„Es darf nicht in Vergessenheit geraten“ – Der Beitrag von Axel Springer zur Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden
von Moritz Felgner
Das Leben und Wirken von Axel Springer, dem Gründer eines der größten Verlagshäuser Deutschlands, war geprägt von seinem Engagement für die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen nach 1945. Sowohl privat als auch in seiner Unternehmenspolitik spiegelte sich seine Überzeugung wider, dass die enge Verbindung zu Israel und die Unterstützung des israelischen Volkes in Deutschland unumstößlich verankert sein sollten.
Zum Standort
Als der Verleger Axel Springer 1966 nach Berlin in das ehemalige Zeitungsviertel zog, wollte er mit dem Bau der Verlagszentrale unmittelbar an der Berliner Mauer ein Zeichen für die Medienfreiheit und für die Wiedervereinigung Deutschlands setzen. Er knüpfte bewusst an die Medientradition des Quartiers an, die am Anfang des 20. Jahrhunderts von Verlegern wie Mosse, Scherl und Ullstein bestimmt wurde. 1967 verlegte Springer auch seinen Hauptsitz von Hamburg nach Berlin. Das südliche Teilstück der Jerusalemer Straße war schon 1966 in das Firmenareal einbezogen worden. Der nördliche Teil der Lindenstraße trägt seit 1996 den Namen des Verlagsgründers. Nach der Wiedervereinigung wurde das Verlagshochhaus zunächst mit einem Erweiterungsbau mit silbern glänzender Glas-und Aluminium-Fassade nach Osten ergänzt. Mit dem Bau des Axel-Springer-Hauses wurde der Haupteingang von der Kochstraße zur Axel-Springer-Straße (Nr. 65) verlegt.
Arbeitsanregungen
Zur Unternehmergeschichte
Axel Caesar Springer wurde 1912 in Hamburg-Altona geboren. Er absolvierte eine Setzer- und Druckerlehre im Hammerich & Lesser Verlag, dem Betrieb seines Vaters, und anschließend ein Volontariat in der Nachrichtenagentur Wolffsches Telegraphen Bureau sowie danach bei der Bergedorfer Zeitung. Von 1933 bis zur erzwungenen Einstellung des Blattes 1941 war Springer Redakteur bei den Altonaer Nachrichten. 1946 gründete er den Verlag Axel Springer. 1956 erwarb die Axel Springer Verlag GmbH eine Sperrminorität von 26 Prozent des Ullstein Verlages. 1960 verkaufte die Familie Ullstein die Mehrheit der Aktien an Axel Springer, der das Unternehmen kurze Zeit später ganz übernahm.
Am 20. Dezember 1970, anlässlich des 25. Jahrestages der Wiederbegründung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, erinnerte Springer daran: „Das Jubiläum, das wir heute begehen, ist ein Symbol dafür, […] daß es eines Tages doch wieder selbstverständlich sein mag, von deutschen Juden zu sprechen. […] Vor 25 Jahren hätte ich selbst noch nicht gewagt, an eine solche Hoffnung zu glauben – heute tue ich es. Gerade das, was hier in Berlin im Zusammenwirken zwischen jüdischer und nicht jüdischer Bevölkerung möglich wurde, gibt mir den Mut dazu. In diesen vergangenen 25 Jahren ist hier in dieser Stadt auch ein Verlagshaus wiedererstanden, das einst ein jüdisches Verlagshaus war und das ich als Freund der früheren Besitzer weiterführen darf.“
Im Mai 1959 wurde in Berlin der Grundstein für ein neues Verlagshaus nahe der Grenze zum sowjetischen Sektor gelegt. Die Einweihung erfolgte 1966. Am 1. Januar 1970 wurde der Verlag in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, Alleinaktionär wurde Axel Springer. Bereits in den 1960er-Jahren wurde der Springer-Verlag der größte Zeitungskonzern der Bundesrepublik Deutschland. In Berlin (West) hatten die Blätter aus dem Hause Springer damals einen Marktanteil von 70 Prozent. Die entstandene Medienmacht des Springer-Verlages und die einhergehende Medienkonzentration sowie der Stil seiner Boulevard-Blätter (Bild, BZ am Mittag) waren in der Öffentlichkeit stets Anlass für kritische Auseinandersetzungen. Im Zusammenhang mit der 68er-Bewegung und den Studentenunruhen kam es zu Krawallen, die sich auch gegen Springer richteten. Nach dem Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke am 11. April 1968 entbrannte der Konflikt, als mehrere tausend Menschen versuchten, die Auslieferung der Tageszeitungen in der Kochstraße zu verhindern. Die Demonstranten lieferten sich am Abend und in der Nacht heftige Straßenschlachten mit der Polizei und zündeten Auslieferungsfahrzeuge an. Die Parole „Enteignet Springer!“ machte die Runde. Bis Mitte der 1970er-Jahre waren Anschläge auf das Hamburger Verlagshaus und Privathäuser Axel Springers zu verzeichnen.
Am 22. September 1985, kurz nach dem Börsengang des Verlages, starb Axel Springer in Berlin.
Unternehmensgrundsätze
Im Oktober 1967 formulierte Axel Springer in einer Rede vor dem Hamburger Übersee-Club gesellschaftspolitische Grundsätze im Sinne eines christlich-freiheitlichen Weltbildes. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden diese Grundsätze aktualisiert und 2001 ergänzt. Bis heute verpflichtet sich der Verlag zu folgenden Prinzipien, die auch Bestandteil der Satzung der Axel Springer AG sind:
- Das unbedingte Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft und die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas;
- das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes;
- die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika;
- die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus;
- die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft.
(Quelle:http://www.axelspringer.de/artikel/Unternehmensgrundsaetze_40574.html, zuletzt geprüft am: 09.01.2009)
Einsatz für die deutsch-jüdische Aussöhnung
Axel Springer sah eine seiner Lebensaufgaben in der Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen. Seine Bemühungen wurzelten in seinem christlichen Glauben, dem Freiheitsgedanken und seiner tiefen Ablehnung totalitärer Systeme. Es war ihm eine Herzensangelegenheit, auch wenn er mit seinen Positionen gegen den Kommunismus, für Israel und für die Wiedervereinigung vielerlei Anfeindungen ausgesetzt war. Springer kritisierte nicht nur die Ostpolitik der Bundesregierung offen, sondern auch die Zurückhaltung von Regierungs- und Oppositionskreisen in der Unterstützung Israels. In einem Artikel, der am 27. März 1971 in der Welt erschien, fragte er: „Woran liegt es, daß die Bundesregierung, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, in vornehmer Zurückhaltung verharrt, wenn es um das Schicksal der Juden und um den Bestand Israels geht? Wie ist es zu erklären, daß es auch die Opposition versäumt, die Regierungsparteien in dieser Frage kritisch zu ermahnen?“ In diesem Artikel kritisierte er gleichfalls die Politik vieler Unternehmen: „Und die Industrie ist nicht viel besser. Wenn man versucht, dort etwa für wissenschaftlich-technische Kooperation mit israelischen Instituten zu werben, kommt prompt mit dem Hinweis auf die traditionellen Interessen der deutschen Wirtschaft in den arabischen Ländern eine mehr oder weniger höfliche Ablehnung.“
Bis heute sind die gesellschaftspolitischen Positionen Axel Springers Eckpfeiler der Unternehmenspolitik des Springer-Verlages geblieben und werden durch zahlreiche Projekte mit Leben erfüllt, z. B. durch den Beitritt zur Stiftungsinitiative „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die zur Aufgabe hat, ehemalige NS-Zwangsarbeiter zu entschädigen, sowie mit der Initiative „Partners in Tolerance“. Mit letzterer unterstützt der Verlag seit 1998 die Arbeit der „Shoah Foundation“ von US-Regisseur Steven Spielberg, die u. a. für Schulen in Deutschland eine CD-ROM über den Holocaust entwickelt hat.
Mit „Achtung und Bewunderung“ verfolgte Springer lange die Entwicklung Israels. Doch erst im Jahr 1966 überwand er seine „Scheu und Beklommenheit“ als Deutscher und reiste zum ersten Mal nach Israel, „zur Heimstätte für so viele meiner ehemaligen Landsleute […], die ohne diese Zuflucht wie Millionen anderer ein furchtbares Schicksal hätten erleiden müssen“, so Axel Springer zur Einweihung des Bibliotheksgebäudes im Israel-Museum in Jerusalem am 24. März 1969.
Während dieser ersten Reise spazierte er mit Teddy Kollek, dem angesehenen Bürgermeister Jerusalems, vorbei an der Klagemauer durch den Ostteil der Stadt. Fortan beteiligte er sich aktiv am Aufbau Jerusalems. Kurz nach seiner Rückkehr formulierte er die erwähnten gesellschaftspolitischen Grundsätze. 1966 spendete die Axel Springer Stiftung 3,6 Millionen Mark für die Kunstbibliothek und die Archäologische Bibliothek des israelischen Nationalmuseums in Jerusalem. Zur Eröffnung der Bibliothek am 24. März 1969 überreichte Teddy Kollek Axel Springer eine Schriftrolle. Darin hieß es: „Als wir allein standen in dunklen Tagen, kam Axel Springer zu uns. Er ist ein wahrer Freund Israels. Beweise dafür sind sein nimmermüdes Auftreten in der Öffentlichkeit und seine großzügigen Schenkungen.“
Springer sei ein Visionär gewesen, so würdigte ihn 2005 der Gemeindevorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Albert Meyer, anlässlich einer Ausstellungseröffnung zum 20. Todesjahr des Verlegers. Wenn man durch Israel fahre, könne man die „Spuren lesen“, die Axel Springer dort hinterlassen habe, resümierte der israelische Botschafter Shimon Stein bei dieser Gelegenheit. Die Israelis dankten Springer für seine Loyalität. 1974 bekam er für seine Bemühungen um die Annäherung der Bundesrepublik Deutschland mit Israel die Ehrendoktorwürde der israelischen Bar-Ilan-Universität in Ramat-Gan verliehen. 1983 erhielt er als erster Deutscher den Ehrentitel der Stadt Jerusalem „Bewahrer Jerusalems”.
Redaktionell verantwortlich: Dr. Uwe Besch, LISUM
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