Zitat April/Mai 2019

Zitat April/Mai 2019

Annekatrin Friedrich

  • Referentin Jugendverbandsarbeit, Jugendpolitik und Jugendbildung
  • Arbeitet seit 2016 beim Landesjugendring Brandenburg e.V. und war vorher Referentin für Jugendbeteiligung beim DKSB Thüringen e.V. 
  • Studium der Politikwissenschaft und Kulturgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
  • geboren 1989 in Plauen (Vogtland) und dort ganz in der Nähe aufgewachsen
  • verbringt ihre Freizeit gern radwandernd in Brandenburg und konzertlauschend oder kochend in Berlin. 
     

"Ich höre dich sagen. Mehr leise als laut "Das haben sich die Jugendlichen selbst aufgebaut."" (aus dem Lied "Let there be Rock" von Tocotronic)

Als Satz auf dem Türschild des Ortes, der meine Jugend geprägt hat, begleitet mich dieses Zitat nun seit vielen Jahren. Groß geworden in einer Kleinstadt, die kaum Jugendangebote dafür jede Menge rechte Strukturen vorhielt, war ein selbstorganisiertes Jugendzentrum für mich Schutzraum, Stätte für (Selbst-)Erfahrung, (Selbst-)Entwicklung, Politisierung und unvergessliche Momente. 
Heute darf ich junge Menschen dabei unterstützen, sich selbst etwas aufzubauen. Jugendverbände sind Orte der Selbstorganisation, in denen Jugendarbeit selbstbestimmt, gemeinschaftlich gestaltet und von Kindern und Jugendlichen mitverantwortet wird. Junge Menschen vertreten hier ihre eigenen Interessen, bereiten einander eine großartige Zeit und machen die Welt ein Stückchen besser. Dabei entstehen Aktivitäten, die konkret Gerechtigkeit schaffen, Solidarität zeigen, Demokratie stärken, Klima und Umwelt schützen und dabei auch noch Spaß machen. Sie lernen, was formale Bildung kaum schafft, zu vermitteln: Selbstverantwortung, Mitverantwortung, Gemeinwohlorientierung, Kritik- und Diskursfähigkeit, Formen demokratischer Entscheidung, Aushandeln, Aushalten und Anschieben.
In einer Zeit, in der Freiräume für junge Menschen immer weniger werden, ist der Satz: "Das haben sich die Jugendlichen selbst aufgebaut.", für mich Antrieb, Arbeitsgrundsatz und Botschaft.
Mit lachendem Herzen und funkelnden Augen beobachte ich daher auch Bewegungen wie #wirsindmehr oder #fridaysforfuture. In diesen Monaten nutzen junge Menschen eines ihrer wenigen demokratischen Rechte. Ihnen ist die Welt, in der sie leben, nicht egal. Sie zeigen öffentlich, was sie bewegt. Das ist gut und wichtig. Erwachsene und insbesondere Politiker*innen sollten Sorge dafür tragen, dass es so bleibt. Stattdessen drehen einige von ihnen frei. Viel lieber als über das eigentliche Problem zu diskutieren, wird über die Schulpflicht, den Reifegrad und die Professionalität "dieser jungen Leute" gestritten. An dieser Stelle sei doch die Frage erlaubt, wer hier nicht in der Lage ist, Verantwortung zu tragen? 
Junge Menschen sind dazu in der Lage. Junge Menschen sind nicht erst seit gestern politisch. Sie sind und waren es immer schon. Eine Wahlaltersenkung in anderen Bundesländern, im Bund und sogar in Europa halte ich daher für längst überfällig. Mehr noch: Eine wirkungsvolle Jugendbeteiligung muss selbstverständlich werden. Ein erster Schritt: Junge Menschen ernst nehmen!
Junge Menschen sind Zukunft und Gegenwart und ich wünsche mir, dass heute und morgen folgender Satz an vielen Türen steht: "Das haben sich die Jugendlichen selbst aufgebaut."


Annekatrin Friedrich ist Referentin für Jugend(verbands)arbeit, Jugendpolitik, Jugendbildung und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Landesjugendring Brandenburg e.V.

Redaktionell verantwortlich: Ralf Dietrich, LISUM