Erläuterungen zu der Verordnung LRSR in Brandenburg
Am 17. August 2017 trat die Verordnung über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen (Lese-Rechtschreib-Rechnen-Verordnung – LRSRV) in Kraft und löste die bis dahin geltenden Verwaltungsvorschriften ab.
Verordnungen erschließen sich oft nicht unmittelbar für Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte. Deshalb wurden untenstehend häufig gestellte Fragen ausgewählt, um wichtige Vorgaben der (LRSRV) zu erläutern. Damit soll und kann die LRSRV natürlich nicht ersetzt werden. Die vorliegenden Erläuterungen beziehen sich ausschließlich auf die Regelungen zu Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben, nicht auf die Schwierigkeiten im Rechnen. Sie gliedern sich im Sinne von „häufig gestellten Fragen“ nach Fragestellungen und nicht nach den Absätzen der LRSRV. Dementsprechend sind die Auszüge aus der Verordnung, auf die sich die jeweiligen Erläuterungen beziehen, jeweils vorangestellt. Den vollständigen Text der LRSRV für Brandenburg, der letztlich handlungsrelevant ist, finden Sie hier.
Autorin: Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann, Universität Potsdam; redaktionell aktualisiert: Andrea Härtel, LISUM
Anlage 1 der LRSRV (Antrag auf Teilnahme an einer zusätzlichen Fördermaßnahme)
Auszug LRSRV: Geltungsbereich
Die Verwaltungsvorschriften gelten für alle Schülerinnen und Schüler in den Bildungsgängen gemäß § 15 Absatz 3 Nr. 1 bis 3 des Brandenburgischen Schulgesetzes und entsprechend für Studierende in den Bildungsgängen gemäß § 15 Absatz 3 Nr. 5 und 6 des Brandenburgischen Schulgesetzes.
Die Verordnung LRSR gelten nicht nur für die Primarstufe, sondern auch für die Sekundarstufe I und II. Sie gelten ebenso für Studierende im zweiten Bildungsweg.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Grundsätze (2)
Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Rechtschreibens oder Rechnens werden zusätzlich gefördert, unabhängig davon, ob diese Schwierigkeiten auf individuellen Lernvoraussetzungen oder auf sozialen und erzieherischen Einflüssen innerhalb und außerhalb der Schule beruhen.
Auszug aus der LRSRV
Dieser Absatz trifft eine sehr explizite Aussage: Unter die V-LRSR fallen Schülerinnen und Schüler ausschließlich aufgrund ihrer besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens. Es muss weder eine Diskrepanz zur Intelligenz vorliegen, noch eine Diskrepanz zu den anderen Schulleistungen. Dies gilt in allen Schulstufen, also in der Primarstufe ebenso wie in der Sekundarstufe I und II. Im Lesen und Rechtschreiben zusätzlich gefördert werden entsprechend ebenso Schüler oder Schülerinnen, die neben ihren Problemen im Rechtschreiben gute Mathematiker sind als auch Schüler und Schülerinnen, die in beiden Lernbereichen Probleme haben. Die Intelligenz einer Schülerin oder eines Schülers spielt nur als Grenzwert eine Rolle, wenn sich die Frage stellt, ob die gewählte Schulform individuell angemessen ist.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Die Leistungen innerhalb einer Schulklasse sind selten homogen. In der Regel liegt ein Leistungsspektrum vor, das sich auf einer Gauß´schen Kurve abbilden lässt: Es gibt wenige Kinder im oberen Leistungsbereich, eine Häufung bei den mittleren Leistungen und wiederum wenige Kinder mit schwachen und sehr schwachen Leistungen. Haben alle Kinder am unteren Ende der Leistungsskala eine LRS im Sinne der V-LRSR? Im Prinzip ja. Zur Feststellung der Lese- und Rechtschreibkompetenz dienen die üblichen Leistungsermittlungen im Deutschunterricht, Lernstandserhebungen sowie normierte Lese- und Rechtschreibtests (vgl. auch Frage 4, Frage 5 und Frage 6).
Bei der Entscheidung über eine zusätzliche Förderung sollten weitere Aspekte mitberücksichtigt werden:
- Seit wann sind die Schwierigkeiten zu beobachten?
- Welche Stufe der Lese- bzw. Rechtschreibentwicklung wurde vom Kind schon erreicht?
- Wie groß ist der Entwicklungsrückstand zum Klassendurchschnitt?
- Wäre es möglich, die Probleme auch durch Maßnahmen der inneren Differenzierung zu beheben?
In der Sekundarstufe I und II müssen die "besonderen Schwierigkeiten" schulformbezogen definiert werden (vgl. Frage 6).
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Verfahren zur Feststellung
(1) Für die Feststellung einer besonderen Schwierigkeit im Lesen und Rechtschreiben ist die Lehrkraft für Deutsch verantwortlich.
Die in der Klasse unterrichtenden Lehrkräfte, insbesondere die Lehrkräfte für Fremdsprachen, sowie die Eltern, sind hierbei einzubeziehen.
Zur Unterstützung der Lehrkraft für Deutsch kann die Schulleitung weitere Fachkräfte sowie die schulpsychologische Beratung heranziehen.
(2) Ab Jahrgangsstufe 5 ist in das Verfahren zur Feststellung einer LRS und zur Festlegung von Fördermaßnahmen die schulpsychologische Beratung einzubeziehen. Die schulpsychologische Beratung ist vor allem mit der Diagnostizierung der kognitiven Voraussetzungen für schulisches Lernen befasst.
Auszug aus der LRSRV
In den Jahrgangsstufen 1 bis 4 liegt die Feststellung einer besonderen Schwierigkeit im Lesen und Rechtschreiben primär bei der jeweiligen Lehrkraft für Deutsch, die sich aber von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie von weiteren Fachkräften beraten lassen kann. Ab Jahrgangsstufe 5 muss in das Verfahren zur Feststellung einer LRS und zur Festlegung von Fördermaßnahmen die schulpsychologische Beratung einbezogen werden. In die Diagnosestellung sollten immer auch Beobachtungen der anderen in der Klasse unterrichtenden Lehrkräfte und der Eltern mit eingehen. Fremdsprachenlehrkräfte können darüber berichten, ob entsprechende Probleme im Lesen und in der Rechtschreibung auch in den Fremdsprachen auftreten. Von den Eltern ist zu erfahren, wie der Schüler oder die Schülerin selbst seine bzw. ihre Probleme im Lesen und Rechtschreiben empfindet, auf Hilfe reagiert und ob und ggf. welche Probleme es bei der Erledigung der Hausaufgaben gibt. In der Sekundarstufe II muss in das Verfahren zur Feststellung einer LRS neben der Schulpsychologin oder dem Schulpsychologen ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie einbezogen werden, wenn von den Maßstäben der Leistungsbewertung abgewichen werden soll (vgl. Nummer 5 LRSRV).
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Verfahren zur Feststellung
(1) Die Feststellung kann in allen Jahrgangsstufen, sollte jedoch so früh wie möglich erfolgen.
Auszug aus der LRSRV
Eine LRS-Diagnostik sollte immer dann erfolgen, wenn die Schwierigkeiten im Lesen und in der Rechtschreibung auftreten. Häufig ist dies schon in den ersten Klassen der Grundschule der Fall. Es gibt aber auch Schüler und Schülerinnen, die recht gut auswendig lernen können und erst auffällig werden, wenn der schriftliche Wortschatz sehr umfangreich wird. Es gibt auch keine Regelung, wann die Feststellung einer LRS überprüft werden muss. Dies ist daher im Einzelfall zu entscheiden. Dabei kommt den Schnittstellen in der Grundschule (Jahrgangstufen 1 bis 4, Jahrgangstufen 5 und 6) sowie den Übergängen in die nächst höhere Schulstufe besondere Bedeutung zu.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Verfahren zur Feststellung
(1) Hierzu sind informelle und formelle Verfahren, die der Objektivierung und der Leistungsmessung der Lesekompetenz, der Rechtschreibung und der Rechenkompetenz dienen, anzuwenden.
Auszug aus der LRSRV
Die Feststellung einer LRS erfolgt nach der Verordnung LRSR sowohl mit Hilfe von informellen als auch von formellen Verfahren.
Zu den informellen Verfahren gehören z.B. Klassenarbeiten, aber auch unmittelbare Beobachtungen beim Lesen oder beim Schreiben und die Analyse freier Schreibungen. Tests sind formelle Verfahren. Die Testmanuale geben genaue Hinweise zur Durchführung und Auswertung, so dass ein hohes Maß an Objektivität gegeben ist. Die Verfahren der ILeA, der im Land Brandenburg entwickelten individuellen Lernstandsanalysen, sind ebenso wie die Aufgaben der VERA und die Vergleichsarbeiten Deutsch im 6. Schuljahr (ZVA6 Deutsch) formelle Verfahren. Diese Verfahren wurden lernzielorientiert konstruiert, d.h. das Ergebnis gibt an, inwieweit ein Schüler oder eine Schülerin ein vorgegebenes Lernziel erreicht hat. Im Gegensatz dazu sind die meisten Testverfahren normorientiert, d.h. sie geben die Position der Probanden im Hinblick auf eine repräsentative Vergleichsgruppe vor.
Testverfahren formulieren Ergebnisse als Standardwerte (z.B. T-Werte mit einem Mittel von 50 und einer Standardabweichung von 10) und als Prozentränge, die angeben, wo die Leistung eines Kindes im Vergleich zur Eichstichprobe (= die für die Entwicklung der Normen getesteten Kinder) anzusiedeln ist. Ein Prozentrang von 50 entspricht genau dem Durchschnitt. Ein Prozentrang von 90% ist ein sehr guter Wert. Er bedeutet, dass nur 10% der Schülerinnen und Schüler der Eichstichprobe noch bessere Leistungen aufweisen. Entsprechend bedeutet ein Prozentrang von 10, dass 90% der Schülerinnen und Schüler der Eichstichprobe bessere Leistungen und nur 10% noch schwächere Leistungen aufweisen.
Als Grenzwert für das Vorliegen von besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben gilt in der Regel ein Prozentrang von 15; ein besonders gravierendes Problem liegt bei einem Prozentrang von 5 und darunter vor. Diese Werte sollten immer durch eine qualitative Fehleranalyse ergänzt werden, die Hinweise auf den Lernentwicklungsstand eines Schülers oder einer Schülerin gibt. Eine solche differenzierte Auswertung ist nicht nur förderdiagnostisch für die Ableitung von Lernplänen wichtig, sie sollte auch unmittelbar in die Feststellung von besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben mit eingehen: Rein quantitativ kann die gleiche Fehlerzahl bei sehr unterschiedlichen Lernständen auftreten: Besonders förderbedürftig sind Schüler und Schülerinnen, die nicht nur viele Fehler machen, sondern in ihrer Lese- bzw. Schreibentwicklung stark rückständig sind.
Lesetests als Gruppenverfahren leisten in der Regel die Analyse des Lernentwicklungsstandes nicht. Sie erlauben zumeist nur eine normorientierte Auswertung (z.B. Potsdamer Lesegeschwindigkeitstest in der ILeA Lesen, Würzburger Leise Leseprobe, Salzburger Screening). Eine wirklich aussagefähige Ergänzung ist in den ersten Schuljahren nur durch einen mündlichen Lesetest im Einzelverfahren möglich. Als Test geeignet ist der Salzburger Lesetest; innerhalb der ILeA steht die Einzelleseanalyse zur Verfügung. Wenn auch viele Kinder mit einer LRS bereits auf der Stufe des Erlesens – oder allgemeiner des Worterkennens - Probleme haben, ist auch der Aspekt des Leseverständnisses zu erfassen. Entsprechende Aufgaben finden sich in der ILeA.
Sekundarstufe I und II
Da die besonderen Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben auch nach den Anforderungen der Schulform zu definieren sind, sollten in der Sekundarstufe I und II zur Feststellung der Förderbedürftigkeit Testverfahren mit schulformspezifischen Normen angewandt werden. Da im Gegensatz zu den meisten Bundesländern in Brandenburg die Jahrgangsstufen 5 und 6 noch zur Grundschule gehören, muss auf die Auswahl geeigneter Normen geachtet werden. Wenn sie zu einem Testverfahren vorliegen, sollten die Normen für alle Schüler und Schülerinnen angewandt werden.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Grundsätze
(3) Die Entscheidung über die Einleitung der zusätzlichen Förderung, über Art, Umfang und Dauer dieser Unterstützung trifft die Klassenkonferenz oder Jahrgangsstufenkonferenz im Rahmen der vorhandenen personellen und sächlichen Voraussetzungen.
Auszug aus der LRSRV
Besondere Hinweise für die Sekundarstufen I und II
Verfahren zur Feststellung
(3) Die Lehrkräfte für das Fach Deutsch und für die Fremdsprachen informieren sich zu Beginn der Sekundarstufe I und II über den Lernentwicklungsstand und die durchgeführte zusätzliche Förderung für die Schülerinnen und Schüler mit einer LRS. Die Klassenkonferenz oder Jahrgangsstufenkonferenz entscheidet über die Fortsetzung der zusätzlichen Förderung im Lesen und Rechtschreiben. Bei der Entscheidungsfindung können mit Einverständnis der Eltern oder der volljährigen Schülerin, des volljährigen Schülers oder Studierenden hierfür geeignete Unterlagen der bisher besuchten Schule mit einbezogen werden.
Auszug aus der LRSRV
Grundsätze
(1) Aufgabe der Lehrkräfte ist es, jede Schülerin und jeden Schüler beim Erlernen des Lesens, Rechtschreibens oder Rechnens auf der Grundlage der Ergebnisse der jeweiligen individuellen Lernausgangslage zu unterstützen und zu fördern.
Auszug aus der LRSRV
Zunächst gilt für Schüler und Schülerinnen mit einer LRS ebenso wie für alle anderen Kinder und Jugendlichen auch der Grundsatz der Unterstützung und Förderung aufgrund der individuellen Ausgangslage, die z.B. über die Verfahren der ILeA oder die erwähnten Tests ermittelt werden kann. Durch binnendifferenzierende Maßnahmen sollen die Kinder und Jugendlichen ihrem Lernstand entsprechende Lernangebote erhalten. Wenn die Möglichkeiten der inneren Differenzierung nicht ausreichen, sollte eine zusätzliche Förderung angeboten werden.
Fördermaßnahmen
(1) Für Schülerinnen und Schüler mit einer LRS gelten in der Grundschule die Regelungen des § 6 der Grundschulverordnung. Die zusätzliche Förderung kann parallel zum Regelunterricht der Klasse durchgeführt werden. Dabei ist zu vermeiden, dass ein Fach durch die parallele Förderung besonders stark betroffen ist.
(2) Eine zusätzliche Förderung im Lesen und Rechtschreiben ist in den Schulen der Sekundarstufe I und II fortzusetzen, wenn die LRS oder die besondere Schwierigkeit im Rechnen während der Grundschulzeit nicht behoben werden kann. Zusätzlich zum Regelunterricht kann Förderunterricht gemäß der VV-Unterrichtsorganisation eine zusätzliche Förderung für LRS erteilt werden.
Auszug aus der LRSRV
In § 6 der Grundschulverordnung wird die Notwendigkeit eines binnendifferenzierenden Unterrichts betont, der die Lernausgangslage der Kinder berücksichtigt. Um diese zu ermitteln, sind in den Jahrgangsstufen 1, 3 und 5 Lernstandserhebungen mit den Aufgaben der ILeA durchzuführen. Es ist empfehlenswert, Lernstandserhebungen auch in den Jahrgangsstufen 2, 4 und 6 durchzuführen. Für jede Schülerin und jeden Schüler ist ein individueller Lernplan aufzustellen, in dem die individuellen Lernziele und erwartete Lernfortschritte formuliert werden.
Über einen zusätzlichen Förderunterricht entscheidet die Klassenkonferenz oder die Jahrgangsstufenkonferenz. Er erfolgt in der Regel in kleinen Lerngruppen, die auch klassen- oder jahrgangsübergreifend eingerichtet werden können. Der Förderunterricht kann parallel zum regulären Unterricht stattfinden, wobei darauf zu achten ist, dass ein Fach nicht zu stark betroffen ist.
Weder die LRSRV noch die Grundschulverordnung geben eine genaue Wochenstundenzahl für spezielle Fördermaßnahmen an. Förderstunden sind der Belastbarkeit der Schülerinnen und Schüler anzupassen. Lernpsychologisch ist eine zweimalige Förderung pro Woche sinnvoll, damit Gelerntes in nicht zu langen Abständen wiederholt werden kann. Die Lehrkraft, die den Förderunterricht erteilt, sollte sich in ständigem Austausch mit den jeweiligen Lehrkräften für Deutsch befinden. Durch binnendifferenzierende Maßnahmen sollten die Lernangebote im Deutschunterricht und im Förderunterricht aufeinander abgestimmt werden. Dies ist besonders wichtig, wenn der Förderunterricht nur einmal wöchentlich stattfinden kann.
Es ist hervorzuheben, dass die zusätzliche Förderung auch in der Sekundarstufe I fortzusetzen ist, wenn die LRS während der Grundschulzeit nicht behoben werden kann.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Grundsätze
(4) Die Einbeziehung einer Schülerin oder eines Schülers in eine zusätzliche Förderung bedarf des Einverständnisses der Eltern oder der volljährigen Schülerin oder des volljährigen Schülers. Die betroffenen Eltern sind über die zusätzliche Förderung regelmäßig zu informieren. Sie sind angehalten, den Verlauf der zusätzlichen Förderung zu begleiten und zu unterstützen.
Auszug aus der LRSRV
Die Eltern müssen ihre Zustimmung zur Förderung geben. Sie müssen dazu ein Formular ausfüllen (siehe Anlage 1 zu der LRSRV) in dem sie sich auch dazu bereit erklären, die zusätzliche schulische Förderung in besonderer Weise zu unterstützen. In Elterngesprächen kann die Lehrkraft erfahren, wie der Schüler oder die Schülerin selbst seine bzw. ihre Probleme im Lesen und Rechtschreiben empfindet, wie er oder sie auf Hilfe reagiert und ob und ggf. welche Probleme es bei den Hausaufgaben gibt. Oft erfährt man in diesen Gesprächen, dass ein Elternteil früher selbst Probleme beim Schriftspracherwerb hatte. Da viele Eltern bei der Erledigung der Hausaufgaben in irgendeiner Form involviert sind, ist es sinnvoll, ihre Hilfestellungen sehr genau mit ihnen zu besprechen.
Eltern können auch Abweichungen von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung für ihr Kind beantragen (vgl. Frage 12).
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Regelungen zu außerschulischer Unterstützung, zu Zeugnissen, Abschlüssen und Berechtigungen
(1) Reichen die zusätzlichen schulischen Förderangebote nicht aus und erfolgt eine außerschulische Unterstützung, arbeitet die Schule mit den außerschulischen Maßnahmeträgern zusammen. Zur Festlegung der geeigneten Hilfen durch die Leistungsträger nach Sozialgesetzbuch (SGB) stellt die Schule den Eltern die erforderlichen Unterlagen der Schule zur Verfügung.
Auszug aus der LRSRV
Eine außerschulische Förderung ist vor allem dann angezeigt, wenn der Lernrückstand eines Kindes oder Jugendlichen erheblich ist oder wenn durch die Lernschwierigkeiten massive emotionale Probleme und/oder Verhaltensauffälligkeiten ausgelöst wurden. Es gibt außerschulische Förderangebote sehr unterschiedlicher Qualität: Sie reichen von reinen Nachhilfeinstituten bis zur qualifizierten Lerntherapie, die auch psychotherapeutische Elemente beinhaltet. Lerntherapeutische Angebote gibt es in einigen staatlichen Beratungsstellen (z.B. Erziehungsberatung, Schulberatung, LRS-Beratung) und in privaten Praxen. Lerntherapeutische Hilfen in privaten Praxen können über die Eingliederungshilfe nach § 35 a Sozialgesetzbuch (SGB) VIII über das Jugendamt finanziert werden. Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Das ausschließliche Vorliegen einer Lese-Rechtschreibschwäche reicht für die Gewährung einer Eingliederungshilfe also nicht aus.
Anträge auf Gewährung einer Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII sind von den Eltern beim Jugendamt zu stellen. Das Jugendamt wird eine Fachkraft mit einer Begutachtung beauftragen. Gemäß Nummer 8 Abs. 1 der LRSRV sind den Eltern schulische Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Lerntherapeutin analysiert die psychosoziale Gesamtsituation des Schülers. Sie ermittelt sowohl seinen derzeitigen Lernstand als auch seine emotionale Befindlichkeit, seine Reaktionen auf das Versagen und die Einstellungen und das Verhalten seiner Umwelt. In Beratungsgesprächen mit den Eltern und den Lehrkräften kann die Lerntherapeutin Einsichten in das Verhalten des Schülers geben und Vorschläge für die Auswahl und Gestaltung der Lernangebote und der Lernsituationen machen. Das gegenstandsbezogene lerntherapeutische Vorgehen folgt weitgehend den zentralen Aspekten der Diagnostik und des Förderns bei LRS.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Grundsätze
(5) Grundsätzlich gelten für Schülerinnen, Schüler und Studierende mit einer LRS oder mit einer besonderen Schwierigkeit im Rechnen die für alle Schülerinnen und Schüler geltenden Maßstäbe der Leistungsbewertung.
(6) Für Schülerinnen und Schüler bis zur Jahrgangsstufe 4, die eine zusätzliche Förderung im Bereich Lesen und Rechtschreiben oder Rechnen erhalten, können gemäß § 10 Absatz 4 der Grundschulverordnung schriftliche Informationen zur Lernentwicklung im Bereich Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen an die Stelle von Noten treten.
Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung
(1) In den Bildungsgängen 1 bis 10, der Sekundarstufe II und in den Bildungsgängen des zweiten Bildungswegs kann Schülerinnen und Schülern mit einer LRS ein Nachteilsausgleich gewährt werden. Daneben können auf Antrag Abweichungen von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung in einzelnen Fächern zugelassen werden (Anlage 1).
(3) Die Abweichungen von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung können
a) die stärkere Gewichtung mündlicher Leistungen, insbesondere in den Fremdsprachen, und
b) den Verzicht auf eine Bewertung der Lese- und Rechtschreibleistung, nicht nur im Fach Deutsch
umfassen.
Auszug aus der LRSRV
Generell gelten für Schülerinnen und Schüler mit einer LRS die allgemein vorgegebenen Kriterien für die Leistungsbewertung. Im ersten Schuljahr werden alle Kinder verbal bewertet. In den Jahrgangsstufen 2 bis 4 entscheiden die Mitglieder der Klassenkonferenz und die Elternversammlung über die Vergabe von verbalen Beurteilungen als Alternative zu Noten. Haben sich diese Gremien prinzipiell für Noten ausgesprochen, kann auf Antrag der Eltern auf eine Bewertung der Lese- und Rechtschreibleistung verzichtet werden und zwar nicht nur im Fach Deutsch. Auch in den Jahrgangsstufen 5 bis 10, in der Sekundarstufe II und in den Bildungsgängen des zweiten Bildungsweges kann auf die Bewertung der Lese- und Rechtschreibleistung - nicht nur im Fach Deutsch - verzichtet werden. Diese Regelung gilt sowohl für Klassenarbeiten als auch für Zeugnisnoten. Wird eine Note gegeben, so ist auf Antrag der Eltern auch eine stärkere Gewichtung der mündlichen Leistungen möglich, insbesondere in den Fremdsprachen.
Eltern von Kindern und Jugendlichen mit einer LRS sollten explizit darauf hingewiesen werden, dass die Möglichkeiten zum Verzicht auf eine Benotung der Lese- und/oder Rechtschreibleistung besteht bzw. eine stärkere Gewichtung der mündlichen Leistungen erfolgen kann.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Besondere Regelung für die Sekundarstufe II
Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung
(3) In der Sekundarstufe II kann eine Abweichung von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung nur zugelassen werden, wenn die LRS durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Zusammenwirken mit einer Schulpsychologin oder einem Schulpsychologen attestiert wurde.
Auszug aus der LRSRV
Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung
(1) In den Jahrgangsstufen 1 bis 10, der Sekundarstufe II und in den Bildungsgängen des zweiten Bildungsweges kann Schülerinnen und Schülern mit einer LRS ein besonderer Nachteilsausgleich gewährt werden. Daneben können auf Antrag Abweichungen von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung in einzelnen Fächern zugelassen werden (Anlage 1).
(2) Der Nachteilsausgleich soll die vorhandenen Beeinträchtigungen ausgleichen und der Schülerin oder dem Schüler mit einer LRS ermöglichen, vorhandene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse in den zu erbringenden schriftlichen Leistungen nachzuweisen. Der Nachteilsausgleich kann
a) die Ausweitung der Arbeitszeit, bei zu erbringenden schriftlichen Leistungen,
b) die Bereitstellung von technischen und didaktischen Hilfsmitteln und
c) die Nutzung methodisch-didaktischer Hilfen (z.B. Lesepfeil, größere Schrift, optisch klar strukturierte Tafelbilder und Arbeitsblätter)
umfassen.
Auszug aus der LRSRV
Maßnahmen im Rahmen eines Nachteilsausgleichs sollen es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, ihr fachbezogenes Wissen trotz ihres langsameren Lese- und Schreibtempos und ihrer rechtschreiblichen Unsicherheiten nachzuweisen. Besonders wichtig sind hier eine Verlängerung der Arbeitszeit und die Bereitstellung eines Wörterbuchs, ggf. eines Laptops mit einer Rechtschreibprüfung. Die Gewährung eines Nachteilsausgleichs ist in den Zeugnissen nicht zu vermerken.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Regelungen zu außerschulischer Unterstützung, zu Zeugnissen, Abschlüssen und Berechtigungen
(2) Soweit Abweichungen von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung gemäß Nummer 5 Absatz 3 vorgenommen werden, ist dies auf allen Zeugnissen zu vermerken. Die Gewährung eines Nachteilsausgleichs gemäß Nummer 5 Absatz 2 sowie Nummer 7 Absatz 2 ist in den Zeugnissen nicht zu vermerken.
Auszug aus der LRSRV
Die Gewährung von Maßnahmen zum Nachteilsausgleich ist im Zeugnis nicht zu vermerken. Wenn keine Note gegeben wird, sollte zusätzlich zum Zeugnis von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, den individuellen Lernfortschritt verbal zu würdigen.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Grundsätze
(7) Besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder eine besondere Schwierigkeit im Rechnen allein sind kein Grund, eine Schülerin oder einen Schüler mit ansonsten angemessenen Gesamtleistungen beim Übergang von der Grundschule in einen weiterführenden Bildungsgang als nicht geeignet für den Bildungsgang zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife zu beurteilen.
Auszug aus der LRSRV
Diese Regelung ermöglicht es Schülerinnen und Schülern mit LRS, weiterführende Schulen, auch das Gymnasium, zu besuchen. Sie werden aber weiterhin auf Förderung und Nachteilsausgleich angewiesen sein, um den höheren Leistungsanforderungen gerecht zu werden.
Prof. Dr. Gerheid Scheerer-Neumann
Links
- MBJS: Weitere Informationen zur Förderung von Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben und Rechnen auf der Website des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport Brandenburg
Redaktionell verantwortlich: Juliane Seidel, LISUM
Der Bildungsserver Berlin-Brandenburg ist ein Service des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Berlin) und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport Land Brandenburg.