
Quelle 1: Der Gebäudekomplex des Ullstein Verlages um 1930
Quelle 2: Die Gleichschaltung des Verlages 1933
Bei der Gründungsversammlung der nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO)* machte der Redner seinen 200 Zuhörern unmissverständlich klar, worin die NSBO ihre Aufgabe im Verlag sah: „Die marxistisch und jüdisch zersetzte Presse werde eine gründliche Bereinigung erfahren müssen. Es sei für die kommende Zeit eine Unmöglichkeit, daß Juden weiterhin ihr Gift in den deutschen Volkskörper strömen lassen.“ In der Folge erhielt die NSBO-Gruppe starken Zulauf. Bei einer „Fahnenweihe“ Ende April 1933 in Treptow nahmen schon 1.200 Personen teil. Anfang Mai forderten Nationalsozialisten im Betrieb neben der Entlassung jüdischer Redakteure auch die Entfernung von NS-Redakteuren, die ihnen nicht radikal genug waren, und die Senkung der Direktorengehälter: „Der Ullstein Verlag (steht; C.H.) gegenwärtig vollständig unter dem Terror der Streikenden, die zum großen Teil in braunen Uniformen die Gänge inspizieren. Im Hause sind Plakate angebracht, die [...] folgende Inschriften tragen: ‚Jeder Jude heraus! Herunter mit den Direktorengehältern! Fort mit Direktor Müller! Fort mit dem Personalchef Kobyletzky!“ Auf die Belegschaft des technischen Bereiches übten die NS-Funktionäre Druck aus. Der Drucker Fritz Richter berichtet 1986: „Da mussten wir eines Tages mal die Illus (Druckmaschinen der Berliner Illustrirten Zeitung; C.H.) anhalten. Da kamen Amtswalter und haben gesagt, wir machen jetzt einen Streik und verlangen, dass 20 Redakteure jüdischer Geburt entlassen werden. Da mussten wir natürlich die Maschinen anhalten, bis die jüdischen Redakteure verschwunden waren.“
Zitiert aus: Bannehr, u.a. 1996, S. 46f.
Quelle 3: Eduard Stadtler, der 1933 ernannte „politische Direktor“ des Verlages in einem Schreiben an Adolf Hitler (Oktober 1933)
Der […] Zeitungsverlag hat personalpolitisch starke Veränderungen erfahren. Die belasteten Männer sind aus den Redaktionen ausgeschieden, neue Männer wurden eingesetzt. Die Zeitungen sind nicht Parteiblätter geworden, das sollte ja vermieden werden, aber sie haben sich allesamt in loyalster Weise in den Dienst des neuen Staates gestellt […] Die personalpolitische Umstellung ging so weit, daß Männer verabschiedet wurden, die schon 20 Jahre und mehr die betr. Organe geleitet hatten.
Zitiert aus: Bundesarchiv Koblenz, R 43II/469c.
Quelle 6: Der 1934 entlassene Ullstein-Journalist Heinrich Mühsam über die Lage der deutschen Juden kurz vor der Pogromnacht am 9. November 1938
Mir gefällt diese Stille nicht. Die Stille noch weniger als der Sturm […] Sehen Sie! Was tut ein Diktator ohne Erfolge? Ich meine: ohne sichtbare Erfolge. Er setzt sich selber außer Kurs. Nur Könige oder liberale Staatspräsidenten können es sich leisten, auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Tyrannen aber sind Getriebene. Rastlose Wanderer zwischen Hosianna und Kreuzige. Soll ihnen nicht selbst der Atem ausgehen, müssen sie andere in Atem halten. Massen wollen Zirkus und Brot. Ist die außenpolitische Galanummer abgelaufen, springt der Clown aus dem Kasten. Wissen sie, wer der Clown ist? Es ist der deutsche Jude! Ahasver* füllt den Zwischenakt. Ahasver muß wieder einmal herhalten. Wie schon tausendfach in der Weltgeschichte. Glauben Sie mir: Sie werden ihn so bemalen und ausstaffieren, daß keiner mehr unter der Fratze sein weinendes Antlitz erkennt. Der Jude ist an allem schuld. Tretet ihn! Prügelt ihn! Lacht über ihn! Über den armen Mann, der die Ohrfeigen bekommt […] Sehen Sie nicht, was sich schwelend da unter der Decke vorbereitet? Wie die Stürmer*-Kästen dutzendweise aus der Erde schießen? Wie eine antisemitische Maßnahme die andere jagt?Ausscheidung der Juden aus dem deutschen Volkskörper. Mischehen zwischen Deutschen und Juden verboten. Der Jude kann nicht Reichsbürger sein. Völlige Ausschaltung aus dem Kulturleben. Keine jüdischen Schriftsteller, Maler, Schauspieler, Zeitungs-und Filmleute. Erst sind wir abgetreten. Jetzt werden wir isoliert. Und nach der Isolierung kommt die Ausmerzung. Das folgt wie das Amen in der Kirche […] Wenn man nicht schon hundert Jahre in diesem geliebten Land zu Hause wäre.“
Zitiert aus: Andreas-Friedrich 2000, S. 19f.
Quelle 7: Bericht des nationalsozialistischen Betriebsobmannes beim Ullstein Verlag über das Verhalten des Arbeiters Willi Trampe
Quelle 8: Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Ullstein Verlag
Im Ullstein-Betrieb wurden kürzlich die Löhne für das technische Personal herabgesetzt. Die Lohnerhöhung wurde durch Anschlag bekannt gegeben. Vor dem Anschlag entwickelte sich eine stille Demonstration. Die Belegschaftsmitglieder traten einzeln vor den Anschlag, lasen ihn durch und traten mit ‚Heil Hitler’ wieder ab. Der Anschlag wurde am nächsten Tag entfernt.
Zitiert aus: Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SOPADE), 1934-1940. Salzhausen/ Frankfurt 1980, 303/1935.
Quelle 9: Der Bericht eines Betriebsrates über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus (1947)
Aus dem Jahr 1947 stammt ein Bericht des Betriebsrates von Ullstein an den damaligen Magistrat von Groß-Berlin / Hauptausschuss „Opfer des Faschismus“, in dem über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Ullstein Verlag / Deutscher Verlag Auskunft gegeben wurde. Nach diesem Bericht gab es eine aktive Arbeit mehrerer Widerstandsgruppen, darunter eine Betriebszelle der KPD*, die 40 Personen umfasste. In den Jahren 1933 bis 1941 wurden dem Bericht zufolge regelmäßig Lebensmittel, Kleidung und Geld kassiert, um damit Inhaftierte, ausländische Arbeiter oder „KZ-ler“ zu unterstützen. Durch, wie es heißt, „stärkste Verbreitung illegaler Literatur“, wie zum Beispiel der KPD-Zeitung „Rote Fahne“ und Broschüren, wie auch durch Diskussionen habe die Gruppe versucht, politische Aufklärungsarbeit zu leisten. In eine Ausgabe der NS-Zeitschrift „Arbeitertum“, die im Ullsteinhaus in Tempelhof gedruckt wurde, habe die Gruppe Bilder von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg retuschiert. Vereinzelt sei Sabotage betrieben worden. Mehrere Arbeiter kamen wegen ihrer Widerstandstätigkeit ins Gefängnis. Der Buchbinder Wilhelm Selke wurde zum Tode verurteilt und am 28. Februar 1945 in Brandenburg geköpft.
Zitiert aus: Bannehr, u.a. 1996, S. 85f.
Redaktionell verantwortlich: Dr. Uwe Besch, LISUM
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