Standardisierte Erhebungsinstrumente
Bei der formativen Leistungsbeurteilung geht es um die Förderung individueller Lernentwicklungen und Lernprozesse. Dabei ist es für die Förderung – einschließlich Beratung und Einschätzung – wichtig, eine Diagnose vom Lernstand zu haben, von dem aus die Förderung beginnen soll. Ein besonderer Zeitpunkt dafür ist der Beginn eines jeden Schuljahres und eine Sonderrolle nimmt dabei der Schulanfang ein.
Abhängig von den Anregungen ihres Umfeldes sind Art und Umfang der Kompetenzen, die die Schulanfängerinnen und Schulanfänger mitbringen, sehr verschieden. Einige Kinder können z. B. schon lesen, andere erkennen Buchstaben und wieder andere können (noch) nicht heraushören, ob zwei Wörter am Anfang gleich klingen. Für eine gezielte Förderung und Begleitung der einzelnen Schülerinnen und Schüler ist die Erhebung der Lernausgangssituationen für die Lehrkräfte ein hilfreiches Instrument, um individuelle Lernbedürfnisse erkennen und entsprechend fördern zu können.
Sowohl für das Land Berlin als auch für das Land Brandenburg ist daher die Erhebung der Lernausgangslage in den ersten Wochen nach Schulanfang in der jeweiligen Grundschulverordnung verbindlich festgelegt. Die näheren Ausführungen dazu stehen für das Land Berlin in der Berliner Grundschulverordnung/(GsVO) §7 (3) und für das Land Brandenburg in der Brandenburger Grundschulverordnung/(GV) §5 (4).
An den Ergebnissen der Lernausgangslage lässt sich ablesen, welche Vorerfahrungen und Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler in den Kernbereichen Deutsch und Mathematik mitbringen.
Erhebungsinstrument LauBe
"Für die Berliner Grundschulen gibt es als Erhebungsinstrument am Schulanfang die sogenannte LauBe (Lernausgangslage Berlin), das vom ISQ (Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg) erarbeitet wurde. LauBe ist ein wissenschaftlich fundiertes Erhebungsinstrument zur Feststellung individueller sprachlicher und mathematischer Kompetenzen von Berliner Schulanfängerinnen und Schulanfängern innerhalb der ersten Schulwochen."1
Die Lehrkräfte können in Berlin auch andere Erhebungsinstrumente einsetzen, aber die LauBe hat den Vorteil der Vergleichbarkeit auch über den Klassenverband hinaus sowie die praktische Online-Auswertung im LauBe-Portal2 des ISQ.
In der Berliner Grundschule kann auch das Erhebungsinstrument ILeA plus genutzt werden.
Erhebungsinstrument ILeA plus
Für die Schulen im Land Brandenburg ist zum Erfassen der Lernausgangslage das Instrument ILeA vorgegeben. Entsprechend der Grundschulverordnung und der Verwaltungsvorschrift zur Grundschulverordnung des Landes Brandenburg3 sind Lehrkräfte der Grundschule in der Jahrgangsstufe 1 (sowie in den Jahrgangsstufen 3 und 5) verpflichtet, eine individuelle Lernstandsanalyse (ILeA) in den ersten sechs Wochen eines Schuljahres in den Fächern Mathematik und Deutsch durchzuführen.
Zur Durchführung individueller Lernstandsanalysen steht den Brandenburger Grundschulen seit dem Schuljahr 2019/20 neben dem bisherigen Instrument ILeA in gedruckter Fassung jetzt auch eine überarbeitete digitale Form von ILeA zur Verfügung: ILeA plus.
ILeA plus wurde im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (MBJS) vom Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und der Universität Bielefeld entwickelt und digitalisiert. Auch die Berliner Grundschulen können seit dem Schuljahr 2020/21 ILeA plus (Jahrgangsstufen 2-6) einsetzen.
Die Ergebnisse von ILeA plus können über die Jahrgangsstufen 1-6 die Lernentwicklung eines Schülers bzw. einer Schülerin abbilden. Dadurch steht der Lernprozess und nicht ein einzelnes Lernergebnis einer Schülerin bzw. eines Schülers im Fokus.
ILeA plus zeigt auf,
- welche Kompetenzen eine Schülerin bzw. ein Schüler innerhalb ihrer bzw. seiner Lernentwicklung bereits entwickelt hat,
- inwieweit diese Kompetenzen den Anforderungen des Rahmenlehrplans 1-10 entsprechen und
- welche passfähigen Lernangebote sich aus den Ergebnissen der Lernstandsanalyse für das individuelle erfolgreiche Weiterlernen ergeben.
Aufgabenpakete für die Schuleingangsphase
Für die Schuleingangsphase wurde ein abgestimmtes Diagnostikum entwickelt, das die breit gefächerten unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Kompetenzen hinsichtlich des Schriftspracherwerbs und der mathematischen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu Schulbeginn und während der ersten beiden Schuljahre abbildet.
Deutsch4
Jgst. | Aufgabenpaket | Diagnostikbereiche | ||
---|---|---|---|---|
Lesen - Leseflüssigkeit | Lesen - Leseverständnis | Rechtsschreiben | ||
1 | A (AI/AII) | Präliterale, logographische und alphabetische Schriftsprachvoraussetzungen/ -leistungen (rezeptiv/produktiv) | ||
2 | B1 | Lesegeschwindigkeit (Wörter) Lesegenauigkeit (Wörter) | Textsortenwissen aktivieren Lückensätze füllen Sätze vervollständigen | Wörter schreiben |
Mathematik5
Aufgabenpaket | Zeitpunkt des Einsatzes und Ziel |
---|---|
A | zu Beginn der Jahrgangsstufe 1 Erfassen von Fähigkeiten und Kompetenzen, die bei Schuleintritt häufig vorhanden sind |
AB | im 1. Schulhalbjahr der Jahrgangsstufe 2 Erstdiagnose zur Erfassung von besonderen Schwierigkeiten beim Rechnenlernen |
B | in Jahrgangsstufe 2 Erfassen von Fähigkeiten und Kompetenzen, die innerhalb der Niveaustufe B bis zu diesem Zeitpunkt bereits entwickelt sind zu Beginn der Jahrgangsstufe 3 Erfassen von Fähigkeiten und Kompetenzen, die für ein verständnisorientiertes Weiterlernen notwendig sind |
Auf der Seite ILeA plus - Individuelle Lernstandsanalysen (BB und BE) gibt es ausführliche Hinweise zum Handbuch und zu ILeA plus-Zusatzmaterialien.
Informelle Verfahren zum Erfassen des Vorwissens
Sowohl ILeA plus als auch LauBe sind für die Lehrkräfte gedacht, um ihnen grundlegende diagnostische Informationen über die individuellen Lernausgangslagen der Schülerinnen und Schüler zu geben. Sie sind nicht für die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler vorgesehen, weil die Inhalte für sie zu komplex und auch nicht überschaubar sind.
Bei Lernphasen, die für die Schülerinnen und Schüler zeitlich und inhaltlich überschaubar sind, z. B. bei einem Projekt, ist es jedoch sinnvoll, zusammen mit den Schülerinnen und Schülern zu erfassen, was an Wissen bzw. Vorwissen bereits am Anfang des Projekts vorhanden ist.
Durch die Aktivierung des Vorwissens wird den Schülerinnen und Schülern bewusst, was sie schon wissen, was sie wissen wollen und was sie am Thema interessiert. Das Erfassen des Vorwissens hat einen wichtigen Einfluss auf den Lernerfolg, wie Elsbeth Stern es ausdrückt: "Generell gilt: Lernen ist erfolgreich, wenn erfolgreich an Vorwissen angeknüpft werden kann."6 Für die Lehrkraft hat das Erfassen des Vorwissens den Vorteil, dass sie Informationen über Wissen, Kompetenzen und Interessen der Schülerinnen und Schüler bekommt, an denen sie bei der Planung des Unterrichts anknüpfen kann. Außerdem ist das Erfassen des Vorwissens oft ein motivierender Einstieg ins Thema.
Erfassen des Vorwissens
Kärtchenabfrage
Die Schülerinnen und Schüler bekommen Blanko-Kärtchen, auf denen sie ihre Fragen zum Thema aufschreiben können. Damit man die Fragen ordnen kann, wird auf eine Karte jeweils nur eine Frage geschrieben. Wenn die Kinder noch nicht schreiben können, diktieren sie ihre Fragen einem Kind, das schon schreiben kann oder die Fragen werden auf einen Tonträger aufgenommen.
Bei manchen Themen ist das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler so vielfältig (z. B. Tiere, Ritter, Weltall), dass sich nur schwer ein roter Faden für den Unterricht entwickeln lässt. Hier ist es sinnvoll, Fragen, die für den Unterrichtsverlauf wichtig sind, auf Kärtchen vorzugeben. (Abb. 11).
Die Schülerinnen und Schüler besprechen in Kleingruppen, was sie zu den Fragen wissen und schreiben ihre Antwort auf die Rückseite der Karte. An den Antworten lässt sich gut ablesen, welches Wissen oder Halbwissen (Abb. 12) die Schülerinnen und Schüler mitbringen. Fragen, auf die niemand eine Antwort weiß, werden auf einem Extrastapel gesammelt. Die vorgegebenen Fragen werden ergänzt durch eigene Fragen der Schülerinnen und Schüler, die sie auf Blankokarten schreiben.
Fragebogen
Eine Variante zur Kärtchenabfrage ist ein einfacher Fragebogen (Abb. 13), bei dem es offene Impulse zum Thema gibt, z. B.
- Das weiß ich über Zähne.
- Diese Frage habe ich zu den Zähnen.
Die Schülerinnen und Schüler füllen den Fragebogen am Anfang des Unterrichtsvorhabens aus. Mit den Antworten können Vorwissen und die Lerninteressen direkt einzelnen Schülerinnen und Schülern zugeordnet werden.
Wer noch nicht lesen und schreiben kann, diktiert einem Partnerkind und/oder der Lehrkraft.
Fragenliste
Für eine Fragenliste werden mehrere Fragen, die im Projekt eine Rolle spielen, von der Lehrkraft übersichtlich aufgeschrieben und für jede Schülerin bzw. jeden Schüler kopiert. Die Fragen werden vorgelesen, anschließend markiert jede Schülerin bzw. jeder Schüler ihren bzw. seinen Wissensstand.
In dem Beispiel (Abb. 14) hat die Schülerin den Fragenkasten vollständig ausgemalt, wenn sie sicher war, die Antwort zu wissen. Fragen, bei denen sie unsicher war, hat sie nur bis zur Hälfte farblich markiert oder ganz frei gelassen. Am Ende des Projekts hat sie die Fragenlisten neu ausgewertet: Alle Fragen, die sie jetzt sicher beantworten konnte, hat sie mit einer zweiten Farbe markiert. So wird der Lernzuwachs deutlich (Abb. 15).

Gedankensammlung7
Jede Schülerin bzw. jeder Schüler schreibt in die Mitte eines DIN-A4-Blattes (Querformat) das Unterrichtsthema, z. B. Zähne.
Es wird eine Zeitspanne – z. B. 10 Minuten – vereinbart, in der jede Schülerin und jeder Schüler in Stichwörtern oder kurzen Sätzen um das Thema herum aufschreibt oder aufmalt, was ihr / ihm zu dem Thema einfällt. Zum Aufschreiben wird für alle eine bestimmte Stiftfarbe – z. B. schwarz – festgelegt.
Nach den verabredeten 10 Minuten legt jedes Kind den Stift zur Seite und sucht sich ein Partnerkind. Beide zeigen sich, was sie aufgeschrieben haben und tauschen ihre Gedanken zum Thema aus. Dazu haben sie 10 Minuten Zeit.
Anschließend arbeitet wieder jedes Kind allein weiter und ergänzt auf seinem Blatt, was es in der Partnerarbeit Neues erfahren hat. Dabei schreiben alle mit einer anderen vorher verabredeten Farbe, z. B. rot.
Wörtercheck
Alle Schülerinnen und Schüler bekommen eine kopierte Liste mit Wörtern, die für das Unterrichtsthema wichtig sind, z. B. für das Planetenprojekt (Abb. 17).
Nachdem alle Wörter vorgelesen worden sind, markiert jede Schülerin bzw. jeder Schüler auf ihrer bzw. seiner Liste die Wörter, die sie bzw. er kennt und erklären kann. Anschließend werden die Erklärungen in Partnerarbeit ausgetauscht.
Wer nach Meinung der Lernpartnerin bzw. des Lernpartners einen Begriff gut, d.h. verständlich erklärt hat, bekommt dafür einen Stern hinter dem Wort. Wörter, die gemeinsam im Austausch geklärt wurden, werden mit einer anderen Farbe markiert.
Zum Abschluss werden die Erklärungen zu den Wörtern auch noch einmal in der Großgruppe ausgetauscht.
Vermutungen
Bei naturwissenschaftlichen Versuchen z. B. Was schwimmt? Was schwimmt nicht? (Abb. 18) werden die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, Vermutungen über ein mögliches Ergebnis zu äußern. Die Vermutungen werden zunächst schriftlich festgehalten und anschließend zuerst in Partnerarbeit und dann in der Großgruppe ausgetauscht und diskutiert. Nachdem die entsprechenden Versuche durchgeführt sind, werden die Vermutungen erneut überprüft.
Ähnlich kann auch beim Lesen bzw. Vorlesen von Texten verfahren werden, die die Schülerinnen und Schüler lesen bzw. die ihnen vorgelesen werden.
Dazu erhalten die Schülerinnen und Schüler vorab kurze, prägnante Hinweise zum Text, z. B. Titel, Bildausschnitte, mehrere Stichwörter, einige Sätze. Die Schülerinnen und Schüler stellen Vermutungen über den Textinhalt auf und tauschen ihre Vermutungen im Partnergespräch oder in der Großgruppe aus (Abb. 19).
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1 https://www.isq-bb.de/wordpress/werkzeuge/laube/
2 Laube.ISQ-BB.de (Für den Zugang zur Laube- Plattform ist eine Registrierung mit privater Mailadresse und dem Passwort der Schule erforderlich)
3 https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/vvgv
4 Aus: ILeA plus – Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer/Teil II/Deutsch
https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unterricht/lernbegleitende_Diagnostik/ilea_plus/201214-ILeAplus-II-Deutsch-Web.pdf
5 Aus: ILeA plus – Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer/Teil III/Mathematik
https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unterricht/lernbegleitende_Diagnostik/ilea_plus/200309-ILeAplus-III-Mathematik-Web.pdf
6 https://www.bildungsserver.de/onlineressource.html?onlineressourcen_id=24506 (Zugriff: 1.2.2021)
7 Idee nach Mowitz, Katharina: https://primar.blog/category/sachunterricht/page/2/
Autorin: © Mechthild Pieler
Redaktionell verantwortlich: Anett Frohn, LIBRA
Der Bildungsserver Berlin-Brandenburg ist ein Service des Landesinstituts Brandenburg für Schule und Lehrkräftebildung im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Berlin) und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport Land Brandenburg.