Zitat Juli 2008

Zitat Juli 2008

Zitat Juli 2008

"Die Schule [...] entlässt die jungen Menschen kenntnisreich, aber erfahrungsarm, erwartungsvoll, aber orientierungslos, ungebunden, aber auch unselbständig ? und einen erschreckend hohen Anteil unter ihnen ohne jede Beziehung zum Gemeinwesen, entfremdet und feindlich bis zur Barbarei. "

Hartmut von Hentig*

 

Ich weiß, dass das Jugendproblem, das ja nie nur ein Jugend-Problem ist, sondern ein Abbild-Problem der Gesellschaft insgesamt, dass das Jugendproblem immer wieder schöngeredet und euphemistisch abgetan wird, mit so beschwichtigenden Bemerkungen wie: "Ich kenne aber Schulen und junge Menschen, die ganz anders sind." Na, diese kenne ich auch. Wer sich aber einen gravierenden gesellschaftlichen Missstand weiter schönredet, der wird vielleicht allzu schnell seine ?helle Freude? haben, denn die Verlotterung ist nicht mehr marginal!

 

Den o. g. Hentig-Text haben wir in unserer Gutenberg Druckerei der Jugend-Kunst-Schule "Galerie Sonnensegel" e.V. in Brandenburg an der Havel schon 1993 gelesen und dann im Jahr 2000 mit der Hand gesetzt und in der Papier-Größe A 1 gedruckt. Denn erst seit dieser Zeit haben wir diese demokratischste aller Möglichkeiten, Bildungs-Gedanken von Menschen der Welt selber mit der Hand zu setzen und zu drucken und dann auch unter die Menschen zu bringen.

Sicher wird die Erkenntnis von Hartmut von Hentig nicht schon dadurch richtiger, dass wir sie groß gedruckt haben.
Doch der aufrüttelnde Satz,
der zutreffende Satz,
der für wache Menschen  beunruhigende Satz,
er soll und muss GROSS herauskommen! Nicht zu spät.  Und er soll von Allen im Lande gesehen und gehört werden können. Auch von uns Kulturpädagogen und Künstlern!

Mit diesem Satz wollen wir auf keinen Fall den Beruf von Lehrerinnen und Lehrern noch mehr beschädigen, als er es in Deutschland - leider! - eh schon ist. Da hilft auch kein altes Beamtentum, um den Ruf zu retten!
Es steht für mich fest, dass die deutsche Schule radikal, also an die Wurzeln gehend, neu gedacht werden muss (vgl. das entsprechende Buch von Hartmut von Hentig ?Die Schule neu denken?).

Ich hatte die größten Hoffnungen, als neues Mitglied der großen und reichen Bundesrepublik im Jahre 1990/91 einen Bildungsaufschwung zu erleben. Und frage mich immer dringlicher seit einigen Jahren, was ist aus diesem Traum geworden? Der materielle Reichtum in Deutschland ist an vielen Orten sichtbar. (Aber NICHT überall: z. B. Stichwort KINDER-ARMUT!).

Wo aber ist der geistige Reichtum unserer Nation, die sich den Herausforderungen vieler historischer Bildungs-Schätze immer wieder versichern sollte?
Ich sehe viel zentralistische Kleinstaaterei und höre dann bei jeder Bildungsstudie, wie es tatsächlich um die Bildung in diesem unseren Lande steht.
Nun müsse Bildung also Chefinnen- / Kanzlerinnen-Sache werden, hört man. (Warum lesen aber zu wenige die Analysen und Empfehlungen des großen Pädagogen Hartmut von Hentig? Warum betrachten zu wenige die Bildungsfilme von Reinhard Kahl, die eindrucksvoll das Gelingen zeigen? Wozu lädt man sich Otto Herz zu anregenden und ermutigenden Konferenzen ein, wenn sich viel zu wenig an den grundlegenden Rahmenbedingungen zum Besseren bewegt?)

Man höre sich die Sorgen der Schulleiter und Lehrerinnen und Lehrer aus den Oberschulen an, auch aus den Grundschulen und Gymnasien. Dazu habe ich nicht  einmal den Platz! JA: die Schule muss neu gedacht und neu gemacht werden, - und das sofort mit unserer kulturellen Bildungsarbeit - denn sonst haben wir die Alphamenschen und Egotaktiker auf der einen Seite und die von wahrer Bildung Abgehängten, die Verlierer, auf der anderen und eine andere Kultur ? die des Konsums und des turbokapitalistischen Marktes ? wird die gültige in Zukunft sein.

Mich lässt das nicht zur Ruhe kommen. Es darf keinen von uns ruhig lassen.
Mit unserer Jugendkunstschule, der Galerie Sonnensegel, und mit so vielen Jugendkunstschulen im Land Brandenburg bieten wir allen Schulen aller Schulformen eine kulturelle Bildung in großer Breite und Vielfalt an, für viele, viele Themen und für Fächer übergreifende Erfahrungs- und Erkenntnisfelder.

Erste Schritte werden auch für die Ausgestaltung eines anspruchsvollen ?Ganztags? getan. (Aber auf welchem Niveau?!) Bei der ?Initiative Oberschule? hatten wir bisher ? zu unserem Bedauern ? noch keine Chancen. Zu hoffen ist, dass es andere Kulturinitiativen schon geschafft haben. - So hoffen wir auf das Schuljahr 2009/10.
Es ist uns Sonnenseglern gelungen, Teil eines Bundesmodellprojekts "Lebenskunst lernen" zu sein. Wir arbeiten ab September 2008 ? neben vielem Anderen - auch ein Jahr lang mit derzeit zwei Oberschulen in der Stadt Brandenburg an einer Hommage für HAP Grieshaber, Pablo Neruda und Mikis Theodorakis. Am Ende des Projekts werden wir u. a. die "Mauthausen-Kantate" aufführen ? mit Schülerinnen und Schülern, die von sich manchmal sagen, dass sie sich selbst oft schon abgeschrieben hatten.

Wie heißt es doch in Skandinavien und auch in Reggio-Emila: "Auf den Anfang kommt es an!" Wir ?Sonnensegler? und viele Kunstschulen beenden immer wieder die "deutsche Krankheit" der Beginnlosigkeit! Wir fangen immer wieder an im Geiste von "Lob den Anfängern". (Noch ein Film von Reinhard Kahl.)

Wir erfreuen uns und andere daran, wie kulturelle Bildungs-Schätze, gerade die, die selbst gestalteten, dann auch stützen und stärken können.

Auf-Bauen ist uns wichtiger als unter-richten! Wer mitmachen möchte: Wir laden jeden Kindergarten, jede Schule, jeden reformwilligen Menschen herzlich ein!


* Mehr Informationen über den Bildungsreformer Hartmut von Hentig:  http://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_von_Hentig

Vita Armin Schubert

  • 1941 in Schweidnitz/ Schlesien geboren,
  • Schulbesuch und Landmaschinenbau-Lehre (Verbot des Besuchs der Erweiterten Oberschule),
  • Studium in Magdeburg und Berlin (Diplomlehrer für Deutsch und Musik)
  • Studium Humboldt-Uni Berlin (Rehabilitationspädagogik),
  • Konzeptentwicklung für eine Kindergalerie ab 1987; Bürgerbewegung mit großer Künstlersolidarität zur Gründung einer Jugendkunstschule; Verbot der Bildungsinitiative bis Herbst 1989,
  • 1. Juni 1990 Eröffnung der Galerie "Sonnensegel" in Brandenburg an der Havel
  • seit 1997 Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen in Brandenburg e.V. 
  • ?Sonnensegel? erhielt zahlreiche Preise und Ehrungen, Armin Schubert als ihr Gründer und Leiter wurde 2007 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt

Redaktionell verantwortlich: Ralf Dietrich, LISUM