Methoden
Wie setze ich Feedbackverfahren zur eigenen und zur Kompetenzsteigerung von Schülerinnen und Schülern ein?
Feedback zählt zu den Elementen in der zusammenfassenden Studie von Hattie (2009), die in die Kategorie „Was hilft wirklich?“ gehören. Neben dem Lehrkraft–Schüler-Verhältnis wird dem Feedback ein hoher Effekt auf die Kompetenzsteigerung nachgewiesen. Dabei grenzt Hattie Feedback als inhaltliche Rückmeldung deutlich von Lob und Tadel ab (Köller et al. 2013).
Feedback folgt bestimmten Regeln (z.B. Ich-Botschaften verwenden, Beobachtungen von ihrer Interpretation unterscheiden, Vertrauensbasis aufbauen) und zielt darauf ab, Verhaltensänderungen zu ermöglichen. Der Feedbacknehmer erhält Rückmeldungen zu seinem Verhalten und dessen Wirkung auf andere und bekommt damit die Chance, Selbst- und Fremdwahrnehmung abzugleichen, sich weiter zu entwickeln und Kompetenzen aufzubauen.
Mit Blick auf das Handlungsfeld „Unterricht“ sind vier Feedbacksituationen möglich: Lehrkräfte geben Lernenden Feedback, Lehrkräfte bzw. Lernende geben sich gegenseitig Feedback sowie Lernende geben Lehrkräften Feedback. Zur Kompetenzsteigerung der Lehrenden und Lernenden ist der Aufbau aller Varianten zu einer Feedbackkultur nötig. Wenige oder keine Rückmeldungen untergraben Lernmotivation und Lernprozesse (Butler 2005).
Nachfolgend werden die unterschiedlichen Feedbacksituationen dargestellt, beginnend mit der am häufigsten praktizierten Variante, dem Feedback von der Lehrkraft an die Schülerin oder den Schüler.
Lehrkräfte geben Lernenden Feedback
Lehrkräfte sind ständig gefordert, die Lernenden zu bewerten. Vorgaben der Bildungsadministration regeln das Schreiben der Klassenarbeiten, der Vergleichsarbeiten und die Vergabe von Zeugnissen. Inwieweit Lehrkräfte das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler beobachten, diagnostizieren und individuelle Entwicklungsschritte berücksichtigen, ist abhängig von ihrem Professionswissen und ihren Werthaltungen.
Butler (2005) kommt in ihren Untersuchungen zum Ergebnis, dass Kompetenzsteigerungen besonders durch aufgabenorientiertes Feedback zu erreichen sind. Im Mittelpunkt stehen dabei der Lernprozess (nicht das Ergebnis) und der Lernfortschritt. Lehrkräfte geben ihren Schülerinnen und Schülern Rückmeldungen zur beobachteten Aufgabenbearbeitung und zum Kompetenzerwerb und fördern damit ihr aktives Lernverhalten. Zudem ermöglicht diese Form des Feedbacks allen Lernenden, Fortschritte zu erzielen. Der Lernprozess wird für sie transparent, ihre Motivation bleibt erhalten.
Das Lernverhalten der (rein) leistungsbezogenen Schülerinnen und Schüler ist nicht am Lernprozess orientiert, sondern richtet sich an Zensuren und Prozenträngen aus, d.h. sie erwarten leistungsorientiertes Feedback. Leistungsfähige Lernende erhalten dabei ihr Leistungsniveau aufrecht, sie brauchen jedoch weitere Ziele und Anreize, um zu Kompetenzsteigerungen zu kommen. Bleiben die leistungsbezogenen Rückmeldungen hinter den Erwartungen zurück, sind sie nicht am Feedback interessiert, Lernschwächere verschlechtern sich durch diese Art der Rückmeldungen.
Die Auseinandersetzung mit diesen beiden Feedbackverfahren und ihre Reflexion führen auch auf Seiten der Lehrkraft zu einer Kompetenzerweiterung, da sie in der Folge neue Lernumgebungen schaffen, das Beziehungsgefüge zu einem kooperativen Miteinander entwickeln und den diagnostischen Blick schärfen.
Lehrkräfte geben Lehrkräften Feedback
Das kollegiale Feedback ermöglicht eine Neubewertung der eigenen Arbeit und damit eine Kompetenzsteigerung, ist aber (noch) eher die Ausnahme. Voraussetzung für dieses Feedbackverfahren ist eine sichere Vertrauensbasis. Deshalb kann es nur eingesetzt werden, wo/wenn Lehrkräfte sich freiwillig bereit erklären und es als Unterstützung ihrer Arbeit verstehen und nutzen wollen. Vertrauen ist sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis dieser Methode und führt zur verstärkten Kooperation der Lehrkräfte. Die Erhellung „blinder Flecken“ durch die Rückmeldungen fördert individuelle Lernprozesse (Johari Fenster). Beim kollegialen Feedback können vorab Beobachtungspunkte (gemeinsam verabredet oder individuell gewünscht) festgelegt werden oder die Beobachtung erfolgt offen, ohne Festlegung von Schwerpunkten. Auf diese Weise hilft Feedback, zielgerichtet zu arbeiten und Kompetenzen aufzubauen, abhängig davon, worauf der Blick gerichtet wird.
Wesentlich ist, dass kollegiales Feedback sowohl bei der einzelnen Lehrkraft zur Kompetenzsteigerung führt, als auch zu einem veränderten Zusammenwirken im Kollegium und damit zu einer Steigerung der Schulqualität beiträgt.
Lernende geben Lernenden Feedback
Das Feedback der Lernenden untereinander findet in zwei unterschiedlichen Kontexten statt: zum einen im Klassenrat (o.ä.), zum anderen in Unterrichtsfächern. Im Klassenrat (o.ä.) geht es um das, was in der Klassengemeinschaft geschieht, so dass systematisches Feedback an dieser Stelle eine Steigerung der Sozialkompetenz unterstützt (z.B. Entwicklung der Teamfähigkeit, Strategien des Konfliktlösens). Außerdem kann eine Erweiterung der Selbstkompetenz erfolgen, weil Mitwirkungsmöglichkeiten gesehen und Selbstwirksamkeit erlebt wird.
Feedbacksituationen in Unterrichtsfächern (z.B. Rückmeldungen zu einer Schülerpräsentation) tragen auch zu einer Erweiterung der sozialen Fähigkeiten bei, steigern aber darüber hinaus prozessbezogene Kompetenzen wie Kommunizieren, Argumentieren in der Verknüpfung mit den inhaltlichen Kompetenzen.
Dieses Feedbackverfahren stärkt das Verantwortungsgefühl der Schülerinnen und Schüler für ihren Lernprozess und ist eine damit auch Facette des Demokratielernens.
Lernende geben Lehrkräften Feedback
Gegen diese Feedbacksituation gibt es bei Lehrkräften die meisten Vorbehalte. Dies ist nachvollziehbar, wenn Feedback mit einer Beurteilung gleichgesetzt wird. Voraussetzung für eine positive Wirkung des Feedbacks ist also, dass Lehrkräfte selbst Rückmeldungen als Entwicklungsimpulse verstehen und dass bei den Schülerinnen und Schülern dieses Verständnis ebenfalls aufgebaut wurde. Feedback der Lernenden an die Lehrkräfte kann sich einerseits auf den eigenen Lernprozess beziehen, andererseits aber auch auf den Unterrichtsprozess. Im ersten Fall hilft es der Lehrkraft, Lernprozesse sichtbar zu machen und zu verstehen, Hinweise auf geeignete Unterstützungsmaßnahmen zu bekommen und damit Individualisierung zu unterstützen. Die Chance zur Kompetenzsteigerung liegt auf Seiten der Lehrkraft im Wesentlichen bei einer Erweiterung der Diagnosekompetenz und der fachdidaktischen Kompetenz. Auf Seiten der Schülerinnen und Schüler bewirkt das Feedback in diesem Zusammenhang, dass sie sich für ihr Lernen verantwortlich fühlen, die Fähigkeit des Reflektierens aufbauen und in ihrer Selbststeuerung gestärkt werden. Feedback zum Unterrichtsprozess führt zu einer aktiven Mitgestaltung der Lernenden, regt bei Lehrkräften einen Perspektivwechsel an und führt zu Veränderungen in der Klassenführung, dem Lernklima, der Schüleraktivierung und anderen Faktoren.
Diese Feedbacksituation zeichnet sich besonders durch Dialog, Respekt und Vertrauen aus und fördert ein von Wertschätzung geprägtes Lehrer-Schüler-Verhältnis.
Zusammenfassung
Wenn man alle vier Feedbacksituationen betrachtet, gibt es Gemeinsamkeiten, die für die Wirkung von Feedbackverfahren im Unterricht genannt werden können:
- Feedback ermöglicht immer Kompetenzsteigerungen.
Kompetenzsteigerungen finden auf der individuellen Ebene und im System statt. - Feedback verändert Strukturen und führt zu mehr Kooperation und Miteinander.
Lehren und Lernen wird als Gemeinschaftsleistung verstanden. - Feedback ist ein Beitrag zum Demokratielernen.
Beteiligung und Selbstwirksamkeit wirken gegen Gleichgültigkeit und Desinteresse.
Feedback als Entwicklungsinstrument verstanden, braucht einen systematischen Aufbau, damit der Einstieg in eine Feedbackkultur gelingt. Die Einführung geschieht in der Regel durch die Lehrkraft, die ihre bisherige Praxis des Feedbacks reflektiert. Zu Beginn muss sie Ziele und Inhalte festlegen, für ihre Situation geeignete Feedbackmethoden auswählen und sich zunächst für eines der oben dargestellten Verfahren entscheiden (z.B. kollegiales Feedback).
Literatur:
Bastian, J. (2013). Feedback im Unterricht- Lernen verstehen und einen Dialog über Lernen beginnenButler, R. (2005). Ein zielorientiertes Modell für Feedbackverfahren im Unterricht. Implikationen für Lernmotivation und Schulstruktur
Unterrichtswissenschaft, 33 Jg. 2005, H.2, S. 122-142: Beltz Juventa
Hattie, J. (2009). Visible learning. A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London: Routledge.
Köller, O./Möller, J./Möller, J. (2013). Was wirkt wirklich? Schulmanagement Handbuch 145: Oldenbourg
Helmke, A. et al (2011) EMU-Unterrichtsdiagnostik Studienbrief Universität Koblenz-Landau
http://www.unterrichtsdiagnostik.info/media/files/Broschuere_2.02_30.01.2011.pdf (Zugriff am 30.06.2014)
Redaktionell verantwortlich: Katharina Wucke, SenBJF
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