Kompetenzentwicklung

Die Bedeutung des Sportunterrichts innerhalb der schulischen Fächer und Lernbereiche resultiert aus seiner Ausrichtung auf Bewegung. Damit leistet Sportunterricht einen nicht austauschbaren Beitrag zur ganzheitlichen Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler. Er knüpft an ihre individuellen Erfahrungen und Voraussetzungen an und eröffnet ihnen neue Perspektiven und Handlungsräume. Insbesondere fördert der Sportunterricht die körperliche und motorische sowie – damit eng verknüpft – die psychische und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Da Sport und Bewegung überwiegend in sozialen Kontexten stattfindet, bietet er im Fächerkanon ein besonders ergiebiges Feld für soziale Lernprozesse.

Bewegung und Spiel sind kindliche Bedürfnisse, die das Lernen unterstützen. Im Sportunterricht gilt es, Bewegungs- und Spielfreude durch herausfordernde Bewegungsaufgaben und Erfolgserlebnisse zu erhalten und zu fördern. So wie Schule insgesamt darauf ausgerichtet ist, die Bereitschaft und Fähigkeit zum lebensbegleitenden Lernen zu fördern, regt Sportunterricht die Bereitschaft und Fähigkeit der Kinder und Jugendlichen zum regelmäßigen, lebenslangen Sporttreiben an (Teilhabe an der Sport- und Bewegungskultur) und trägt damit dem gesellschaftlich bedingten, veränderten Bewegungs- und Sozialverhalten Rechnung. Er öffnet dabei den Blick für die Gesamtheit von Sport und Bewegung in unserer Gesellschaft, vermittelt schulbezogene Ausschnitte aus dieser Sport- und Bewegungskultur und trägt u. a. zur Demokratieerziehung, zum interkulturellen Lernen und zur Gesundheitserziehung bei.

Die Schülerinnen und Schüler erwerben im Sportunterricht individuelle fachliche und überfachliche Kompetenzen durch abwechslungsreich gestaltete Aneignungs- und Erfahrungsprozesse in sozialen Zusammenhängen. Auf der Basis dieser Prozesse werden die Schülerinnen und Schüler befähigt, ihr Handeln zu reflektieren, begründete Urteile abzugeben und ihr künftiges Tun danach auszurichten. Der Sportunterricht unterstützt Schülerinnen und Schüler hinsichtlich eines bewussteren Umgangs mit sich und anderen. Den Schülerinnen und Schülern werden auf diese Weise eine aktive, selbstständige und verantwortungsvolle Teilhabe an der Bewegungs- und Sportkultur sowie eine gesunde Lebensführung ermöglicht. Damit erfüllt der Sportunterricht seinen Doppelauftrag, der sowohl eine Qualifikation zur Teilhabe an der Sport- und Bewegungskultur (Erziehung zum Sport) als auch eine Entwicklungsförderung durch Sport und Bewegung (Erziehung im Sport) beinhaltet.

Sportunterricht bietet den Schülerinnen und Schülern pädagogisch-methodisch durchdachte Anforderungssituationen, in denen der angestrebte Kompetenzerwerb (vgl. Kapitel 1.2) sowohl akzentuiert als auch in seiner ganzen Breite erlebbar sein muss. Zugleich werden den Schülerinnen und Schülern methodische Kenntnisse mit konkreten inhaltlichen Bezügen vermittelt, die sie mit zunehmendem Alter befähigen, eigeninitiativ an der Sport- und Bewegungskultur teilzuhaben. Es sollen Lernprozesse initiiert werden, die nicht nur für die sportliche Betätigung, sondern auch in außersportlichen Bereichen, z. B. beim Bewältigen der Anforderungen des täglichen Lebens und der Berufswelt, bedeutsam sind. Sportunterricht bietet die Chance, die individuelle Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft ebenso wiedas Durchhaltevermögen, die Empathie- und Kooperationsfähigkeit, Fairness, Teamgeist und Rücksichtnahme sowie das Gewinnen- und Verlieren-Können zu fördern. Er kann dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler ein gesundes Selbstwertgefühl und ein realistisches Selbst- und Körperkonzept entwickeln. Diese Lernprozesse leisten einen wichtigen Beitrag für eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung.

Sport und Bewegung sind für viele Schülerinnen und Schüler besonders relevante Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Im Sportunterricht können Ausschnitte dieses Lebens thematisiert werden. So trägt ein inklusiver und integrativer Sportunterricht dazu bei, Vorurteile und Barrieren – gleich, welcher Art – zu überwinden, indem die individuellen Voraussetzungen möglichst genau diagnostiziert und weitgehend berücksichtigt werden sowie kein Raum für Diskriminierung gelassen wird. Schülerinnen und Schülern mit besonderen Begabungen oder besonderem Entwicklungsbedarf im motorischen und psychosozialen Bereich sollten darüber hinaus geeignete Angebote zur individuellen Förderung (z. B. Sportförderunterricht) unterbreitet werden.

Voraussetzung für die Realisierung der auf die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler gerichteten Ziele und Aufgaben des Sportunterrichts ist eine mehrperspektivische Betrachtung von Sport und Bewegung, welche objektive Möglichkeiten bietet und subjektive Sinnerschließungen durch die Schülerinnen und Schüler zulässt. Die pädagogischenPerspektiven dienen dafür als Handlungsorientierung (siehe Abbildung). Sie zeigen exemplarisch auf, in welcher Art und Weise Sportunterricht akzentuiert und pädagogisch anspruchsvoll gestaltet werden kann. Werden sie im Sportunterricht angemessen berücksichtigt, erfahren Schülerinnen und Schüler im Erproben, Erleben und Reflektieren, welchen Sinn Sport und Bewegung für sie haben können. Zugleich wird die Entwicklung von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen unterstützt.

Die Auswahl, Gewichtung und Verknüpfung der pädagogischen Perspektiven erfolgt durch die Lehrkraft auf der Basis der Festlegungen der Fachkonferenz.

Abb. 1: Pädagogische Perspektiven

Sportunterricht bezieht fachübergreifende Themen und Inhalte ein und bietet Ansätze für fächerverbindende und außerunterrichtliche Vorhaben. Er legt den Grundstein für weitere Anwendungsfelder im schulischen und außerschulischen Sport. Dort können die Schülerinnen und Schüler ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten anwenden und erweitern oder in sportlichen Wettbewerben, z. B. Jugend trainiert …, Deutsches Sportabzeichen und in den obligatorisch durchzuführenden Bundesjugendspielen, einsetzen und vergleichen. Gleichzeitig ermöglichen solche Angebote Gemeinschaftserlebnisse und Teilhabe an der schulischen Sport- und Bewegungskultur, welche die Identifikation mit der Schulgemeinschaft fördern können.

Bei der Realisierung der vielfältigen Aufgaben des Sportunterrichts wird gewährleistet, dass das praktische sportliche Handeln stets im Mittelpunkt steht und der Sportunterricht seine Qualität als Bewegungsfach mit seiner unverwechselbaren Handlungs- und Erlebnisstruktur erhält, für die das Wettstreiten und Wettkämpfen charakteristisch sind. Die Anschlussfähigkeit an die außerschulische Sport- und Bewegungskultur, insbesondere auch den Vereinssport, sollte ein zentrales Anliegen des Schulsports sein. Durch die Zusammenarbeit von Schulen und außerschulischen Partnern leistet der Schulsport einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung des Schullebens, zum lebensbegleitenden Sporttreiben sowie zur Nachwuchsförderung.

Die genannten Aufgaben kann der Sportunterricht aber nur erfüllen, wenn die Schülerinnen und Schüler hier Sport und Bewegung als individuelle Bereicherung erleben. Erfolgserlebnisse und Freude an Sport und Bewegung sind entscheidend für ein nachhaltiges Interesse an sportlichen Aktivitäten.

Im Zentrum des Sportunterrichts steht die Entwicklung einer übergreifenden sport- und
bewegungsbezogenen Handlungskompetenz, die folgende Kompetenzbereiche beinhaltet:

  • ­ Bewegen und Handeln
  • ­ Reflektieren und Urteilen
  • ­ Interagieren
  • ­ Methoden anwenden

Die sport- und bewegungsbezogene Handlungskompetenz ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, an der Sport- und Bewegungskultur in ihrer Vielfalt von Erscheinungsformen aktiv, auch über die Schulzeit hinaus, teilzuhaben und von dieser Teilhabe zu profitieren.

Abb. 2: Fachdidaktisches Modell einer sport- und bewegungsbezogenen Handlungskompetenz

Der Kompetenzbereich Methoden anwenden durchdringt alle anderen Kompetenzbereiche. Die darauf bezogenen Ausführungen sind deshalb weitgehend in die anderen Kompetenzbereiche integriert. Sie werden in den nachfolgenden Ausführungen zu den drei anderen Kompetenzbereichen kursiv hervorgehoben.

Bewegen und Handeln

Unter der Kompetenz „Bewegen und Handeln“ wird hier die Gesamtheit der individuellen Voraussetzungen verstanden, insbesondere motorische, aber auch psychische und soziale Aufgaben durch Bewegung zu bewältigen.
Seine Entwicklung schließt ein, dass Schülerinnen und Schüler 

  • ihre sportmotorischen Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie ihr sportliches Können verbessern und präsentieren,
  • ihre sport- und bewegungsbezogenen Kenntnisse sowie ihre Bewegungserfahrungen erweitern,
  • mit Formen der Bewegung kreativ umgehen,
  • sport- und bewegungsbezogene Methodenkenntnisse erwerben und erweitern,
  • Informationen von Medien und Bewegungsbeschreibungen zunehmend selbständig entnehmen und, darauf aufbauend, ihre sport- und bewegungsbezogenen Handlungen begründet planen und ausführen,
  • mit Sportgeräten und Materialien sachgerecht umgehen.

Die individuelle Kompetenzentwicklung wird besonders durch Handlungssituationen gefördert, in denen Schülerinnen und Schüler vielfältige und entwicklungsfördernde Bewegungsaufgaben aktiv lösen.

Reflektieren und Urteilen

Unter dem Kompetenzbereich „Reflektieren und Urteilen“ wird hier die Gesamtheit der individuellen Voraussetzungen verstanden, sich eigenes und fremdes Handeln in sport- und bewegungsbezogenen Situationen bewusst zu machen, zu hinterfragen und zu beurteilen.
Seine Entwicklung schließt ein, dass Schülerinnen und Schüler

  • die handlungsbegleitenden Informationen wahrnehmen und beurteilen,
  • sich möglicher Handlungsgründe, -absichten und -folgen bewusst werden,
  • Handlungsentscheidungen aus verschiedenen Perspektiven nachvollziehen und begründet treffen,
  • Verantwortung für die eigene Gesundheit sowie das persönliche Wohlbefinden übernehmen,
  • auf der Grundlage von Reflexionen Bewegungsabläufe gezielt wahrnehmen, auswerten und gegebenenfalls Korrekturen durchführen.

Die individuelle Kompetenzentwicklung wird besonders durch Handlungssituationen gefördert, in denen Schülerinnen und Schüler weitgehend selbständig ihr sport- und bewegungs­bezogenes Wissen und Können hinterfragen, erweitern und gegebenenfalls neu konstruieren.

Interagieren

Unter dem Kompetenzbereich „Interagieren“ wird hier die Gesamtheit der individuellen
Voraussetzungen verstanden, sich verbal und nonverbal in sport- und bewegungsbezogenen sozialen Situationen einzubringen und im sportlichen Mit- und Gegeneinander, dem Fair Play Gedanken entsprechend, interagieren und kommunizieren zu können. Seine Entwicklung schließt ein, dass Schülerinnen und Schüler

  • ­  kooperativ in der Gruppe handeln und sich gezielt unterstützen,
  • ­  miteinander fair konkurrieren,
  • ­  sich mit ihren Stärken in die Gruppe einbringen,
  • ­  Schwächeren helfen und sie integrieren,
  • ­  mit Erfolgen und Enttäuschungen fair umgehen,
  • ­  Regeln vereinbaren und einhalten,
  • ­  faire Verhaltensweisen erkennen und anwenden,
  • ­  Maßnahmen des Helfens und Sicherns zuverlässig anwenden.

Die individuelle Kompetenzentwicklung wird besonders durch Handlungssituationen gefördert, in denen Schülerinnen und Schüler in unterschiedlichen Gruppen kooperieren und
konkurrieren, Toleranz und Respekt einüben sowie Konflikte wahrnehmen und gewaltfrei lösen können.

Methoden anwenden

Unter dem Kompetenzbereich Methoden anwenden wird hier die Gesamtheit der individuellen Voraussetzungen verstanden, die es Schülerinnen und Schülern ermöglicht, den Ablauf ihres sport- und bewegungsbezogenen Handelns zunehmend selbständig und eigenverantwortlich, reflektiert und strukturiert, auch unter Anwendung von Hilfsmitteln, wie Medien, zu gestalten.

Der Kompetenzbereich Methoden anwenden beinhaltet sowohl fachspezifische als auch fachübergreifende Methoden und wird integrativ, mitunter auch akzentuiert, in den anderen drei Kompetenzbereichen vermittelt.

Die Ausprägung der Kompetenzbereiche kann anhand von Standards überprüft werden, die im Kapitel 2 als Regelstandards formuliert sind.

Redaktionell verantwortlich: Boris Angerer, LISUM