JWD-Impuls: So funktionieren ChatGPT & Co.

  • Erstellt von JWD-Redaktion (JA)

Wie genau arbeiten die Sprachmodelle, die Anwendungen wie ChatGPT zugrunde liegen? Und wie sollten Lehrkräfte mit solcher Software umgehen?

Seit den 1960er-Jahren diskutieren Fachleute darüber, wann uns eine, dem Menschen gleichwertige, maschinelle Intelligenz zur Verfügung steht. Erste Abschätzungen, dass dies bereits Mitte/Ende der 1970er-Jahre so weit wäre, sind nicht eingetreten. Andere Annahmen, die sich u.a. an der zur Verfügung stehenden Leistungsfähigkeit von Computerhardware orientierten, sind ebenfalls nicht eingetreten. Nicht, weil Computerhardware noch nicht leistungsfähig genug ist. Das Gegenteil ist der Fall: Moderne Computerhardware, die heute jeder zuhause nutzen kann, ist sogar wesentlich leistungsfähiger als damals als Voraussetzung für dem Menschen gleichwertige Intelligenz angenommen bzw. vorausgesetzt wurde. Und von echter maschineller Intelligenz sind wir immer noch weit entfernt.

Wirklich?

Seit mehreren Wochen scheint es so, als sei die Grenze überwunden und maschinelle Intelligenz stünde uns rund um die Uhr kostenfrei zur Verfügung. Die Rede ist von ChatGPT – einem Sprachchat auf der Basis maschineller Intelligenz, die überall für Erstaunen sorgt, weil sie nicht nur "Gespräche" auf hohem Niveau erlaubt, sondern auch in der Lage ist, vielfältige und komplexe Aufgaben in höchster Qualität zu lösen.

Und damit sorgt ChatGPT für große Aufmerksamkeit bei Schüler:innen, die zunehmend dazu übergehen, ihre Hausaufgaben damit zu lösen und für Sorgenfalten bei Lehrer:innen, die sich die Frage stellen, wie Schule im Zeitalter maschineller Intelligenz eigentlich aussehen kann und soll, wenn Maschinen selbst komplexe Aufgabenstellungen in Bruchteilen von Sekunden lösen.

Doch bevor wir zum Versuch einer Bewertung kommen, sollten wir einen Blick darauf werfen, wie ChatGPT und Co. eigentlich funktionieren. Denn – so viel sei bereits verraten – mit menschlicher Intelligenz, die auf einem tiefen Weltverständnis und jahrelanger Lebenserfahrung beruht, haben ChatGPT und Co. nichts zu tun.
 
Wie funktionieren Sprachmodelle?

Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie diese Sprachmodelle funktionieren, nehmen Sie bitte Ihr Smartphone zu Hand, öffnen einen beliebigen Messender-Dienst (z.B. Signal, Threema oder WhatsApp), starten einen neuen Chat und tippen das Wort "Ich". Nun sollten über der Tastatur Wortvorschläge erscheinen, die mehr oder weniger dem nahekommen, was sie eigentlich schreiben wollen. Suchen sie ein passendes Wort aus den Vorschlägen und wiederholen sie den Vorgang so lange, bis ein sinnvoller Satz daraus entstanden ist. Wie kann aber das Programm wissen, welches Wort welchem folgt? Die Antwort: Statistik. Die Wortvorschläge basieren nicht auf einem tiefem Verständnis, sondern schlicht darauf, welche Worte welchem am häufigsten folgen (und "gelernten" Wortfolgen aus vergangenen Chats).

Allein mit Statistik lassen sich also ganze Sätze bilden, die nicht selten schon sehr gut ausdrücken, was man eigentlich schreiben wollte. Am besten funktioniert dies bei Grußformeln wie z.B. "Mit freundlichen Grüßen", da hier die Wortfolge anhand von Statistiken fast immer die am häufigsten getippten bzw. gewählten Wörter vorschlägt.

Übertragen wir dies nun auf immens große Sprachmodelle wie z.B. ChatGPT. Das Modell wurde mit Millionen von Unterhaltungen und Texten aus dem Jahr 2021 "gefüttert" und hat dabei alle Wörter miteinander in einen statistischen Zusammenhang gebracht. So ergibt sich ein gigantischer Suchbaum mit Millionen von Einträgen. Die Statistik in diesem System ist so weit optimiert, dass scheinbar intelligente Antworten und Lösungen auch zu komplexen Aufgaben generiert werden können.
 
Doch dahinter verbirgt sich dennoch keine Intelligenz. Das System selbst hat keinerlei Weltverständnis, keine Vorstellung und auch kein echtes Wissen. Die Erzeugung der Antworten basiert lediglich auf Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten von Wörtern.
 
Die Bedeutung für die Schule

Lehrer:innen, die Schule, ja das ganze Bildungssystem muss sich schnellstmöglich auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen. Maschinelle Intelligenz wird – nein, ist bereits – Teil unseres Alltages. Ob wir mit dem Navigationssystem im Auto "sprechen", der Fernbedienung sagen, den Ton leiser zu stellen oder die Wortvorschläge beim Tippen von Nachrichten dazu nutzen, schneller zu formulieren – insbesondere Sprachmodelle auf der Basis maschineller Intelligenz begleiten uns schon heute. Und der Umfang und die Leistungsfähigkeit wird weiterwachsen. Sobald Modelle wir ChatGPT uneingeschränkten Zugang zum Internet erhalten, wächst die Mächtigkeit dieser Modelle in Größenordnungen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Es steht dabei außer Frage, dass Schüler:innen wie auch Lehrer:innen diese Möglichkeiten nutzen werden: Schüler:innen erledigen Hausaufgaben damit nicht nur schneller, sondern vielleicht auch besser – wenn wir ihnen den Umgang damit nahebringen. Lehrer:innen werden vielleicht von zeitraubenden Fleißarbeiten entlastet und können sich wieder auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist bzw. wozu heute oft die Zeit fehlt: auf die Schüler:innen und deren Lernwege.

Daher müssen wir alle das Thema ernst nehmen – viel ernster, als viele das bisher tun, weil sie denken, das sei alles noch Zukunftsmusik und hätte heute noch keine Bedeutung. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben schon die Digitalisierung größtenteils verschlafen. Dies darf uns bei der maschinellen Intelligenz nicht passieren, da Schule sonst zu einem Museum veralteter Weltansichten sowie Lern- und Lehrmethoden wird und mit "der Welt da draußen" nicht mehr mithalten kann.

Erfahren Sie mehr dazu in unseren JWD-Impulsen ChatGPT & Co. im Unterricht sinnvoll einsetzen und Lernen und Lehren mit ChatGPT & Co.

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© Foto: Jonathan Kemper via Unsplash