Zitat Oktober 2009

Zitat Oktober 2009

Zitat Oktober 2009

Fragen und Antworten
Es ist schon so:  Die Fragen sind es, aus denen das, was bleibt, entsteht.
Denk an die Frage deines Kindes: „Was tut der Wind, wenn er nicht weht?“

Erich Kästner


Diese Ermutigung des berühmten Schriftstellers und Kinderbuchautors den Fragen (des Lebens) nachzugehen, habe ich vor langer Zeit in seinem Buch Die kleine Freiheit, Chansons und Prosa 1949-1952 entdeckt und seitdem ist mir dieses kleine Gedicht nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Hatte ich doch, gerade während meiner Schulzeit und auch später im Leben, immer wieder Fragen in meinem Kopf, statt Antworten, die doch in der Schule verlangt wurden. Hatte ich mich doch geschämt, statt Antworten nur Fragen zu haben – welche Erleichterung, dann dieses Gedicht zu lesen!


Beschreibt Erich Kästner hier den Wert des Fragens. Des Nicht-Wissens? Der scheinbaren Dummheit, denn was sind Fragen schon, besonders solch banale Fragen, wie die nach dem Tun des Windes?


Es stellt das vermeintlich natürliche Verhältnis der Erwachsenen zu den Kindern – also der Generation der Erwachsenen zu der Jugend – auf den Kopf: Das Verhältnis der Wissenden (und Lehrenden) zu den Unwissenden (und Fragenden). Nur zu oft meinen (wir) Erwachsene, Antworten zu wissen für (oftmals gar nicht mehr gestellte) Fragen. Ist es uns unangenehm, Fragen zu stellen, unsere Unwissenheit über die Dinge und Zusammenhänge der Welt einzugestehen? Erich Kästner treibt das Ganze auf die Spitze: Die unsinnig wirkende Frage nach dem Tun des Windes... sie konfrontiert uns mit der Widersinnigkeit unseres logischen Denkens: Wenn der Wind seiner ursprünglichen Bedeutung nicht nachkommt..... Sollten wir Erwachsene uns auf diese Ebene der Kinder, auf diese kindliche Ebene einlassen? Ja! Denn gerade daraus entsteht Entwicklung, entsteht Erkenntnis, eine tiefere Erkenntnis!


Anmerkung zu einem Missverständnis – und die Folgen:


Auch Fragen sollten intelligent sein, sonst sind sie doch ohne Wert! Besonders intelligente Fragen werden von Erwachsenen oftmals eingeleitet mit: „Ich habe eine dumme Frage...“ Und es folgt fast immer (wie ein Ritual) die Antwort: „Es gibt kein dummen Fragen.“ Und doch ist das alles nur eine grandiose Inszenierung der Erwachsenen, um sich wechselseitig die eigene Intelligenz zu beweisen.... statt dem eigentlichen Wert der Fragen nachzugehen.... Wir sollten unseren „dummen Fragen“ ihren eigenen Wert beimessen: Ich verstehe nicht, was da passiert. Kannst du es mir erklären?


In der Erziehung und besonders im erzieherischen Kinder- und Jugendschutz sollten wir dies zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen und unseres Tuns machen:


Ich verstehe nicht, was da passiert. Kannst du es mir erklären?

 

Was ist faszinierend an der Gewalt in Computerspielen? Was ist „geil“ daran, sich mit Alkohol bis in´s Koma zu trinken? Was turnt an, reale Gewalt auch noch zu filmen und in´s Internet zu stellen? Was findest du gut an sexistischen Texten von Rappern? Aber auch: Was passiert da mit Dir und den Anderen, auf dem Schulhof, in SchülerVZ und YouTube?
Wenn unsere Kinder uns keine Antworten geben können – dann stehen wir mit ihnen auf einer Stufe. Denn: Sie spiegeln uns damit unser eigenes Leben: Wissen wir etwa immer, warum wir etwas tun? Auf einer Stufe stehend können wir uns in die Augen schauen und den gleichberechtigten Dialog beginnen ....


... mit Fragen, aus denen das, was bleibt, entsteht.

 

Klaus Hinze

Klaus Hinze

  • Geboren 1955 in Berlin, verheiratet, ein Sohn (17)
  • ehrenamtliche Mitarbeit in Jugendverbänden
  • Studium der Sozialarbeit und später der Soziologie in Berlin
  • Supervisor und Mediator
  • Tätigkeit im Jugendamt, 13 Jahre im Arbeitsfeld der Kindertagesstätten
  • Seit 1995 Geschäftsführer der Aktion Kinder- und Jugendschutz Brandenburg e.V. (AKJS)
  • Jugendschutzsachverständiger des Landes Brandenburg bei der FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft ) und Vertreter der Obersten
    Landesjugendbehörde bei der FSK und der USK (Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle)
  • Veröffentlichungen in Büchern und Zeitschriften zu den Themen: Kinder aus suchtbelasteten Familien, Medienerziehung und Jugendmedienschutz, Kinder- und Jugendschutz, Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen

Hinweis

Die dargestellten Meinungsäußerungen in den Kommentaren zu den Zitaten des Monats widerspiegeln die Meinung des jeweiligen Autors und werden nicht vom Bildungsserver Berlin-Brandenburg inhaltlich verantwortet.

Redaktionell verantwortlich: Ralf Dietrich, LISUM