Zitat Februar 2006

Zitat Februar 2006

Zitat Februar 2006

"Kinder sind solange gut, bis sie durch Erziehung verdorben werden."   (Hugo Wiener)*

 

Dieser Satz von Hugo Wiener hängt als Mahnung an der Wand gegenüber meinem Schreibtisch, und das schon sehr lange. Wo ich es gefunden habe, weiß ich nicht mehr. Aber es ließ mich immer wieder nachdenken. Die Anpassung von Kindern an die Erwachsenenwelt ist uns oft so wichtig, dass wir gar nicht versuchen, ihnen einen eigenständigen Platz in unserer Mitte einzuräumen. Kinder spüren das und rebellieren dagegen, indem sie sich "schlecht" benehmen. Auch meinen Töchtern ist der Satz gut bekannt und wurde immer dann zitiert, wenn sie meinten, meine Erziehungsmaßnahmen seien unangemessen. Durch ihren Einspruch haben sie erfolgreich zu ihrer Erziehung beigetragen. Beeindruckend finde ich, dass dieses Zitat nicht von einem Pädagogen stammt, sondern von einem kritischen Beobachter der Zeit. Der Blick von außen, sollte allen Menschen gegeben sein.

 

Kinder kommen aus meiner Sicht als "unbeschriebene Blätter" zur Welt, und wenn sie so werden, wie sie sind, dann haben wir alle in irgendeiner Weise zu ihrer "Beschriftung" beigetragen.

In einer Landtagsrede zum Thema "Gewalt an Schulen" habe ich dieses Zitat als Einstieg verwendet. Es ist für mich so wichtig, weil es eine neue Betonung des Erziehungsauftrags von Kindertagesstätte und Schule einfordert.

Bekannt ist, was Heranwachsende brauchen: Orientierung, dass heißt Vorbilder, Maßstäbe, Verständnis, Freiräume, das "sich-angenommen-und-gebraucht-fühlen", Geborgenheit, Anforderungen, denen sie gewachsen sind und Kommunikation mit Erwachsenen und Gleichaltrigen. Fakt ist aber auch, dass immer mehr Kinder vieles davon entbehren. Entsprechend ihrem Entwicklungsstand reagieren sie darauf. Das beschreibt genau die Verantwortung von Eltern, Lehrern, Erziehern und Politikern.

Unsere Schule kann nicht die Probleme der Gesellschaft lösen. Aber die Schule ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesellschaft und bestimmt die Lebenswelt der Heranwachsenden mindestens zehn Jahre lang nicht unwesentlich. Schule ist also ein Teil der Erfahrungswelt unserer Kinder und prägt sie.

 

Als bildungspolitischer Sprecherin der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag ist es mir wichtig, den offenen Umgang mit Kindern als eigene Persönlichkeiten, die man ernst nimmt, auch in den Erziehungsauftrag staatlicher Bildungseinrichtungen explizit einfließen zu lassen.

Ich teile die Ansicht, dass das Schulklima über Leistungsbereitschaft von Lehrern und Schülern entscheidet und darüber bestimmt, wie hoch das Aggressionspotential an einer Schule ist. So ist es auch kein Geheimnis, dass dort, wo Lehrer, Eltern und Schüler nicht übereinander, sondern miteinander reden, wo Schüler entsprechend ihrem Leistungsvermögen gefordert und gefördert werden, wo Höflichkeit und Respekt voreinander gelebt werden, wo Konflikte benannt werden und gelernt wird, mit ihnen umzugehen, Zukunft gedeihen kann. Die Lehrer nehmen im System Schule eine Schlüsselposition ein. Von ihnen hängt es in erster Linie ab, welches Klima in einer Schule herrscht. Schule, die unter dem Vorwand, ihre Schüler auf die Leistungsgesellschaft vorzubereiten, nur auf Stoffvermittlung setzt, Bedürfnisse und Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler aber ausblendet sowie Leistungsbereitschaft durch Druck und Repression zu erzeugen versucht, demotiviert, weil sie einer großen Anzahl von Schülerinnen und Schülern klar macht, dass sie kaum Chancen haben, erfolgreich zu sein. Doch weiß auch die Wirtschaft, wie wichtig Leistungsmotivation bereits in der Schule ist, denn nichts motiviert mehr als Erfolg.

 

Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher müssen dafür sorgen, dass die Kinder so angenommen werden, wie sie sind und Strategien entwickeln mit ihnen umzugehen, um das Möglichste in ihnen zu wecken.

 

 

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* Hugo Wiener (* 16. Februar 1904 in Wien, † 14. Mai 1993 in Wien) war ein österreichisch-jüdischer Komponist, Librettist, Chanson-, Kabarett-, Drehbuch- und Bühnen-Autor sowie Pianist.

Vita Ingrid Siebke

  • geboren 1948 in Magdeburg
  • verheiratet, 2 Kinder
  • Evangelisch
  • 1967 Abitur
  • 1967-1971 Studium der Germanistik/Geschichte an der Pädagogischen Hochschule Potsdam, Diplomlehrerin
  • 1971-1994 Lehrertätigkeit an verschiedenen Schulen
  • seit 1994 Mitglied des Landtages

  • seit 1996 bildungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion

Fragen und Meinungen gerne an: Ingrid Siebke

Redaktionell verantwortlich: Ralf Dietrich, LISUM