Wichtige Ergänzungen zu Rückmeldungen und Selbsteinschätzungen sind Lerngespräche oder Lernberatungen, in denen Lernentwicklungen und -verhalten ausgewertet und eingeschätzt werden können.
In diesen Gesprächen ist es möglich, die individuelle Lernsituation der Schülerin bzw. des Schülers in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Rangfolge oder den Vergleich mit den Leistungen anderer. Sie sind unverzichtbar für einen Unterricht, der die individuelle Lernentwicklung unterstützt.
Wichtigstes Qualitätsmerkmal eines Lerngespräches, einer Lernberatung ist die dialogische Situation, d. h. es wird zusammen mit den Lernenden gesprochen und nicht über sie. Die Schülerin bzw. der Schüler hat – anders als z. B. bei schriftlichen Rückmeldungen durch Noten und Zeugnisse – die Möglichkeit, die eigene Sichtweise miteinzubringen und Rückfragen zur eigenen Lernentwicklung zu stellen. "Die Perspektiven der Lehrenden und der Lernenden werden kommunikativ miteinander verknüpft."1
Lerngespräche, bei denen die Schülerinnen und Schüler sich ihr Lernverhalten bewusst machen und an der Reflexion ihrer Lernprozesse beteiligt werden, unterstützen die Kinder darin,
- ihre Lernmotivation durch Erfahrungen der Selbstwirksamkeit zu stärken.
- Vertrauen in ihre Stärken und in ihre Problemlösefähigkeit zu entwickeln.
- zunehmend bewusster einen Zusammenhang zwischen eigener Anstrengung und Lernergebnis zu erkennen und
- ihre individuelle Lernentwicklung differenzierter und verständlicher wahrzunehmen, als es ihnen allein durch Noten und Leistungsvergleiche möglich wäre.
Lerngespräche können in unterschiedlichen Zusammensetzungen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden:
- Gespräche in Lerngruppen ohne Erwachsene, z. B. bei einer Lernkontrolle im Team oder in einer Kleingruppe
- Gespräche zwischen einer Schülerin bzw. einem Schüler sowie der Lehrkraft, z. B. bei Abschlussgesprächen zu einem Projekt, nach einer Trainingsphase
- Gespräche zwischen Schülerin bzw. Schüler, Lehrkraft und Eltern, z. B. zur Reflexion des Lernstandes und der Lernentwicklung.
Lerngespräche sind keine Selbstläufer, sondern brauchen eine pädagogische Haltung und Steuerung durch die Lehrkraft, um ihre Wirkung entfalten zu können. Hier die wichtigsten Aspekte:
Kontinuität und Durchgängigkeit
Die Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler in die Lerngespräche braucht Kontinuität und Regelmäßigkeit. Wenn die Lernenden nur gelegentlich und unkalkulierbar an Lerngesprächen teilnehmen, können sie nicht genügend Erfahrungen mit Lerngesprächen sammeln und haben zu wenig Sicherheit in ihrer Rolle als Teilnehmende eines Lerndialogs.
Transparente Kriterien
Bei Lerngesprächen und Lernberatungen sind für die Teilnehmenden Kriterien wichtig, die verständlich formuliert sind und allen, die am Lerngespräch teilnehmen, bekannt sind, weil sie ihnen ausführlich erklärt und an Beispielen besprochen wurden. Wann immer es möglich ist, gibt es zu den Kriterien bild- bzw. materialgestützte Erinnerungshilfen.
Überschaubare Zeiträume
Lerngespräche können sich auf unterschiedlich große Zeiträume beziehen: z. B. auf eine Unterrichtsstunde, einen Tag, ein halbes Jahr. Für die Schülerinnen und Schüler in der Schuleingangsphase sollten die Zeiträume nicht zu groß sein, damit die Lernenden sich erinnern und in überschaubaren Zeiträumen den Umgang mit Lerngesprächen üben bzw. kennenlernen können.
Sprachliche Unterstützung
In Lerngesprächen, an denen die Lehrkraft oder andere Erwachsene teilnehmen, sorgt die Lehrkraft dafür, dass der Schülerin bzw. dem Schüler ausreichend Zeit zum Sprechen zur Verfügung steht und sie bzw. er durch Gesprächsimpulse angeregt wird, sich zu äußern. Das ist für Schülerinnen und Schüler in der Schuleingangsphase besonders wichtig, weil manche sehr zurückhaltend im Gespräch mit Erwachsenen sind und/oder noch wenig Übung darin haben, ihre Gedanken über das Lernen mit sprachlichen Mitteln auszudrücken.
Wertschätzende Umgangsformen
Für die Gesprächssituationen sind Umgangsregeln erforderlich, die absichern, dass eine entspannte, wohlwollende Gesprächsatmosphäre entsteht und verletzende Aussagen vermieden werden. Diese Umgangsregeln lernen die Schülerinnen und Schüler am Modell der Lehrkraft kennen und üben sie in gemeinsamen Rückmeldesituationen. Die wichtigsten Regeln sind:
- Rückmeldungen werden als Ich-Botschaft formuliert.
- Positive Eindrücke werden zuerst wiedergegeben.
- Kritische Punkte werden als Vorschlag oder Tipp und nicht als Anweisung formuliert.
- Verallgemeinerungen oder Killerphrasen gehören nicht in eine Rückmeldung.
Klare Zielsetzungen
Bei Lerngesprächen muss für alle Beteiligten klar sein, dass es um die individuelle Lernentwicklung eines Kindes geht und nicht um eine vergleichende Leistungsermittlung. Ziel ist es, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, ihre Stärken einzuschätzen sowie Planungsschritte beim Lernen zu entwickeln.
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1Beutel, Silvia – Iris (Technische Universität Dortmund): Mehr als Noten: Leistungsbeurteilung als Lernbegleitung und Förderung. Landesinstitut Hamburg 2011. Download: https://li.hamburg.de/contentblob/3851976/f389d35b78d73f3e7f6dcf04e06a5316/data/download-pdf-vortrag-beutel-thementage.pdf (Letzter Zugriff 28.4.2021)
Autorin: © Mechthild Pieler
Redaktionell verantwortlich: Erna Hattendorf
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