Orientierungs- und Handlungsrahmen für Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung
Der Orientierungs- und Handlungsrahmen für das übergreifende Thema Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung (2020) ist in Ergänzung des Rahmenlehrplans für die Jahrgangsstufen 1-10 Berlin und Brandenburg sowie der Handreichung (2018) eine Präzisierung für die Umsetzung des übergreifenden Themas im fachbezogenen und fachübergreifenden Unterricht. Im OHR werden Kernkompetenzen und Standards für die verschiedenen Niveaustufen (bei Niveaustufe A beginnend*) beschrieben und darüber hinaus eine Orientierung für eine schulweite Implementierung des Themas geboten.
* Die Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung beginnt bei Vorschulkindern (z. B. Vorbereitung auf den Schulweg), setzt sich bei Grundschulkindern fort (z. B. Erlernen des selbstständigen Radfahrens) und ist auch am Ende der Schulzeit für die Jugendlichen längst nicht abgeschlossen (z. B. Einstieg in den motorisierten Verkehr).
Dieses übergreifende Thema hat also eine hohe Alltags- und Entwicklungsbedeutung, umso mehr als die Mobilitätsbildung eng verknüpft ist mit dringend notwendigen Perspektiven für die Mobilität der Zukunft in einer von Klimawandel bedrohten Welt.
Anliegen der schulischen Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung ist es, entsprechende Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen zu fördern. Im Orientierungs- und Handlungsrahmen finden Sie ein Kompetenzmodell, in dessen Mitte die zentrale Handlungskompetenz steht: "Sicher und umweltbewusst am Verkehr teilnehmen". Diese Handlungskompetenz wird von drei Kompetenzbereichen flankiert, die ineinander übergreifen und aufeinander aufbauen. Aus diesen drei Kompetenzbereichen leiten sich sechs Kernkompetenzen ab, die bereits in der Handreichung zugrunde gelegt worden waren. Für die drei Kompetenzbereiche und seine sechs Kernkompetenzen wurden Standards entwickelt. Die Standards geben den Lehrkräften eine Orientierung, was die Schülerinnen und Schüler jeweils innerhalb der gekennzeichneten Niveaustufen erreichen sollen und machen somit die erwartete Kompetenzentwicklung in der schulischen Arbeit transparent.
Im letzten Abschnitt des Orientierungs- und Handlungsrahmens "Themenbereiche" finden Sie beispielhaft Vorschläge für Themen, die den Lehrkräften und allen weiteren pädagogischen Kräften Anregung für die Planung und Durchführung mobilitäts- und verkehrssicherheitsbezogener Lernangebote in der Schule Orientierung oder Impuls für eigene Ideen bieten können. Grundsätzlich können alle diese Themen in verschiedenen Jahrgangsstufen und Fächern aufgegriffen und bearbeitet werden.
Handreichung zur Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung
Das übergreifende Thema Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung gehört zu den 13 übergreifenden Themen des Rahmenlehrplans für die Jahrgangsstufen 1-10 der Länder Berlin und Brandenburg.
Diese Handreichung möchte Lehrkräfte bei der Umsetzung dieses übergreifenden Themas unterstützen. Zur Förderung einer verantwortungsvollen und nachhaltigen Mobilitätsbildung zeigt die Broschüre eine Reihe von Praxisbeispielen. Ebenso gibt sie Impulse, um das übergreifende Thema im Unterricht der Fächer, fachübergreifend, fächerverbindend sowie in Projekten und bei Wettbewerben stärker zu berücksichtigen.
Das Herzstück der Handreichung verdeutlicht tabellarisch, wo die Unterrichtsfächer bereits fachimmanent einen Beitrag zur Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung leisten. Die Tabelle ist gegliedert in Fach – Themenfeld – Jahrgangsstufe – Themen und Inhalte des Rahmenlehrplans – Themen und Inhalte,spezifiziertfür die Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung,– Kompetenzen, die entwickelt werden bei den Schülerinnen und Schülern.
Zusätzlich bieten die Beiträge vielfältige Anregungen unter Berücksichtigung der Heterogenität in den Lerngruppen.
In der Handreichung selbst finden Sie
- eine Darstellung über die Kompetenzentwicklung im übergreifenden Thema Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung
- eine Übersicht zur Verknüpfung mit den Unterrichtsfächern
- Unterrichtsbeispiele für die Jahrgangsstufen 1-10
- einen Serviceteil u.a. zu den gesetzlichen Regelungen, zu Angeboten von außerschulischen Partnern und zu weiterführenden Internetseiten.
Diese Materialien können Sie ausdrucken und kopieren, ggf. auch verändern und für Ihre Schule und Lerngruppen angepasst nutzen.
LISUM
1. Auflage, Ludwigsfelde 2018
ISBN 978-3-944541-43-3
70 Seiten
Die sechs Kernkompetenzen der Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung
Die in der Handreichung (2018) beschriebenen sechs Kompetenzfelder sind identisch mit den sechs Kernkompetenzen im Orientierungs- und Handlungsrahmen (2020). Die sechs Kernkompetenzen bedingen einander: Kompetenzen des sicheren und verantwortungsbewussten Verhaltens sind Voraussetzung für die selbstständige Mobilität, ebenso ist das umwelt- und gesundheitsbewusste Verhalten Voraussetzung zur Mitgestaltung einer zukunftsfähigen Mobilität. Solche Interdependenzen gibt es zwischen allen Kernkompetenzen der Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung.
Darüber hinaus gibt es Schnittstellen der Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung mit den Inhalten anderer übergreifender Themen, z.B. mit der Gesundheitsförderung im Bereich der Bewegung und Suchtprophylaxe, mit der Verbraucherbildung im Bereich des nachhaltigen Konsums (Ressourcenverbrauch, Klima und Energie, Reise und Mobilität), mit der Nachhaltigen Entwicklung - Lernen in globalen Zusammenhängen im Bereich der Visionen zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Mobilität.
Kurzbeschreibung der sechs Kernkompetenzen
Selbstständig mobil sein
Diese Kernkompetenz umfasst die eigenständige Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr unter Nutzung verschiedener Mobilitätsformen.
Sicher mobil sein
Diese Kernkompetenz erstreckt sich auf die risikobewusste, gefahrenvermeidende und der Situation angepasste Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr unter Nutzung verschiedener Mobilitätsformen sowie unter Beachtung der eigenen sensomotorischen Entwicklung und des Reaktionsvermögens.
Verantwortungsbewusst mobil sein
Diese Kernkompetenz schließt die umsichtige, rücksichtsvolle und kooperative Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ein und befähigt dazu, den Verkehr als soziales System zu erkennen.
Gesundheitsbewusst mobil sein
Diese Kernkompetenz beinhaltet die Erweiterung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit in Zusammenhang mit einer gesundheitsbewussten Teilnahme am öffentlichen Verkehr.
Nachhaltig mobil sein
Diese Kernkompetenz impliziert die umweltbewusste und ressourcenschonende Teilnahme am öffentlichen Verkehr sowie die Anpassung des Mobilitäts- und Verkehrsverhaltens an die Erfordernisse des Klimaschutzes.
Zukunftsfähige Mobilität mitgestalten
Diese Kernkompetenz umschließt die Teilhabe an den sozialen, technischen, ökologischen und ökonomischen Entwicklungsprozessen in der Gesellschaft für die Mobilität der Zukunft.
Prof. D. Sturzbecher, Julia Schmidt (2020): Orientierungs- und Handlungsrahmen für Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung, S. 14
Die kindliche Entwicklung und ihre Bedeutung für die Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung
Auf der Website der Unfallforschung der Versicherer (UDV) werden zum Thema Entwicklung verkehrsrelevanter Fähigkeiten bei Kindern Materialien zur Verfügung gestellt (PDF zum Download) zu folgenden verschiedenen Bereichen: Sehen, Hören, Aufmerksamkeit, Motorische Entwicklung, Kognitive Funktionen, Soziale und emotionale Kompetenz, Exekutive Funktionen.
Außerdem finden Sie (ebenfalls als PDF zum Download) die zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage des Forschungsberichts Nr. 77 (Stand 02.12.2021) mit ausführlichen Erläuterungen zur Entwicklung von verkehrsrelevanten Kompetenzen bei Kindern bis 14 Jahren.
Für die aktive Teilnahme von Kindern im Straßenverkehr ist die Kenntnis von Regeln erforderlich. Darüber hinaus stellt die Verkehrsteilnahme hohe Anforderungen an die Wahrnehmungs- und Konzentrationsfähigkeit von Kindern, die nicht allein durch Üben bewältigt werden kann. Denn die kindliche Entwicklung weist Besonderheiten auf, die für die Bewältigung des Schulweges zu berücksichtigen sind, und zwar nicht nur bei Schulanfängerinnen und Schulanfängern (sondern auch später bei der Radfahrausbildung, wenn es vorkommt, dass bei Kindern noch nicht alle erforderlichen Fähigkeiten vollständig ausgeprägt sind). Die pädagogische Kräfte dürfen nicht die Augen davor verschließen, sondern müssen der kindlichen Entwicklung entsprechend die physiologischen Gegebenheiten von Kindern beachten; das ist eine wichtige Aufgabe der Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung.
Folgende Aspekte der kindlichen Entwicklung sind für die Teilnahme von Kindern im Straßenverkehr zu berücksichtigen:
Das Blickfeld von Kindern ist begrenzt. Beim Schuleintritt ist das Blickfeld von Kindern noch um etwa ein Drittel kleiner als das von Erwachsenen. So können sie mögliche Gefahren, die Erwachsene im "Augenwinkel" erkennen, nicht wahrnehmen, da ihnen das periphere Sehen fehlt. Erst im Alter von 8-9 Jahren erweitert sich ihr Blickfeld. Hinzu kommt, dass Kinder durch ihre egozentrische Raumwahrnehmung noch davon ausgehen, dass sie, wenn sie ein Auto sehen, von diesem Auto ebenfalls gesehen werden. Auch die Tiefenwahrnehmung, also die Wahrnehmung von Größe des Objekts und Anordnung im Raum, ist erst mit etwa 9 Jahren voll ausgeprägt.
Die Einschätzung von Entfernung und Geschwindigkeit ist schwierig. Da ihre Vorstellungen über Geschwindigkeiten unzureichend sind, können Kinder nicht abschätzen, wie schnell sich ein Fahrzeug nähert. Dies lässt sich sogar noch bei Schulkindern der 5. Jahrgangsstufe beobachten, wenn sie an der Aktion Achtung/Vorsicht Auto teilnehmen, bei der es u. a. um das Einschätzen der Geschwindigkeit und des Bremsweges eines Autos geht.
Kinder hören anders als Erwachsene. Das Richtungshören ist noch nicht ausgeprägt. Dies trifft speziell für Kinder beim Schulanfang und in den ersten Schuljahren zu. Sie können die Richtung, aus der ein Geräusch kommt, nicht genau lokalisieren. Nähert sich ein hupendes Auto, ein lautes Motorrad oder ein Einsatzfahrzeug mit Signalhorn, kann es vorkommen, dass Kinder nicht bestimmen können, aus welcher Richtung das Geräusch oder Signal kommt.
Aufgrund ihrer Körpergröße haben Kinder, vor allem jüngere Schulkinder, einen anderen Blickwinkel als Erwachsene. Sie können zum Beispiel nicht über parkende Autos hinwegsehen. Hinzu kommt, dass beim Radfahren die zu bewältigenden Mehrfachaufgaben wie das Treten, Lenken, Gleichgewicht Halten, Handzeichen Geben, die komplexe Verkehrssituation Wahrnehmen und richtig darauf Reagieren eine Überforderung darstellen können. Hieraus resultiert, dass Kinder ihre Wahrnehmung reduzieren.
Kinder überhören Geräusche, obwohl ihr Hörvermögen bereits ausgeprägt ist. Sie sind so auf ihr Spiel konzentriert, dass sie vom Verkehrsgeschehen abgelenkt werden. Auch wenn sie auf den Verkehr achten, müssen sie das Wesentliche der Verkehrssituation von dem Unwesentlichen unterscheiden, z. B. das Entdecken eines anderen Kindes.
Kinder können Gefahren kaum abwägen. Ihnen fehlt das "Vorausahnen" von Situationen. Ebenso können sie noch nicht das Verhalten anderer nicht einschätzen. Es ist ihnen kaum möglich, die eigene Geschwindigkeit, die der anderen Verkehrsteilnehmenden sowie Entfernungen zu anderen Verkehrsteilnehmenden realistisch zu bemessen. Beispielsweise glauben Kinder, dass ein Fahrzeug sofort anhalten könnte, wenn dies zu einer Bremsung gezwungen würde.
Gesellschaftliche Teilhabe durch Mobilität - Mobil teilhaben! Kids mit geistiger Behinderung lernen Verkehr
Inklusion ist nicht nur eine schulische, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, um die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen. Hierfür ist die Mobilität eine wichtige Voraussetzung. Wenn Schulen barrierefrei gestaltet werden, muss beachtet werden, dass mit dem Rollstuhl fahrende Menschen andere Bedürfnisse der Barrierefreiheit haben als zu Fuß Gehende mit einer Sehbehinderung, die entsprechend taktile Orientierungshilfen benötigen. Und wiederum anders sind die Bedürfnisse von Menschen, die in ihrem Lernen in unterschiedlichem Umfang beeinträchtigt sind. Das eine Patentrezept für die Mobilität im Schulgelände und auf dem Schulweg gibt es nicht. Daher werden beispielhaft Anregungen gegeben, um ein inklusives Mobilitätskonzept an Schulen zu fördern.
Der geltende Rahmenlehrplan RLP 1-10 schließt alle Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf ein. Nach dem Grundsatz der Inklusion werden die Unterschiede der Schülerinnen und Schüler als Vielfalt verstanden, die eine Bereicherung und Ressource darstellen und dementsprechend gezielt und konstruktiv in den Unterricht und das Schulleben einbezogen werden. Insofern gelten die Kompetenzen und Standards, die Themen und Inhalte gleichermaßen für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, mehr noch, gerade auch das übergreifende Thema Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung nutzt die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Gestaltung einer demokratischen Schulkultur und für die Begleitung auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben.
Auf der Startseite "Mobil teilhaben – Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung mit Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung" finden Sie folgende fünf Kernbereiche: I. Grundlagen der Verkehrssicherheit, II. Unterwegs zu Fuß und im Rollstuhl, III. Bus fahren lernen, IV. Bahn fahren lernen und V. Fahrrad fahren lernen.
Diese fünf Kernbereiche sind wiederum untergliedert in verschiedene Aspekte, z.B. I. Grundlagen der Verkehrssicherheit: 1. Ich und meine Wege, 2. Wahrnehmung im Straßenverkehr, 3. Sicher im Straßenverkehr unterwegs, 4. Planung und Orientierung, 5. Sozialverhalten im Straßenverkehr und 6. Unvorhergesehene Zwischenfälle.
Nach Bedarf können Sie sich durchklicken. Sie finden unter den einzelnen Aspekten wertvolles Material zum Downloaden, beispielsweise zu I.1 Ich und meine Wege - zum Unterpunkt: Das bin ich! - finden Sie das Arbeitsblatt: Ich stelle mich vor.
Die Lehrkräfte werden für die Arbeit mit Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch eine eigene Handreichung in ihrer Arbeit unterstützt. Bezogen auf die Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung finden Sie hier Hinweise für eine gemeinsame Verkehrserziehung. Die allgemeinen Grundsätze der Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung sind Handlungs-, Erfahrungs- und Umgebungsorientierung sowie Individualisierung. Die Individualisierung berücksichtigt die pädagogischen Grundsätze der Anschaulichkeit, des Lernens in kleinen Schritten, der Isolierung von Schwierigkeiten, des Übens und Wiederholens und ermöglicht daher insbesondere beeinträchtigten Schülerinnen und Schülern die Mitarbeit beim Lernen.
Die Regeln zur Sprachsensibilität ("leichte Sprache") sollen bekannt sein und angewandt werden, um die erforderliche Verständlichkeit zu erreichen.
Unterrichtsdemonstrationen und Projekttage bieten oft ein Überangebot an Informationen und finden gerade im Bereich der Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung auch an Orten mit hoher Ablenkung statt. Deshalb dürfen diese Angebote nicht isoliert durchgeführt werden, sondern bedürfen der guten pädagogischen Vor- und Nachbereitung.
Konkrete Hinweise für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen sind zu finden auf der Seite www.kompetent-mobil.de und dem dazugehörigen Handbuch.
Aus der selbstständigen Bewältigung längerer Fahrstrecken mit dem ÖPNV (z. B. Schulweg) kann noch nicht geschlossen werden, dass die Schülerinnen und Schüler in der Lage ist, auch unbekannte Orte zu wechselnden Zeiten zu erreichen. Hier sind inzwischen Fahrplan-Apps eine große Hilfe. Lediglich Start und Ziel müssen eingegeben werden. Liegen die Angaben für die Verbindung vor, müssen diese von den Schülerinnen und Schülern verstanden werden. Folgende Fragen werden im Vorfeld einer Erkundung immer wieder geklärt: Mit welchem Verkehrsmittel fährst du? Was steht an dem Bus für ein Ziel? An welcher Haltestelle steigst du aus? Was machst du dann?
Die von den Verkehrsverbünden und Verkehrsunternehmen angebotenen Praxistage Bus, Tram und U-Bahn sind im Übrigen nicht nur für Kinder mit Beeinträchtigungen ein gutes Angebot zum Praxislernen im ÖPNV. Außerdem können Wege zu außerschulischen Lernorten (Zoobesuch) eine Möglichkeit der kontinuierlichen Verkehrserziehung bieten. Beispielsweise ist es manchen Schülerinnen und Schülern nicht bewusst, dass der Straßenname "Holzhauser Straße" nicht nur den 2 km entfernten U-Bahnhof bezeichnet, sondern die in unmittelbarer Schulnähe befindliche Straße meint.
Auch für Schülerinnen und Schüler, die ihren Schulweg nicht selbstständig bewältigen können, ist eine Schulwegbegleitung einer Schulbusbeförderung vorzuziehen.
Um an der Radfahrausbildung teilzunehmen, ist das Beherrschen des Fahrzeuges Fahrrad erforderlich. Dem motorischen Radfahrtraining kommt demnach eine große Bedeutung zu. Übungen mit Rollern und Kinderfahrrädern können bereits in der 1. Klasse beginnen und sowohl im Sportunterricht als auch im Ganztag erfolgen. Anleitung hierfür gibt das Material Velofit. Auch wenn die Teilnahme an der praktischen Radfahrprüfung das Bestehen der Theorie voraussetzt, sollten trotzdem alle Schülerinnen und Schüler am Unterricht beteiligt sein, unabhängig davon, ob sie selbst die Prüfung ablegen werden. Für die Radfahrprüfung ist ggf. ein Nachteilsausgleich zu gewähren.
Für die theoretische Prüfung kann das neben einer Zeitverlängerung auch das Vorlesen der Prüfungsfragen sein. Denn es geht bei der Prüfung nicht allein um die Lesekompetenz. Auch ein Prüfungsgespräch anstatt der schriftlichen Prüfung ist denkbar. Die Möglichkeit, die Radfahrprüfung erst in der 5. oder 6. Klasse abzulegen, ist zu überdenken. In einer Schule mit dem Förderschwerpunkt "Lernen" ist das bereits erfolgt, da die Entwicklung für die Teilnahme am Straßenverkehr - zumal bei früherem Einschulungstermin - in der 4. Klasse noch nicht abgeschlossen ist. Einige Jugendverkehrsschulen haben inzwischen Spezialräder für Menschen mit besonderen Bedürfnissen angeschafft. Doch wird es zukünftig erforderlich sein, das eigene Fahrrad zu verwenden, das den individuellen Bedürfnissen am besten angepasst ist.
Beim Unterrichten von Schülerinnen und Schülern mit einer Beeinträchtigung muss dem Verstehen von Bildzeichen eine größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hierfür ist die Selbstverdeutlichung notwendig, wie sehr wir mit öffentlichen Bildzeichen - nicht nur im Straßenverkehr - konfrontiert werden (z.B. Gefahrenkennzeichnungen auf Elektrogeräten, Symbole innerhalb von Gebäuden oder auf Verpackungen). Dabei werden Piktogramme als schematische Repräsentanten eines Objekts verwendet oder willkürlich gewählte Zeichen als Symbole.
Bei Verkehrszeichen handelt es sich um eine Kombination aus beidem (z. B. ein Fahrrad auf blauem Grund oder auf weißem Grund, umrandet von einem roten Kreis bzw. Dreieck). Jedes dieser Zeichen hat natürlich seine eigene spezifische Bedeutung. Da all diese Bildzeichen eine Einwegkommunikation (ohne Interaktion) darstellen, können Radfahrende nicht einfach anhalten und nachfragen. In dieser konkreten Fahrsituation entfällt auch die Verwendung geeigneter Apps. Insofern ist erkennbar, dass das Verstehen von Bildzeichen als Randthema des Schriftspracherwerbs ein wichtiger Gegenstand des Lernens allgemein und besonders innerhalb der Verkehrserziehung ist. Besondere Berücksichtigung sollte das Verstehen von Bildzeichen im Hinblick auf das inklusive Lernen finden. Hinzu kommt, dass sich Verkehrszeichen am besten im Kontext der realen Situation erschließen lassen. Daher sind Verkehrsbeobachtungen wichtig. Andererseits ist die Verkehrswelt so komplex, dass sie zu Ablenkungen verleitet. Film- und Bildmaterial können für das Lernen eine gute Ergänzung sein. Ein hilfreiches Memory, das leider nicht mehr im Handel ist, bestand aus jeweils 4 Karten und zeigte nicht nur das Verkehrszeichen und seine amtliche Bezeichnung, sondern darüber hinaus ein Foto des Verkehrsschildes in der Verkehrsumgebung sowie eine sprachsensible Handlungsanweisung. Ein derartiges Lernmaterial (auch als Karteikarten oder Plakate) ließe sich in der Unterrichts- und Projektarbeit erstellen und könnte somit ein wichtiger Baustein zum Bildzeichenlesen werden.
Redaktionell verantwortlich: Grit Diaz de Arce, LISUM
Der Bildungsserver Berlin-Brandenburg ist ein Service des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Berlin) und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport Land Brandenburg.