
Quelle 1: Die Verfassung der deutschen Republik. Von Dr. Paul Michaelis
Die Nationalversammlung wird im wesentlichen die Verfassung der deutschen Republik zu beraten und den Frieden zu beschließen haben. Der Friede soll dem deutschen Volk die Möglichkeit bringen, wieder zur Arbeit zurückzukehren und normale Beziehungen zu den übrigen Staaten aufzunehmen. Durch die Verfassung soll die dauernde Grundlage des neuen Reichs geschaffen werden. Daß dazu die alte Reichsverfassung nicht mehr brauchbar sein kann, darüber herrscht Übereinstimmung. Nicht bloß, daß dem neuen Reich die monarchische Spitze fehlen wird, auch die Stellung der Bundesstaaten und die Verteilung der staatlichen Macht wird eine tiefgreifende Umgestaltung erfahren. Nur eine Neuschöpfung auf breitester demokratischer Grundlage kann in Frage kommen. Im übrigen wird das Schwergewicht Preußens, das bisher auf dem ganzen Reich lastete, in irgend einer Weise ausgeschaltet werden müssen. Das neue Reich kann nur auf der Gleichberechtigung aller Teile beruhen. Aber ebenso wenig ist daran zu denken, daß die Eigenart der deutschen Stämme unberücksichtigt bleiben könnte. In welcher Weise Einheit und Verschiedenheit miteinander in Einklang gebracht werden soll, darüber dürften auch in der Nationalversammlung die Meinungen weit auseinander gehen.
Zitiert aus: Berliner Tageblatt und Handelszeitung, vom 4. Januar 1919, 48. Jg., Nr. 6, S. 1.
Quelle 2: Der Kampf gegen den Terror in Berlin, T. W. [Theodor Wolff, d. Verf.]
Wir haben aber in dieser Woche nicht nur die Gewaltakte der Wahnwitzigen und der Mobgötzen, sondern auch manches, was froh stimmen konnte, erlebt. Gegenüber dem Terror standen alle, die bei uns zum Verlag, zur Zeitung, zum Betriebe, zu den Bureaus gehören, an der Maschine oder am Pult arbeiten, in fester Einigkeit da. Kein einziger von ihnen wünschte Verhandlungen, eine schwächliche Verbeugung vor der dreist aufgezwungenen Diktatur. Und wenn wir Sorge empfanden, so kam sie nicht nur von dem Gedanken an die Zeitung, an das Instrument des Kampfes und der Aufklärung, das man uns geraubt hatte, sondern vor allem von dem Gedanken an diese Arbeiter und Angestellten, deren Erwerbsstätte gefährdet war. Es gibt auch unter den Spartacus-Bündlern [...] neben den stumpfsinnigen Mitläufern und albernen Radauflegeln gewiß auch einige Personen, die unklaren Geistes, aber reinen Herzens sind. [...] Aber ist es diesen taumelnden Phantasten denn gar nicht mehr möglich, zu begreifen, welche Elendssaat sie aussäen, wie sie in ihrem Beglückerwahn das arbeitswillige Volk ins grenzenlose Unglück hineintreiben, und wie aus den Ruinen, die sie häufen möchten, niemals ein neues Leben erblühen kann? Und wenn sie sich für Jünger Tolstois halten, sollten sie doch bedenken, daß ihre Politik der Maschinengewehre niemandem abscheulicher erschienen wäre als dem reinen Verächter der Gewalt.
Zitiert aus: Berliner Tageblatt und Handelszeitung, vom 13. Januar 1919, 48. Jg., Nr. 9, S. 1.
Redaktionell verantwortlich: Dr. Uwe Besch, LISUM
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