Zur Dokumentation der formativen Leistungsbeurteilungen sind andere Verfahren und Instrumente erforderlich als für die summative Leistungsbeurteilung. Formative Leistungsbeurteilung benötigt Dokumentationsformen, die individuelle Fortschritte und Prozesse bei der Lernentwicklung sichtbar machen.
Bei Lernenden der Schuleingangsphase sollten ausgewählte Lernergebnisse in den Kernfächern Deutsch und Mathematik zu Anforderungen des Curriculums, z. B. Anforderungen des Rahmenlehrplans 1-10, Vorgaben des indikatorenorientierten Zeugnisses bzw. der dokumentierten Lernentwicklungsgespräche dokumentiert werden. In Portfolios können außerdem außerschulische Lernerfolge aus Freizeitaktivitäten, z. B. Sport, Kunst, Musik festgehalten werden.
Bei der Dokumentation der Lernentwicklung werden ausschließlich gelungene Entwicklungen bzw. Lernerfolge gezeigt. Wie die individuellen Lernerfolge einzuordnen sind im Hinblick auf die weitere schulische Laufbahn, kann im Gespräch geklärt werden.
Bei den Dokumentationsformen sollte sichergestellt werden, dass sie in ein Schulkonzept eingebunden sind, damit sie nicht nur in einer Klasse genutzt werden, sondern über die Schuljahre hinweg Gültigkeit haben. Das verstärkt die Wirkung der Lerndokumentation.
Die Dokumentationen von individuellen Lernentwicklungen
- sind für die Lernenden wichtig, weil sie ihnen die eigenen Fortschritte sichtbar machen.
- zeigen den Eltern, wie und was ihr Kind gelernt hat.
- ermöglichen der Lehrkraft eine diagnostische Sichtweise auf den Lernprozess eines Kindes.
- geben klassenfremden Lehrkräften Hintergrundinformationen zum Lernstand und zu den Potenzialen einer Schülerin bzw. eines Schülers.
Für die Schuleingangsphase werden fünf Verfahren und Instrumente vorgestellt.
Lernplaner
Im Lernplaner steht ähnlich wie in einem Wochenplan, welche Aufgaben mit welchen Materialien zu bearbeiten sind. Anders als beim Wochenplan ist die Fertigstellung der Aufgaben nicht an einen Termin gebunden, sondern gibt wieder, mit welchen Aufgaben zu einem bestimmten Lernbereich, z. B. einfache Wörter lesen (Abb. 50), geübt werden kann. Dabei müssen die Lernplaner nicht für alle Schülerinnen und Schüler gleich sein, sondern können auf die individuelle Lernsituation abgestimmt werden.
Die Schülerin bzw. der Schüler hakt im Lernplaner ab, was sie bzw. er bearbeitet hat. Sind alle Aufgaben erledigt, schätzt die Schülerin bzw. der Schüler ihre bzw. seine Arbeitsergebnisse pauschal ein, z. B. mit einer Sternchenskala und gibt den Lernplaner – eventuell zusammen mit vorhandenen schriftlichen Arbeitsergebnissen – an einer vorher verabredeten Stelle, z. B. im Ablagekorb, ab.
Die Lehrkraft dokumentiert mit ihrer Unterschrift, dass sie die Arbeitsergebnisse kennt und verabredet in einem Arbeitsgespräch zur Lernberatung zusammen mit der Schülerin bzw. dem Schüler die weiteren Lernschritte. Das Gespräch zur Lernberatung wird sowohl von der Lehrkraft als auch von der Schülerin bzw. dem Schüler unterschrieben. Die Lernplaner werden gesammelt.
Lernsticker und Sammelseite
Ein Lernsticker ist ein kleines Abzeichen aus Papier, auf dem steht, um welche Anforderung es geht. Die Schülerin bzw. der Schüler bekommt dieses Abzeichen, wenn sie oder er nachgewiesen hat, dass sie/er die Anforderung, die auf dem Sticker steht, bewältigt hat (Abb. 43). Der Nachweis kann eine mündliche oder schriftliche Aufgabe sein, die von der Lehrkraft festgelegt wird.
Die Sticker werden im Heft, z. B. auf den inneren Umschlagseiten gesammelt oder in eine kopierte Vorlage mit vorgegebenen Blanko-Sammelfeldern (Abb. 52) geklebt. Die Schülerinnen und Schüler kleben ihre Lernsticker in die vorgegebenen Felder ein (Abb. 53). Aus der Reihenfolge der Sticker lässt sich erkennen, wie der Lernweg des jeweiligen Kindes verläuft bzw. verlaufen ist.
Die Kriterien für die Vergabe der Lernsticker hat die Lehrkraft mit den Schülerinnen und Schülern besprochen. So kann die Vergabe z. B. in Verbindung mit bestimmten Referenzaufgaben erfolgen. Möglich ist auch, die Vergabe an bestimmte Seiten bzw. Aufgaben in einem Arbeitsheft zu koppeln. Wenn diese Aufgaben erfolgreich bearbeitet wurden, kann die Schülerin bzw. der Schüler den Lernsticker in ihre/seine Lernlandkarte kleben.
Lernlandkarte
Auf einer Lernlandkarte sind die Anforderungen beschrieben, die im Rahmen eines Unterrichtsvorhabens von den Schülerinnen und Schüler bearbeitet werden können.
Das Beispiel für eine Lernlandkarte in Abb. 41 gehört zu einem Planetenprojekt in einer jahrgangsgemischten Lerngruppe.
Im mittleren Feld ist eine der in dem Projekt wichtigen Kompetenzen angegeben: "Ich kann Informationen zum Thema zusammenstellen" (Bezüge zum RLP 1-10/Fachteile Deutsch und Sachunterricht). In den Feldern um dieses Zentrum herum sind unterschiedlich schwierige Anforderungen beschrieben, die zur Entwicklung dieser Kompetenz beitragen und von den Schülerinnen und Schülern ausgewählt werden können.
Weil es sich im Beispiel um eine jahrgangsgemischte Klasse handelt, sind zur Orientierung die einfacheren Anforderungen mit einem Planentensymbol gekennzeichnet. So wird vermieden, dass die Erstklässlerinnen oder Erstklässler mit den schwierigen Aufgaben beginnen.
Am Anfang des Projekts wird mit den Schülerinnen und Schülern ausführlich besprochen, was mit den Anforderungen in den Feldern gemeint ist, damit alle eine Vorstellung haben, was sie tun können bzw. was von ihnen erwartet wird. Immer wenn die Schülerin bzw. der Schüler eine der angegebenen Aufgaben bearbeitet und nach eigener Einschätzung zufriedenstellend abgeschlossen hat, kennzeichnet sie/er das entsprechende Feld auf der Lern-Landkarte farbig (Abb. 55). Die Lehrkraft überprüft die Angaben stichprobenartig oder anhand der schriftlichen Arbeitsergebnisse.
Für die Schülerinnen und Schüler ist die Lernlandkarte eine Planungshilfe, mit der sie sich beim selbstständigen Arbeiten gut orientieren können, weil sie auf der Lernlandkarte überblicken können, was sie bereits getan haben und was sie noch tun können.
Der Lehrkraft zeigt die Lernlandkarte, mit welchen Anforderungen sich die Schülerinnen und Schüler auseinandergesetzt haben.
Ein Kompetenzraster beschreibt in Form einer Tabelle Kern- und Teilkompetenzen innerhalb eines definierten Bereiches und bezieht sich in der Regel auf einen längeren Zeitraum, z. B. ein Schuljahr
In dem abgebildeten Beispiel (Abb. 56) sind in der linken senkrechten Spalte die Kernkompetenzen wiedergegeben, die für alle Niveaustufen – unabhängig vom Schuljahr – gelten.
In den waagerechten Spalten sind Teilkompetenzen aufgeführt, die die Entwicklung der Kernkompetenz unterstützen. Diese Teilkompetenzen sind mehr oder weniger kleinschrittig passend zum Alter der Schülerinnen und Schüler definiert. In dem abgebildeten Beispiel beziehen sie sich hauptsächlich auf die im Rahmenlehrplan 1-10/Fachteil Deutsch definierten Niveaustufen A und B. Je konkreter die Teilkompetenzen formuliert sind, umso verständlicher werden die Anforderungen für die Lernenden sowie für ihre Eltern.
Mit einem Zeichen, z. B. einem roten Punkt oder einer Unterschrift, wird im entsprechenden Feld dokumentiert, dass die Anforderungen erfüllt wurden. So wird auf einen Blick sichtbar, welche Lernschritte die Schülerin bzw. der Schüler gemacht hat und welche noch offen sind.
Portfolio
Der Begriff "Portfolio" ist für den Schulbereich nicht eindeutig definiert und wird – sowohl in der Literatur als auch in der Schulpraxis – für unterschiedliche Sammlungen von Arbeitsergebnissen genutzt (z. B. Arbeitsportfolios, Beurteilungsportfolios, Präsentationsportfolios, Themenportfolios).
Die verschiedenen Portfolioformen haben gemeinsame Schnittstellen, setzen aber unterschiedliche Gewichtungen im Hinblick auf Zielvorgaben, zeitlichen Umfang, Dokumentenauswahl, Adressatenbezug und Verfahrensweisen. Als Instrument für die formative Leistungsbeurteilung ist vor allem das Lernentwicklungsportfolio interessant, weil es so angelegt ist, dass Lernentwicklungen und Lernstand sichtbar werden und alle Beteiligten – Lehrkraft, Schülerinnen bzw. Schüler und Eltern –beim Erstellen des Portfolios einbezogen werden können.
Inhalt
Das Lernentwicklungsportfolio kann ein Ordner (Abb. 57) sein, in dem die Schülerin bzw. der Schüler verschiedene ausgewählte Dokumente zusammenstellt, z. B. Arbeitsergebnisse, Testergebnisse, Lernlandkarten, Urkunden, Fotos.
Für die Leserfreundlichkeit empfiehlt es sich, die Dokumente mithilfe von Trennblättern nach Kategorien zu ordnen, z. B.
- "Ich und meine Schule"
- Lernwege Deutsch
- Lernwege Mathematik
- Lernalbum
Unter der Überschrift "Ich und meine Schule" sind z. B. persönliche Daten und schulische Ereignisse dokumentiert (z. B. Schulfeste, Geburtstagsfeier).
In den Lernwege-Kapiteln sind die fachbezogenen Materialien eingeordnet.
Im Lernalbum sind Erfolge und Erlebnisse außerhalb des Unterrichts einzusehen, z. B. eine Kopie der Urkunde für Frühschwimmer oder eine Medaille von einem Hockey-Turnier.
Dokumentenauswahl
Zweimal im Jahr gibt es die "Portfolio-Tage". An diesen Tagen wählen die Schülerinnen und Schüler aus ihren Schatzkisten Materialien für das Portfolio aus, ordnen sie und ergänzen die Dokumente durch Ordnungshinweise (z. B. Inhaltsverzeichnis) oder erklärende Texte.
Bis zu diesen Portfoliotagen werden die Unterlagen, die die Lernenden als wichtig und aufhebenswert einschätzen, gesammelt, z. B. in einer Kiste, ihrer "Schatzkiste" (Abb. 58)
Anders als bei einer Sammelmappe werden beim Lernentwicklungsportfolio nicht alle Arbeiten chronologisch eingeheftet, sondern nur die Dokumente ausgewählt, die besonders wichtig sind, weil sie die Lernentwicklung deutlich machen oder eine besondere emotionale Bedeutung haben, z. B. eine bestandene Prüfung, eine Urkunde, ein besonderes Ereignis in der Schule (z. B. Besuch eines Museums), ein außerschulisches Ereignis (z. B. Geburtstagsfeier).
Für die meisten Schülerinnen und Schüler ist die Auswahl nicht einfach, weil sie am liebsten alles einheften würden. Durch die Notwendigkeit zur Entscheidung beginnen die Schülerinnen und Schüler nachzudenken, was für ihr Lernen wichtig war. Lernende, die schon schreiben können, begründen die Auswahl schriftlich. (Abb. 60)
Schulrechtliche Vorgaben für das Land Brandenburg
Folgende Rahmenbedingungen (Verwaltungsvorschrift zur Grundschul-Verordnung) sind in den Vorgaben des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (MBJS) für ein Grundschul-Portfolio festgelegt:
- Es bezieht sich auf die im geltenden Rahmenlehrplan 1-10 festgelegten Standards für Deutsch und Mathematik sowie auf ein weiteres Fach, das von den Lehrkräften einer Schule ausgewählt werden kann.
- Die Dokumentation erfolgt über die gesamte Grundschulzeit.
- Es werden sowohl Lernprozesse als auch Lernergebnisse dokumentiert.
- Die Inhalte werden mit den Schülerinnen und Schülern ausgewählt und reflektiert.
- Die Eltern werden in die Arbeit mit dem Portfolio einbezogen.
Durch diese Rahmenvorgaben erfüllt das Lernentwicklungsportfolio verschiedene Funktionen:
- Umsetzung pädagogischer Ziele:
Es unterstützt die Umsetzung der pädagogischen Zielsetzungen der Rahmenlehrpläne 1-10 , indem es Schülerinnen und Schüler zum kontinuierlichen Reflektieren des eigenen Lernens anleitet. - Berichts- und Vorzeigefunktion:
Es erfüllt Berichts- und Vorzeigefunktionen, weil es den Eltern oder anderen Außenstehenden einen Eindruck vom Leistungsstand und von der Lernentwicklung eines Kindes gibt. - Bildungspolitische Funktion:
Es hat eine bildungspolitische Funktion, weil es von den Standards der Rahmenlehrpläne 1-10 ausgeht und deutlich macht, was ein Kind bereits kann. Damit wird bei z. B. beim Wechsel von der Schuleingangsphase in die höhere Jahrgangsstufe, beim Wechsel einer Lehrkraft, der Klasse oder der Schule die Anschlussfähigkeit gesichert.
Weitere Informationen zum Portfolio gibt es im Informationsbrief für Brandenburger Grundschulen: Was ist ein Portfolio?
Autorin: © Mechthild Pieler
Redaktionell verantwortlich: Erna Hattendorf
Der Bildungsserver Berlin-Brandenburg ist ein Service des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Berlin) und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport Land Brandenburg.