Zitat Oktober/November 2015

Zitat Oktober/November 2015

Zitat Oktober/November 2015

"Fremd in der Fremde ist nur der Fremde."

Karl Valentin

 

Über diesen Satz von Karl Valentin bin ich schon vor einiger Zeit gestolpert. Er löste zunächst Verwirrung bei mir aus. Was bedeutet dieses Zitat? Für mich persönlich drückt es aus, dass wir uns letztlich nirgends auf der Welt wirklich fremd fühlen müssen, wenn wir es wollen. Denn überall auf der Welt leben Menschen wie du und ich, unabhängig von Hautfarbe, Religion... Alle Menschen auf der Welt haben gleiche Bedürfnisse und ähnliche Wünsche für das eigene Leben und die persönliche Zukunft. Auf der anderen Seite kann man Menschen sich fremdfühlen lassen, indem man sie ausgrenzt und diskriminiert. Schon bei der Unterscheidung zwischen "wir" und "die Anderen" fängt es an. Ich hatte das Glück, in verschieden Regionen der Welt reisen und mit Menschen in Kontakt treten zu dürfen. Im Laufe der Zeit stellte sich folgende Einsicht ein: Letztlich gibt es immer viel mehr, was uns verbindet als uns trennt. Und vielleicht reicht für diesen Gedanke ja schon der Schritt vor die eigene Haustür und der offene Austausch mit einem anderen Menschen.

 

Meine Kindheit verbrachte ich in der räumlichen wie geistigen Enge der DDR. In meinem Umfeld wurde alles als gegeben hingenommen, eine kritische Auseinandersetzung mit den vorhandenen Umständen und einen Willen zur Veränderung gab es kaum. Die Nach-Wendezeit in meiner Geburtsstadt Eberswalde war grausig. Viele kennen ja noch die Schlagzeilen aus dieser Zeit. Um die Opfer wurde sich damals so gut wie nicht gekümmert. Sie waren Menschen zweiter Klasse. Auch wir Jugendlichen wurden nicht aufgefangen, die "alten" Wahrheiten waren nichts mehr wert und die Erwachsenen nur mit sich beschäftigt. Wir waren auf uns allein gestellt. Vieles in dieser Zeit war für mich irritierend und widersinnig, nur konnte ich es damals noch nicht artikulieren.  

 

Mit dem Beginn meines Ingenieurstudiums Mitte der 90er Jahre in Berlin ließ ich diese dunkle Zeit hinter mir. Ich lernte unglaublich viel Neues kennen und fing an, mir mein eigenes Weltbild aufzubauen, was im Übrigen wohl ein lebenslanger Prozess sein wird. Neben meinem Studium begann ich auch musikalisch kreativ zu arbeiten, was bis zum heuten Zeitpunkt anhält. Die ersten "wirklichen" Kontakte zu "Ausländern" konfrontierten mich mit meinen eigenen Vorurteilen und Rassismen, welche vorrangig in der Kindheit geprägt wurden. Es dauerte einige Zeit, meine diskriminierenden und rassistischen Denkmuster zu akzeptieren und damit zu beginnen, diese langsam abzubauen. Bis zum heutigen Tage begleitet mich diese Aufgabe.

 

Seit September letzten Jahres habe ich die Landeskoordination der Brandenburger Entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationstage (BREBIT) inne. Die BREBIT sind Aktionstage des Globalen Lernens, welche jedes Jahr im Herbst drei Wochen lang stattfinden. Mit mehr als 120 durchgeführten Projekten an über 40 Orten in drei Wochen bringt die BREBIT seit zwölf Jahren globale Themen an Schulen. Unsere Referent_innen vermitteln in den einzelnen Projekten Wissen über globale Zusammenhänge und richten den Blick auf die historischen, politischen und ökonomischen Strukturen, die zur Re-Produktion von Armut im Norden wie im Süden beitragen. In jedem BREBIT-Projekt erarbeiten sich Schüler_innen Antworten auf die Frage "Wie kann ich persönlich zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen?". Neben der eigentlichen BREBIT finden sich verschiedene Seitenprojekte. So haben wir unter anderem drei internationale Jugendbegegnungen (hervorgegangen aus der Ausstellung StadtLandGeld) durchgeführt. Gegenüber klassischen Süd-Nord-Schulpartnerschaften, bei denen wir auch beratend an Schulen unterwegs sind, war bei diesem Projekt unter anderem der Süd-Süd-Austausch unter den Jugendlichen von großer Bedeutung.

 

"Gutes Leben für alle! Wie hängen Armut und Reichtum in unserer Welt zusammen?" – unter diesem Motto startet am 10. November 2015 die diesjährige BREBIT mit einer großen Auftaktveranstaltung im Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte. Auch in diesem Jahr können wir dazu Expert_innen aus Indien, Philippinen, Bolivien und Tansania begrüßen. Darüber hinaus stehen (außer-)schulischen Bildungseinrichtungen in diesem Jahr 118 BREBIT-Projektangebote zur Verfügung. Weitere Informationen zu den einzelnen Projekten finden sich im BREBIT-Angebotskatalog, der heruntergeladen oder kostenfrei unter landeskoordination@brebit.org bestellt werden kann. Auch in diesem Jahr haben wir recherchiert, an welchen Stellen die Brandenburger Lehrpläne Anknüpfungspunkte bieten, um BREBIT-Angebote mit den Bildungsschwerpunkten der unterschiedlichen Klassenstufen sinnvoll verbinden zu können. Gerne beraten wir interessierte Schulen und unterstützen sie bei der Planung und Durchführung von Projekten des Globalen Lernens.

 

Wenn ich heutzutage an Schulen unterwegs bin, staune ich oft nicht schlecht über eine immer größer werdende Zahl von Schüler_innen, die mit Selbstvertrauen, Interesse und Empathie in die Zukunft blicken. Diese jungen Menschen werden sich später wahrscheinlich nirgends fremd fühlen, sie denken global und versuchen lokal zu wirken. Dahingehend hat sich in den letzten 20 Jahren viel getan.

 

 

Ronny Sommerfeld koordiniert die Brandenburger Entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationstage (BREBIT) in Trägerschaft der RAA-Brandenburg - Demokratie und Integration Brandenburg e.V..

Ronny Sommerfeld

Hinweis

Die dargestellten Meinungsäußerungen in den Kommentaren zu den Zitaten des Monats widerspiegeln die Meinung des jeweiligen Autors und werden nicht vom Bildungsserver Berlin-Brandenburg inhaltlich verantwortet.

Redaktionell verantwortlich: Ralf Dietrich, LISUM