Viele Grundschulen haben sich mittlerweile von dieser Idee aus Südtirol1 anregen lassen und bieten an einem Tag in der Woche bzw. im Monat 20- bis 40-minütige offene Vorlesezeiten an. Während dieser Phase, in der die Klassenverbände aufgelöst werden, lesen Lehrerinnen, Lehrer und oft auch Lesepaten den Kindern aus Büchern vor, die sie selbst schätzen und die sie für Kinder anregend und interessant empfinden.
Planung und Organisation
Bei der Auswahl der Vorlesebücher ist es günstig, wenn sich die Vorleserinnen und Vorleser absprechen, damit für alle Altersstufen und Interessen etwas angeboten wird. An einer Informationswand werden den Kindern die fotokopierten Titel der Bücher, aus denen vorgelesen werden soll, vorgestellt. Zusätzlich sind nur die Nummern der Vorleseräume angegeben. Damit die Kinder sich für ein Buch und nicht für einen Vorleser oder eine Vorleserin entscheiden, sind die Namen der Vorlesenden nicht vermerkt. Vor der Informationswand in Körbchen oder direkt auf den Info-Plakaten finden die Kinder eine gewisse Anzahl an Eintrittskarten für "ihr" Buch. Dies sichert eine einigermaßen ausgewogene Verteilung der Schülerinnen und Schüler über die Vorleseräume.
Variation
Einige Berliner Schulen haben gute Erfahrungen damit gemacht, nach dem Vorlesen den Kindern eine Leseaufgabe zu stellen: z.B. einen Textabschnitt illustrieren, einen Brief an eine Figur im Buch schreiben, einen Textabschnitt in einen Comic umwandeln, eine Szene aus der Sicht einer anderen Figur neu schreiben usw. Die entstandenen Produkte sammeln die Kinder in einem besonderen Hefter, der so dokumentiert, welche Bücher sie beim offenen Vorlesen kennen gelernt haben. Zusätzlich kann man die Eltern bitten, mit ihren Kindern am Vorlesetag über das Buch zu sprechen und sich vom Buch erzählen zu lassen.
Ziele
- Freude an Büchern erfahren, (Vor-)Lesevergnügen empfinden
- persönliche Leseinteressen ausbilden
- angeregt durch den Titel, Gedanken und Vermutungen über den möglichen Inhalt eines Buches entwickeln
- soziales Lernen durch immer wieder neu gemischte Gruppen unterstützen
Erfahrungen von "Vorleseschulen"
An den Grundschulen wird die Einrichtung der offenen Vorlesezeiten von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften, Lesepaten sowie von Eltern als äußerst positiv erlebt. "Am Dienstag kommen die Kinder auch mit Fieber in die Schule. Sie wollen einfach das Vorlesen nicht versäumen."2
Doch nicht nur Freude und Genuss schafft das offene Vorlesen: Das gemeinsame Hören, das gemeinsame Erleben von Gefühlen und Stimmungen in immer wieder neu gemischten Gruppen bewirken eine positive Veränderung des Schulklimas. "Das offene Vorlesen kann für eine Schule zu einem Gemeinschaftserlebnis werden."3
Idee nach:
1 Maria Theresa Rössler: "Hexengeschichten sind cool." Offenes Vorlesen an Südtiroler Grundschulen. IN: Die Grundschulzeitschrift, Heft 150. Seelze 2001, S. 18f
2 ebenda, S. 18
3 ebenda, S. 19
Redaktionell verantwortlich: Erna Hattendorf
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