Kompetenzentwicklung

Die Naturwissenschaften prägen unsere Gesellschaft und bilden heute einen wesentlichen Teil unserer kulturellen Identität.

Das Wechselspiel zwischen den Erkenntnissen der Biologie, Chemie und Physik und deren technischer Anwendung bewirkt Fortschritte auf vielen Gebieten. Die Weiterentwicklung der Forschung in den Naturwissenschaften und in der Technik stellt die Grundlage für neue Verfahren dar, z. B. in der Medizin, der Bio- und Gentechnologie, den Umweltwissenschaften und der Informationstechnologie. Werkstoffe und Produktionsverfahren werden ständig verbessert oder neu entwickelt. Andererseits birgt die naturwissenschaftlich-technische Entwicklung auch Risiken, die erkannt, bewertet und beherrscht werden müssen. Hierzu bedarf es neben einer naturwissenschaftlichen Grundbildung auch einer interdisziplinären Vernetzung.

Die Schülerinnen und Schüler erhalten im naturwissenschaftlichen Unterricht, aber auch in außerunterrichtlichen Angeboten, Einblicke in die Wissenschafts-, Wirtschafts-, Arbeits- und Berufswelt. Damit werden den Schülerinnen und Schülern vielfältige Möglichkeiten geboten, Berufe, Ausbildungswege und Studiengänge kennenzulernen.

Unter naturwissenschaftlicher Grundbildung wird die Fähigkeit verstanden, naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden, naturwissenschaftliche Fragen zu erkennen und aus Beobachtungen Schluss-folgerungen zu ziehen, um Entscheidungen zu verstehen und zu treffen, welche die natürliche Welt und die durch menschliches Handeln an ihr vorgenommenen Veränderungen betreffen.

Der besondere Beitrag des Fachs Biologie zur Welterschließung liegt in der Auseinandersetzung mit dem Lebendigen. Der Biologieunterricht muss daher den Schülerinnen und Schülern, wann immer es möglich ist, die erlebnishafte Begegnung mit den biologischen Phänomenen ihrer Umwelt ermöglichen. Um biologische Erfahrungen sammeln zu können und naturwissenschaftliche Arbeitsweisen kennen-zulernen, sind Exkursionen und Arbeiten im Freiland von Bedeutung.

Die lebende Natur bildet sich in Systemen, z. B. in der Zelle, dem Organismus und dem Ökosystem, ab. Das Verständnis biologischer Systeme erfordert die Fähigkeit, zwischen Systemebenen zu wechseln und diese aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Aufgrund der Vielfalt und Komplexität biologischer Sachverhalte lernen die Schülerinnen und Schüler, vernetzt zu denken und biologische Phänomene auf verschiedenen Abstraktionsebenen zu beschreiben.

Der Biologieunterricht knüpft an die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler sowie an aktuelle Probleme des Alltags an; er verbindet auf diese Weise den Unterricht mit deren Lebenswelt. Die Auswahl der Themen, Inhalte und Methoden orientiert sich somit sowohl an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler als auch an den Erkenntnissen der Biologie.

Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei auch der Wahrnehmung und Stärkung der geschlechtlichen Individualität der Lernenden. Sie werden darin unterstützt, Gemeinsamkeiten zu entdecken, sich als gleichberechtigt wahrzunehmen und in kooperativem Umgang miteinander und voneinander zu lernen. Dazu trägt auch eine Sexualerziehung bei, die relevante Fragestellungen berücksichtigt.

Die Schule ist zu einem Lernangebot verpflichtet, das Schülerinnen und Schülern den Erwerb des notwendigen Wissens über humanbiologische, medizinische, hygienische, psychologische und sexualwissenschaftliche Grundlagen ermöglicht. Es soll sowohl Sachinformationen über die körperliche Entwicklung und die damit verbundenen Veränderungen im emotionalen Bereich enthalten, als auch sexuelles Erleben und sexuelle Verhaltensweisen reflektieren und diskutieren. Sexualerziehung erfolgt in der Schule grundsätzlich koedukativ. Es ist wichtig, die vielfältigen Bedürfnisse und Interessen von Mädchen und Jungen sowie Lernenden mit weiteren Geschlechtsidentitäten zu berücksichtigen, die z. B. in Sprache, Idolen, Mode, Verhalten und Umgang miteinander zum Ausdruck kommen. Es bietet sich an, ihre spezifischen Fragen und Äußerungsformen als Motor für lebendiges Lernen in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen. Der Unterricht kann in kleineren, der jeweiligen individuellen psychosexuellen Entwicklung der Jugendlichen entsprechenden Gruppen vorteilhaft sein. Dieser geschützte Rahmen ist besonders geeignet für das Persönlichkeitslernen, da hier sozio-kulturellspezifische Empfindungen von jungen Menschen, insbesondere das individuelle Schamgefühl, angemessener berücksichtigt werden können.

Ein Ziel ist es auch, Alltagsvorstellungen und wissenschaftliche Vorstellungen situationsangemessen verwenden zu können. Das ist Voraussetzung für die Entwicklung eines reflektierten Selbst- und Welt-verständnisses. Die Anwendung biologischen Wissens im Kontext der individuellen Lebensgestaltung, der gesellschaftlichen und der Umweltprobleme gewinnt zunehmend an Bedeutung. Hier spielen die Erkenntnisse der Medizin, der Gentechnik und der Umweltbiologie eine wesentliche Rolle.

Das Erkennen und Bewerten von Chancen und Risiken biologischer Forschung ist Voraussetzung für den respektvollen und reflektierten Umgang mit den Lebewesen und der Natur.

Diese Kompetenzen bilden auch die Grundlage für nachhaltiges Handeln und für die Wahrnehmung individueller und gesellschaftlicher Verantwortung.

Die Breite der Fachwissenschaft Biologie, ihr hoher Wissensstand sowie ihre gegenwärtige Dynamik erfordern für den Biologieunterricht somit eine Auswahl der Inhalte, exemplarisches Vorgehen und ein andauerndes Bemühen um Aktualität. Die stoffliche Fülle des Faches Biologie wird zugunsten weniger und überschaubarer Inhalte, Strukturen und Methoden reduziert, ohne zu fachlich falschen Aussagen zu kommen. Vertiefung wird durch exemplarisches Lernen gesichert.

Der Biologieunterricht wird sprachbewusst gestaltet. Fachbegriffe und Begriffssysteme werden systematisch eingeführt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten Gelegenheit, tragfähige Grundvorstellungen von biologischen Begriffen zu entwickeln, die einen selbstverständlichen Umgang mit ihnen ermöglichen und sie zu einem eigenständigen Urteilen befähigen.

Lernsituationen im Biologieunterricht sollten so gestaltet werden, dass neues Wissen an bestehendes Wissen angeschlossen wird (kumulatives Lernen) und dass sich die Schülerinnen und Schüler diese Inhalte möglichst eigenständig aneignen.

Im Sinne eines selbstgesteuerten Lernens übernehmen die Schülerinnen und Schüler somit zunehmend Verantwortung für ihren Kompetenzerwerb im Biologieunterricht. Voraussetzung hierfür ist die Transparenz über die angestrebten Kompetenzen und damit über die Ziele des Unterrichts. Die Schülerinnen und Schüler werden angeleitet, ihr Lernen zu reflektieren, sich selbst in Absprache mit den Lehrkräften Ziele zu setzen und ihre Lernprozesse selbständig zu planen.

Um Schülerinnen und Schüler auf das Leben in einer dynamischen Informationsgesellschaft vorzubereiten, ist es unerlässlich, mit Medien verantwortungsbewusst und sicher umgehen zu können. Der Einsatz und die Verwendung digitaler Medien im Biologieunterricht ermöglichen es, Lernprozesse multiperspektivisch zu unterstützen. Die Schülerinnen und Schüler erfahren fachbiologische Einsatz-möglichkeiten der Medien und lernen dabei den kritischen Umgang mit Informationen und wissenschaftlichen Darstellungs- und Präsentationsformen.

Das Lernen der Schülerinnen und Schüler im Fach Biologie knüpft an die im Fach Naturwissenschaften 5/6 erworbenen Kompetenzen an.

Naturwissenschaftliches Arbeiten erfolgt unabhängig von der speziellen Fachrichtung nach den gleichen grundlegenden Prinzipien. Daher weisen die im Fach Biologie und die in den anderen naturwissenschaftlichen Fächern zu erwerbenden Kompetenzen große Gemeinsamkeiten auf.

Um diese Gemeinsamkeiten zu verdeutlichen und Anhaltspunkte für fachübergreifendes und fächerverbindendes Arbeiten aufzuzeigen, sind nachfolgend die Kompetenzen für die naturwissenschaftlichen Fächer gemeinsam beschrieben.

Kompetenzen in diesen vier Bereichen (Mit Fachwissen umgehen, Erkenntnisse gewinnen, Kommunizieren, Bewerten) helfen den Schülerinnen und Schülern, die natürliche und kulturelle Welt zu verstehen und zu erklären. Inhalts- und handlungsbezogene Kompetenzen können nur gemeinsam erworben werden. Als Resultat entwickeln sich naturwissenschaftliche Kompetenzen.

Mit Fachwissen umgehen

Die Schülerinnen und Schüler erwerben Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit fachlichen Fragestellungen und Inhalten. Die Breite der Naturwissenschaften, ihr Wissensstand und ihre Dynamik erfordern für den naturwissenschaftlichen Unterricht eine Reduktion auf wesentliche naturwissenschaftliche Inhalte und ein exemplarisches Vorgehen.

Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten die Inhalte auf der Grundlage von miteinander vernetzten Basiskonzepten. Diese dienen der Strukturierung und Systembildung und legen die Grundlagen für das Verständnis von naturwissenschaftlichen Phänomenen und Zusammenhängen.

Die Lernenden zeigen naturwissenschaftliche Handlungsfähigkeit, wenn sie bei der Bearbeitung naturwissenschaftlicher Fragestellungen flexibel die Systemebenen wechseln (vertikaler Perspektivwechsel) und unterschiedliche naturwissenschaftliche Perspektiven innerhalb einer Naturwissenschaft und zwischen den unterschiedlichen Naturwissenschaften einnehmen (horizontaler Perspektivwechsel). Beim Aufbau von vernetztem Wissen entwickeln die Lernenden in besonderem Maße systemisches und multiperspektivisches Denken. Basiskonzepte ermöglichen den Schülerinnen und Schülern auch deshalb eine interdisziplinäre Vernetzung von Wissen, weil die Lernenden in den drei Fächern Biologie, Chemie und Physik vergleichbare Strukturierungselemente benutzen.

Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich ein strukturiertes naturwissenschaftliches Grundwissen. Mit dessen Hilfe verfolgen und bewerten sie naturwissenschaftliche Problemfelder in gesellschaftlichen Zusammenhängen und Diskussionen. Dieses Grundwissen ist außerdem Grundlage für eine Vertiefung naturwissenschaftlicher Bildung in weiterführenden Bildungsgängen.

Somit lassen sich die biologischen Fachinhalte auf vernetzte Basiskonzepte zurückführen. In der Sekundarstufe I werden im Fach Biologie folgende drei Basiskonzepte berücksichtigt:

Mittels dieser drei Basiskonzepte beschreiben und strukturieren die Schülerinnen und Schüler in der Biologie fachwissenschaftliche Inhalte. Mit ihnen bewältigen die Lernenden einerseits die Komplexität biologischer Sachverhalte und vernetzen andererseits das exemplarisch und kumulativ erworbene Wissen.

Erkenntnisse gewinnen

Die Naturwissenschaften nutzen als grundlegende wissenschaftsmethodische Verfahren die Beobachtung, den Vergleich, das Ordnen, das Experiment sowie die Modellbildung. Dies geschieht im Unterricht vorwiegend im Rahmen der problemorientierten Methode, die sich an naturwissenschaftlicher Arbeit orientiert. Die Schülerinnen und Schüler beobachten und beschreiben Phänomene, formulieren Fragestellungen und stellen Hypothesen auf. Sie planen ihr Vorgehen und erschließen sachgerechte Informationen mit Hilfe entsprechender Untersuchungs- sowie Recherchemethoden, erheben Daten und werten sie aus. Sie wenden dabei fachspezifische und allgemeine naturwissenschaftliche Arbeitstechniken an.

Die Methoden Beobachten, Vergleichen, Ordnen, Experimentieren und Modellieren werden dabei von den Denkweisen Fragestellungen formulieren, Hypothesen formulieren, Datenerhebungen durchführen und Daten auswerten begleitet.

Modelle und Modellbildung kommen im naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess besonders dann zur Anwendung, wenn komplexe Phänomene bearbeitet oder veranschaulicht werden müssen. Lernende verwenden ein Modell als eine idealisierte oder generalisierte Darstellung eines existierenden oder gedachten Objektes, Systems oder Prozesses. Die Auswahl eines geeigneten Modells unter Beachtung der Fragestellung und das kritische Reflektieren des Modells sind bedeutsamer Teil der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung.

Kommunizieren

Die Fähigkeit zu adressatengerechter und sachbezogener Kommunikation unter Einbeziehung geeigneter Medien und Darstellungsformen, beispielsweise Repräsentationen wie Diagramme oder Schemata, ist ein wesentlicher Bestandteil naturwissenschaftlicher Grund­bildung. Dazu ist eine sachgemäße Verknüpfung von Alltags- und Fachsprache erforderlich.

In ihrer Lebenswelt begegnen den Schülerinnen und Schülern Phänomene, die sie sich und anderen aufgrund ihrer Biologie-, Chemie- und Physikkenntnisse unter Nutzung der Fachsprache erklären können. In der anzustrebenden Auseinandersetzung erkennen sie die Zusammenhänge, suchen Informationen und werten diese aus. Dazu ist es notwendig, dass sie die entsprechende Fachsprache verstehen, korrekt anwenden und gegebenenfalls in die Alltagssprache umsetzen. Ergebnisse bzw. erarbeitete Teillösungen werden anderen mitgeteilt. Die Schülerinnen und Schüler stellen ihre Position unter Orientierung auf das Fach dar, reflektieren sie, finden Argumente oder revidieren gegebenenfalls ihre Auffassung aufgrund der vorgetragenen Einwände. Kommunikation ist Methode und Ziel des Lernens gleichermaßen.

Bewerten

Das Heranziehen biologischer, chemischer und physikalischer Denkmethoden und Erkenntnisse zum Verständnis und zur Bewertung naturwissenschaftlicher, technischer und gesellschaftlicher Entscheidungen ist Teil einer zeitgemäßen Allgemeinbildung.

Durch die Auswahl geeigneter Sachverhalte können die Schülerinnen und Schüler Vernetzungen der einzelnen Naturwissenschaften in Alltag, Umwelt und Wissenschaft erkennen. Die gezielte Auswahl von Kontexten ermöglicht es den Lernenden, naturwissenschaftliche Kenntnisse auf neue Fragestellungen zu übertragen, Probleme in realen Situationen zu erfassen, Interessenkonflikte auszumachen, mögliche Lösungen zu erwägen und deren Konsequenzen zu diskutieren. Bei der Betrachtung gesellschaftsrelevanter Themen aus unterschiedlichen Perspektiven erkennen die Schülerinnen und Schüler, dass Problem­lösungen von Wertentscheidungen abhängig sind.

Sie prüfen Argumente auf ihren sachlichen und ideologischen Anteil und treffen Entscheidungen sachgerecht, selbstbestimmt und verantwortungsbewusst.

Sie differenzieren nach biologisch, chemisch und physikalisch belegten, hypothetischen oder nicht naturwissenschaftlichen Aussagen in Texten und Darstellungen und kennen die Grenzen der naturwissenschaftlichen Sichtweise.

Weitere Hinweise zu den Kompetenzbereichen

Für den Kompetenzbereich „Mit Fachwissen umgehen“ sind im Kapitel 2.1 für die jeweiligen naturwissenschaftlichen Fächer fachspezifische Standards formuliert. Die Standards orientieren sich an den Basiskonzepten des jeweiligen Fachs, ohne diese jedoch vollständig abzubilden.

Für die Kompetenzbereiche „Erkenntnisse gewinnen“(Kapitel 2.2), „Kommunizieren“ (Kapitel 2.3) und „Bewerten“ (Kapitel 2.4) sind gemeinsame Standards für die Fächer Naturwissenschaften 7 – 10 und Biologie, Chemie, Physik in ihrer Progression angegeben.

Die Standards des Kompetenzbereiches „Erkenntnisse gewinnen“ beschreiben die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler, aus Beobachtungen oder Modellen Daten zu gewinnen, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und dabei auch die Grenzen der Aussagefähigkeit zu erfassen. Die Kompetenzentwicklung zeigt sich im Grad der Selbstständigkeit bei der Aneignung naturwissenschaftlicher Erkenntnismethoden.

Bei den Standards des Kompetenzbereiches „Kommunizieren“ wurden neben den KMK-Standards für den Mittleren Schulabschluss der Fächer Biologie, Chemie und Physik auch die Standards des Basiscurriculums Sprachbildung berücksichtigt.

Die drei Teilbereiche des Kompetenzbereichs „Bewerten“ werden auf der Grundlage der KMK-Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss und unter Berücksichtigung des Basiscurriculums Medienbildung fachübergreifend dargestellt. Das Wissen über nachhaltige Entwicklung bildet das Fundament für den Erwerb der Kompetenzen der drei Teilbereiche beim Bewertungsprozess.

Redaktionell verantwortlich: Boris Angerer, LISUM