
Quelle 5: Abschiedsbrief von Siegbert Rotholz vom 4. März 1943 an seine Cousine Betty
Liebe Betty!
Du wirst Dich wundern, von mir einen Brief zu bekommen. Es ist der erste und letzte, den ich schreibe. Ich verreise heute abend um 6.30 Uhr für immer. Da ich nicht weiß, wer von meinen Lieben noch da ist, bitte ich Dich, alle, die Du noch siehst, von mir zu grüßen, vor allem aber meine liebe Schwiegermutter. Ich danke ihr für all das Gute, was sie an mir getan hat. Sie möchte mir nicht böse sein. Denn ich möchte nicht sterben, bevor ich mich bei allen entschuldigt habe, bei denen ich es nötig habe. Worum ich Dich aber am meisten bitte, ist, daß Du mein Lottchen nicht vergißt. Du wirst vielleicht der einzige sein, der die Möglichkeit hat. An meine Schwester habe ich nicht geschrieben, denn ich glaube, sie wird ja nicht mehr da sein, und ich bin viel zu aufgeregt, jetzt viel zu schreiben. Also sei deshalb vielmals gegrüßt von
Sigi Rotholz
Und nicht mein Lottchen vergessen. Grüße an alle, die nach mir fragen.
Sigi
Zitiert aus: Regina Scheer: Im Schatten der Sterne. Eine jüdische Widerstandsgruppe, Berlin 2004, S. 350.; Anmerkungen: „Meine liebe Schwiegermutter“ ist Caecilie Jastrow. Caecilie Jastrow wurde am 27. Februar 1943 während der sogenannten „Fabrikaktion“* in ein Deportationssammellager gebracht und am 6. März 1943, zwei Tage nach der Hinrichtung von Siegbert Rotholz, von Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet. „Mein Lottchen“ ist Lotte Rotholz. Lotte Rotholz war im März 1943 im Zuchthaus Cottbus inhaftiert . Am 14. Oktober 1943 wurde sie mit dem sogenannten „44. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet. „Meine Schwester“ ist Irma Joseph. Irma Joseph wurde mit ihren vier Kindern am 28. Juni 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.
Redaktionell verantwortlich: Dr. Uwe Besch, LISUM
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