und Nöten berichten, sei es im Ausbildungsbetrieb, in der Klasse, zuhause oder im Freundeskreis, die sie an der Ausbildung zweifeln lassen, spüre ich, dass die Verantwortung eines Lehrers weit über den normalen Unterrichtsalltag hinausgeht. Dazu kommt, dass viele von ihnen ja eigentlich einen ganz anderen Beruf erlernen wollten. Auch auf die Gefahr hin, vom Thema abzuweichen, die Vermittlung des Lernstoffes zu verzögern, nehme ich mir die Zeit, ihre Ängste abzubauen, ihnen Visionen und Zuversicht zu vermitteln, ihnen einfach Mut zu machen und Begeisterung zu wecken. Das setzt natürlich meine Bereitschaft voraus, mich in die Schüler hineinzuversetzen.
Ich erinnere mich daran, selbst als junger Mensch, der nach Orientierung sucht, ein offenes und verständnisvolles Ohr finden und mich der Obhut mir nahe stehender Menschen anvertrauen zu wollen. Diese Erfahrung haben wir jungen Menschen voraus, nur leider erinnern sich Lehrer zu selten daran. Vor mehr als 20 Jahren prophezeite mir einmal ein alter Eisenbahnerkollege, dass ich den Marschallsstab noch im Tornister trage. Heute gebe ich dieses geflügelte Wort an meine Lehrlinge weiter, wohl wissend, dass es in der gegenwärtigen Zeit sehr schwierig ist, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Gerade beim Unterrichten und bei der Betreuung Jugendlicher, die an unserem OSZ im kooperativen Modell beschult werden, bedarf es dabei besonderer Fürsorge.
Das Rüstzeug dafür erhielt ich vor einigen Jahren beim Erwerb des 2. Staatsexamens im Studienseminar Cottbus. Besonders dem Leiter, Herrn Joachim Seibt, der mich und die anderen Studenten über diese Zeit begleitete, habe ich es zu danken, wie man an die Vermittlung von Visionen herangehen kann und die Richtigkeit dieser eigenen Einstellung bestätigt zu bekommen. Dass dabei Humor und Lebendigkeit nicht zu kurz kommen dürfen, um die Schüler zu erreichen, soll abschließend ein Zitat von Erich Mühsam ("Unpolitische Erinnerungen", Berlin 1978) bestätigen: "Der Oberlehrer verleidet einem jeden Kunst-, jeden Naturgenuss, weil er alles glaubt erklären zu müssen, weil er verzweifelt, wenn er niemand erziehen kann."