Gleiche Chancen für alle – Nachteilsausgleich für Schülerinnen und Schüler im Land Brandenburg
Vorwort
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
"Pflückt diesen Apfel!", sagt die Lehrerin zu den Schülerinnen und Schülern und erwartet anscheinend, dass alle drei diese Aufgabe lösen können. Die vorliegende Handreichung wurde entwickelt, damit Sie als Lehrkraft dafür sorgen können, dass alle Schülerinnen und Schüler die Chance bekommen, die Aufgabe zu lösen. Ein kleiner Hocker, eine Trittleiter oder eine große Leiter kann dabei helfen, je nachdem, was die Schülerin oder der Schüler braucht.

Mehrere Kolleginnen der Sonderpädagogischen Förder- und Beratungsstellen im Land Brandenburg haben diese Handreichung verfasst. Sie arbeiten täglich mit Schülerinnen und Schülern aller Jahrgangsstufen mit unterschiedlichen sonderpädagogischen Förderschwerpunkten und besonderen Schwierigkeiten sowie mit Lehrkräften und Schulleitungen zusammen. Diese Handreichung soll Sie als Lehrkraft in der besonderen Förderung der Schülerinnen und Schüler unterstützen und Ihnen helfen, Nachteilsausgleiche umzusetzen. Dazu bietet Ihnen die Handreichung einen Überblick und macht Vorschläge, wie dies auf der Grundlage der derzeit geltenden rechtlichen Grundlagen möglich ist.
Der Rahmenlehrplan für die Jahrgangsstufen 1 - 10 der Berliner und Brandenburger Schulen (RLP 1-10) sieht vor, dass „alle Schülerinnen und Schüler gemäß der landesspezifischen Regelungen ein Recht auf eine gemeinsame und bestmögliche Bildung haben. Dieser Anspruch besteht unabhängig von z. B. körperlichen und geistigen Potenzialen, Herkunft, sozioökonomischem Status, Kultur, Sprache, Religion, Weltanschauung sowie sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Die dadurch gegebene Vielfalt stellt eine Bereicherung und Ressource dar. Die Schule bezieht diese Vielfalt gezielt und konstruktiv in den Unterricht und das Schulleben ein“.²
Um dieses Recht der Schülerinnen und Schüler durchzusetzen, sollen sie bestmöglich gefördert und unterstützt werden. In besonderen Fällen wird darüber hinaus ein Nachteilsausgleich gewährt, um das Recht auf Chancengleichheit zu ermöglichen. Dieses Recht gründet sich auf Artikel 3 des Grundgesetzes: „[…] (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Einen Nachteilsausgleich zu gewähren bedeutet nicht, dass sich daraus Vorteile gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern ergeben. Alle Schülerinnen und Schüler werden zielgleich unterrichtet. Das bedeutet, das jeweilige Anforderungsniveau wird beibehalten. Die Schülerinnen und Schüler erhalten den Nachteilsausgleich, damit sie die gleichen Ziele wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler erreichen können.
Nur der Weg zu einer am gleichen Ziel orientierten Leistung, also der passende Hocker oder die Leiter, kann durch den Nachteilsausgleich ermöglicht werden. Der Nachteilsausgleich wird daher nicht auf dem Zeugnis vermerkt.
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Zusammenarbeit in der Schule und mit allen Beteiligten, die sich für die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen einsetzen.
Susanne Wolter
Leiterin der Abteilung Unterrichtsentwicklung Grundschule,
Sonderpädagogische Förderung und Medien
(1) Mit freundlicher Genehmigung von: Kortländer, Michael: LegaKids Stiftungs-GmbH, 80634 München, www.legakids.net und www.alphaPROF.de (2) https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/rlp-online/a-bildung-und-erziehung/grundsaetze
Einleitung
Ein Nachteilsausgleich kann an Schulen im Land Brandenburg folgenden Fallgruppen gewährt werden:
A) Schülerinnen und Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf
- mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben
- mit besonderen Schwierigkeiten im Rechnen
- mit zeitweiser oder chronischer Erkrankung
- mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ)
B) Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf für die Förderschwerpunkte
- Sprache
- Hören
- Autistisches Verhalten
- Sehen
- Körperliche und motorische Entwicklung
- Emotionale und soziale Entwicklung
Bevor ein Nachteilsausgleich gewährt wird, muss eine Diagnose vorgenommen und ein Antrag gestellt werden.
Eine Beratung durch eine Fachkraft, die auf die jeweilige Fallgruppe spezialisiert ist, ersetzt die Handreichung nicht. Der Nachteilsausgleich sollte daher bei Unklarheiten im Kollegium erst nach Rücksprache mit der entsprechenden Fachkraft gewährt werden. Einem Antrag auf Nachteilsausgleich darf nur mit Prüfung und unter den fallgruppenspezifischen Bedingungen (siehe unten) auf Beschluss der Klassenkonferenz stattgegeben werden. Denn ein Nachteilsausgleich, der vergeben wird, ohne zuvor fachlich gründlich geprüft worden zu sein, hilft der Schülerin oder dem Schüler nicht.
In der Handreichung zur Durchführung des sonderpädagogischen Feststellungsverfahrens finden Sie den Ablauf.
Schülerinnen und Schülern, die besondere Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben und/oder Rechnen haben bzw. chronisch oder zeitweise erkrankt sind, kann ein Nachteilsausgleich entsprechend den geltenden Verordnungen und Rundschreiben zugesprochen werden. Dazu sind durch die Klassenlehrkraft die zuständigen Fachlehrkräfte und, unter bestimmten Bedingungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulpsychologie mit einzubeziehen. Bei chronischen oder zeitweisen Erkrankungen muss mit dem Antrag ein ärztliches Attest vorgelegt werden.
Bevor bei sonderpädagogischem Förderbedarf ein Nachteilsausgleich bewilligt wird, muss sonderpädagogischer Förderbedarf beantragt und festgestellt werden. Dieses Verfahren bringen die jeweiligen Klassenlehrkräfte (oder Eltern) in Zusammenarbeit mit der an der Schule tätigen sonderpädagogischen Fachlehrkraft auf den Weg. Die Beratungsstelle berät im Verlauf des sonderpädagogischen Feststellungsverfahrens und auch, wenn es darum geht, den Nachteilsausgleich umzusetzen. Die Adressen der sonderpädagogischen Förder- und Beratungsstellen finden Sie auf den Seiten der Staatlichen Schulämter.
Im Unterricht werden Schülerinnen und Schüler mit pädagogischen Maßnahmen und Differenzierungen unterstützt. Erst in einer Bewertungssituation greift der Nachteilsausgleich. In den Kapiteln zu den einzelnen Fallgruppen wird dieser Unterschied erläutert. Es gibt auch nicht den einen Nachteilsausgleich; vielmehr wird den Schülerinnen und Schülern mit verschiedenen pädagogischen Interventionen zeitweilig oder dauerhaft die Möglichkeit eingeräumt, den Leistungsanforderungen der Schule auf der Grundlage des RLP 1-10 gerecht zu werden.
Auch mit Nachteilsausgleich sollte die Förderung der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund stehen. Aber: Ein Nachteilsausgleich bedeutet keinen Anspruch darauf, in gesonderten Lerngruppen gefördert zu werden. Die Unterstützung muss in der Klassenkonferenz beraten und beschlossen werden. Dafür braucht jede Schule ein Förderkonzept.

Ein Nachteilsausgleich bedeutet, das Recht auf Chancengleichheit durchzusetzen.
Er wird nicht auf dem Zeugnis vermerkt.
Die berechtigten Schülerinnen und Schüler werden zielgleich mit allen anderen Schülerinnen und Schülern unterrichtet.
Die Maßnahmen der individuellen Unterstützung richten sich nach den gültigen Rechtsgrundlagen für die Schulen im Land Brandenburg. Diese sind:
- Das Gesetz über die Schulen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Schulgesetz – BbgSchG), https://bravors.brandenburg.de/gesetze/bbgschulg,
- Die aktuelle Verordnung über Unterricht und Erziehung für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (Sonderpädagogik-Verordnung – SopV), https://bravors.brandenburg.de/verordnungen/sopv und
- Die aktuelle Verwaltungsvorschrift zur Sonderpädagogik-Verordnung (VV-SopV), https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/vvsopv.
- Verordnung über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen (Lesen-Rechtschreiben-Rechnen Verordnung - LRSRV)
https://bravors.brandenburg.de/verordnungen/lrsrv - Verordnung über den Bildungsgang der Grundschule (Grundschulverordnung - GV)
https://bravors.brandenburg.de/verordnungen/gv - Durchführung von Unterricht für kranke Schülerinnen und Schüler (VV-Kranke Schüler - VVkraSchül) vom 9. Februar 2015. https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/vvkraschuel
- Verordnung über die Eingliederung von fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern in die allgemein bildenden und beruflichen Schulen sowie zum Ruhen der Schulpflicht (Eingliederungs- und Schulpflichtruhensverordnung - EinglSchuruV)
https://bravors.brandenburg.de/verordnungen/einglschuruv
In der Handreichung zur Durchführung des sonderpädagogischen Feststellungsverfahrens finden Sie eine Übersicht zum Verlauf des Verfahrens, zu verbindlich einzusetzenden diagnostischen Instrumenten und zu erforderlichen Formularen: https://mbjs.brandenburg.de/media_fast/6288/final_handreichung_2018.pdf
Soweit es um besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben geht, gibt es unter https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de Hinweise zum Umgang mit Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) und Links zu den Verordnungen für die Schulen im Land Brandenburg.
Für weitere Fragen stehen die sonderpädagogischen Förder- und Beratungsstellen im Land Brandenburg zur Verfügung.

Hinweise und Ergänzungen zu der Website senden Sie bitte an: sopaed@~@bildungsserver.berlin-brandenburg.de
Download
Gleiche Chancen für alle – Nachteilsausgleich für Schülerinnen und Schüler im Land Brandenburg (pdf-Datei)
Die Printfassung steht ausschließlich online zur Verfügung und kann nicht durch das LISUM verschickt werden.
Hrsg.: Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg, 2021
Impressum
Herausgeber
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Autorinnen
Ute Freibrodt, Britta Funda, Marion Gutzmann, Katrin Jankowski, Ulrike Kleissl, Kerstin Missal, Ilona Nakos, Kristina Nazarenus, Evelyn Plenzke, Christin Schellhardt, Antje Skerra, Ina Skrzipek, Dorothée Steinbock, Frauke Wall
Redaktion
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Fachliche Beratung
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Redaktionell verantwortlich: Thomas Hirschle, LISUM
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