Position 1: Mathematisch-logische Orientierung - Dijkstra 1989
These: Computer können nur Symbole manipulieren. Sie tun dies mittels Programmen. Programme sind maschinell ausführbare Formeln. Aufgabe der Programmierer ist es, Formeln durch die Manipulation von Symbolen herzuleiten. Informatik befaßt sich also mit dem Wechselspiel von maschineller und menschlicher Symbol-Manipulation. Die Informatik-Grundausbildung muß daher stringent mathematisch-logisch sein. Es ist - ohne Verwendung von Computern - die formale Manipulation einer einfachen imperativen Programmiersprache zu lehren. Ziel ist die Vermittlung der Fähigkeit, korrekte Programme zu schreiben, d.h. gegebene Spezifikationen korrekt in maschinell ausführbare Formeln umzusetzen.
Position 2: lngenieurwissenschaftliche Orientierung - Parnas 1990
These: Informatiker arbeiten de facto wie Ingenieure, weil sie technische Artefakte herstellen. Es fehlt ihnen aber eine Ingenieursausbildung, die fundamentale Methoden wie z.B. Zuverlässigkeitsanalysen komplexer Systeme enthält. Es sollte daher eine lngenieursausbildung angestrebt werden, die aus mathematischen und ingenieurwissenschaftlichen Kursen besteht. Die Programmierung realer Maschinen sollte im Grundstudium ignoriert werden.
Position 3: Evolutionäre Orientierung - Brooks 1987
These: Anforderungen an ein Software-System können bei realen Systemen nicht eindeutig formuliert werden. Spezifikationen erfassen häufig veraltete Anforderungen und verhindern so die rasche und flexible Anpassung an die sich ständig ändernden organisatorischen Strukturen und Aufgaben. Daher hat keine der bisher entwickelten formalen Methoden (algebraische Spezifikation, formale Verifikation, automatische Programmierung) zu einem qualitativen Sprung in der Software-Erstellung geführt. Kontinuierliche Verbesserungen sind die einzige Hoffnung.
Position 4: Partizipative Orientierung - Bonsiepen, Coy 1992
These: Computer sind Geräte, die bestimmte Funktionen innerhalb menschlicher Tätigkeitsbereiche erfüllen. Sie sind Mittel zum Zweck. Im Mittelpunkt stehen daher die alltäglichen Aufgaben von Menschen, die die Software nutzen. Software-Systeme sind Bestandteil einer funktionierenden Organisation. Der Informatiker muß deshalb den sozialen Kontext des Arbeitsplatzes, die Aufgabenverteilung zwischen Mensch und Computer innerhalb des Arbeitsprozesses verstehen lernen. Software-Systeme sind so zu entwickeln, daß sie einfach, benutzbar und arbeitsunterstützend sind.
Ziel der Ausbildung muß es sein, Informatiker zu befähigen, Geräte, Programme und Prozesse zu spezifizieren und zu entwerfen, die den gestellten Anforderungen genügen. Es werden akzeptable Lösungen gesucht, nicht optimale und perfekte.
Redaktionell verantwortlich: Frank Oppermann
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