Zitat November 2009

Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: "Sie haben sich gar nicht verändert." "Oh!" sagte Herr K. und erbleichte.           

Bertolt Brecht

Dieser kurze Text aus Brechts "Geschichten vom Herrn Keuner" begleitet mich schon seit langem. Er verunsichert, lässt innehalten, verwundert. Geben wir uns doch schnell damit zufrieden, in dieser gut gemeinten Aussage eine positive Botschaft zu lesen, gewohnt, das Bewährte und Vertraute auf die Zukunft zu projizieren,  gern auf der Seite derer, die in der Gegenwart den Höhe- und Schlusspunkt der geschichtlichen Entwicklung sehen.

Aber so, wie es ist, bleibt es nicht. Und nichts wäre erschreckender, als sein Gesicht wie eine Maske durch die sich wandelnde Welt zu tragen. Wir verändern uns oder werden verändert, im besten Fall gestalten wir die Veränderung selbst mit.

So befremdete es mich nach einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt, wenn mich Bekannte und Freunde als „unverändert“ wahrnahmen – hatte ich denn gar nichts dazu gewonnen? Und es kam mir manchmal wie eine Zeitreise vor, wenn ich mich in anscheinend denselben Verhältnissen, in denselben Kreisen, denselben Diskussionen ein paar Jahre später wiederfand. Sollten wir nicht neugierig sein auf das, was andere erlebt und entdeckt haben könnten? Veränderung enthält die Chance selbstbestimmter Entwicklung durch Lernen und Weiterbildung. Ich versuche, sie zu nutzen. Und ich habe das Glück, es in meinem Beruf mit anderen gemeinsam zu tun.

Ruth Ellerbrock
Leiterin der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin

Die dargestellten Meinungsäußerungen in den Kommentaren zu den Zitaten des Monats widerspiegeln die Meinung des jeweiligen Autors und werden nicht vom Bildungsserver Berlin-Brandenburg inhaltlich verantwortet.