Zitat August 2007

Zitat August 2007

"Unter den drei Verben, mit denen man das Wort Bildung assoziieren kann:
- etwas haben bzw. wissen
- etwas können bzw. tun
- etwas sein bzw. sich einer Sache bewusst sein
verwenden wir noch immer die grösste Anstrengung auf das erste und fast keine auf das letzte, auf das es in unserer Zeit am meisten ankäme."
  Hartmut von Hentig* (1991)


Es gibt in Deutschland nur wenige Pädagogen, die in einem vergleichbaren Maße Wert gelegt haben auf die ganzheitliche Bildung der Persönlichkeit als Ziel der Arbeit in unseren Schulen wie Hartmut von Hentig. Er lenkt den Blick weg vom Lehrer auf den Schüler, weg vom Lehrstoff und hin zur Lerngelegenheit. Und er stellt die Schülerinnen und Schüler immer in den Kontext der Gemeinschaft. "Man braucht frühe ermutigende Erfahrungen mit dem, was das Gemeinwesen ausmacht, Aufgaben, die dir und mir gestellt sind und deren Erfüllung befriedigt, einen Anstoß zum Verlassen ausgetretener Bahnen, auf denen weder Sinn noch Sicherheit zu finden sind", schreibt er im Jahre 2006.

Ich bin überzeugt: Bildung ist mehr als Informationen sammeln, mehr als Faktenwissen. Es geht zunehmend auch um Persönlichkeitsentwicklung und um Gemeinschaftsfähigkeit, die übrigens beide auch für den Erfolg im Beruf eine viel größere Rolle spielen, als viele das lange Zeit glauben wollten.

Wir brauchen Menschen, die nicht nur darauf aus sind, die eigene Persönlichkeit zu entfalten und zu verwirklichen, sondern die bereit und in der Lage sind, Verantwortung für andere zu übernehmen. Wir wollen keine Jungdynamiker, die - wie Alt-Bundespräsident Johannes Rau zu Recht sagte - "von allem den Preis, aber von nichts mehr den Wert kennen", im Gegenteil: Wir brauchen Menschen, denen Wertbindung wichtiger ist als die Kursentwicklung.

Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an Werte der Aufklärung wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, wie Solidarität, Toleranz und Friedfertigkeit. Der Runde Tisch Werteerziehung ist dabei, diese Erkenntnis im Land Brandenburg zum Konsens aller gesellschaftlichen Kräfte zu machen - nicht im Sinne einer abstrakten Feststellung, sondern in der Praxis der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Ich denke, schon in jungen Jahren muss die Verständigung auf Werte erfolgen, gerade auch in der Schule muss nach den wesentlichen Werten gefragt werden, nach dem, was unverzichtbar ist und was deshalb unverlierbar sein sollte. Schließlich gibt es, wie Max Frisch es einmal formulierte, "einen menschlichen Maßstab, den wir nicht verändern, sondern nur verlieren können" - auch in einer Gesellschaft, die so sehr von Wandel und Bewegung geprägt ist, wie beinahe keine vor ihr.

Hier hat Schule einen ebenso großen Beitrag zu leisten wie in der Vermittlung von Fachwissen - Bildung muss uns wieder zu etwas werden, was das Herz wie den Verstand betrifft. Um den Gedanken von v. Hentig aufzunehmen: Unsere Schülerinnen und Schüler müssen in die Bildung hineinwachsen als eine Haltung, die ihr ganzes künftiges Leben prägt. Wenn wir als Pädagogen da unseren Beitrag leisten können, ist unser Auftrag erfüllt.


* Hartmut von Hentig (geb. 1925 in Posen), deutscher Pädagoge und Publizist; mehr Infos unter: de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_von_Hentig


Vita Burkhard Jungkamp

  • geb. am 12.11.1955 in Münster
  • verheiratet, 2 Kinder
  • 1974-1981 Lehramtsstudium (Deutsch, Mathematik und politische Wissenschaften) an den Universitäten Köln und Münster (Erste philologische Staatsprüfung)
  • 1981-1998 Referendariat (Zweite Staatsprüfung) und anschließende Anstellung an verschiedenen Gymnasien in Nordrhein-Westfalen (NRW)
  • 1998-2001 Pädagogischer Mitarbeiter im Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung NRW
  • 2001-2002 Schulleiter des Wilhelm-Hittorf-Gymnasiums, Münster
  • 2002-2005 Referatsleiter bzw. Leiter des Ministerbüros im Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung NRW
  • Seit Nov. 2005 Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg

Redaktionell verantwortlich: Ralf Dietrich, LISUM