Zitat Februar 2015

Zitat Februar 2015

Zitat Februar 2015

 

"Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden"

Rosa Luxemburg

 

Rosa Luxemburg war eine der wenigen Frauen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts studierte und dann auch noch Politikerin wurde. Sie kämpfte leidenschaftlich für ihre Werte und gesellschaftspolitischen Vorstellungen und bezahlte diesen Kampf letztendlich auch mit ihrem Leben.

 

Als ich diesen Satz zum ersten Mal im Geschichtsunterricht hörte, war ich eine sehr junge Frau und ging noch in Stuttgart zur Schule. Freiheit war damals für mich ein großes Thema, Freiheit vom Elternhaus, Freiheit von der Schule, Freiheit in der Gesellschaft, das zu tun, was einem in den Sinn kam, auch wenn es nicht unbedingt erlaubt war. Eine Freiheit außerhalb meiner Freiheit oder eine andere konnte ich mir nicht so richtig vorstellen. Ich habe über diesen Satz trotzdem lange nachgedacht. Was, wenn jemand anders käme und behaupten würde, wie ich lebe, wer ich bin und was ich denke, sei falsch und würde mich in meinem Leben und in meinen Aktionen einschränken. Einfach nur, weil er denkt, nur er wisse, was richtig ist, und seine Freiheit sei die einzig wahre.

 

Das Thema Nationalsozialismus und seine Gräuel war zu der Zeit sehr präsent und unsere Eltern und Großeltern hatten das zum Teil  auch noch erlebt, wie es ist, wenn wegen einer anderen Volkszugehörigkeit, Religion, politischer Einstellung oder nur einem falschen Wort einem jegliche Freiheit und sogar das Leben genommen werden kann. Mir wurde klar, dass diese Achtung gegenüber der Freiheit des Anderen auch eine Garantie für Sicherheit und Glück ist. Man kann nur selbst frei sein, wenn man die Freiheit der Anderen respektiert. Das gilt auch für die ganze Gesellschaft und  ohne dieses Prinzip kann es keine echte Demokratie geben. 

 

Die Attentäter von Paris haben auf brutalste Weise diese Freiheit attackiert. Erreicht haben sie aber das Gegenteil von dem, was sie wollten. Die Menschen haben gemerkt, dass es hier um ihr freies Leben geht und dieses zerstört werden soll. Sie haben sich mit Charlie Hebdo solidarisiert und sind über Landes- und Religionsgrenzen hinaus enger zusammengerückt. Sicher finden nicht alle, die auf die Straße gegangen sind, die Karikaturen gut und bestimmt gibt es unter ihnen auch einige heftige Kritiker. Aber alle sind froh, dass sie in einer Gesellschaft leben, in der es Zeitungen wie Charlie Hebdo geben darf. Das liegt auch daran, dass sich dieses tolerante System bewährt hat und es sich darin einfach besser und ohne Angst leben lässt.

 

Ich bin Geschäftsführerin einer Stiftung, die Projekte für Jugendliche für Toleranz und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit unterstützt. Toleranz ist die Grundvoraussetzung für den Respekt gegenüber Anderen und Andersdenkenden. Da das keine einfache und auch keine selbstverständliche Eigenschaft ist, sollte man möglichst früh damit anfangen, sie einzuüben. Unsere Projekte richten sich daher an Kinder und Jugendliche. Sehr gut funktioniert das beispielsweise, indem man gemeinsam Sport macht und Fairness praktiziert. Aber auch im musischen und künstlerischen Bereich, wie z. B. beim Theater und Film, geht es nur im toleranten Miteinander.

 

Sehr gute Erfahrungen haben wir auch mit internationalen Begegnungen gemacht. Wir fördern Schüleraustausche und Jugendbegegnungen für tausende Kinder vor allem nach Polen, Osteuropa und Israel. Wer einmal so etwas erlebt hat, wird nachher kaum fremdenfeindliche Tendenzen entwickeln. Im Gegenteil, das wechselseitige Erleben und Eintauchen in ein anderes Land bleibt den meisten jahrelang in Erinnerung und wird ganz überwiegend als beglückend empfunden. Das gilt im Übrigen auch für die Lehrerinnen und Lehrer. Viele haben mir erzählt, dass sie trotz ihres stressigen Alltags die organisatorisch durchaus anspruchsvollen Austausche als das pädagogische Highlight erleben. Ich kann es nur jeder Schule und ihren Schülerinnen und Schülern empfehlen. Auch wenn der Trend bei Schüleraustauschen immer mehr in die exotischen Teile unserer Erde geht,  ein Austausch mit Polen ist kaum weniger spannend, einfacher und günstiger zu organisieren und auch langfristig leichter zu pflegen. Organisationen wie das Deutsch-Polnische Jugendwerk oder ConAct für Israel sind hier professionelle und zuverlässige Partner.

 

Für Kinder und Jugendliche ist es zurzeit enorm schwer, sich zu orientieren. Die Nachrichten über die Krisenherde, über Anschläge, über Demonstrationen und Pegida lassen sie oft ratlos zurück. Wer soll da noch durchsehen und wo sind die Guten, was ist richtig, was ist falsch? Wir sind daher alle in der Schule, im Elternhaus und in der Zivilgesellschaft gefordert, hier Halt zu geben und für Toleranz und Demokratie zu werben. 

 

Den Satz von Rosa Luxemburg zu beherzigen, ist keine einfache Sache. Ich erwische mich selbst immer wieder dabei, dass ich andere Meinungen oder Grundhaltungen nur schwer oder gar nicht akzeptieren kann und sie am liebsten verbieten würde. Wenn ich es denn könnte. Es hilft aber nichts, wenn ich meine Freiheit behalten will, muss ich auf dem schwierigen und anstrengenden Weg der Demokratie bleiben, um meine Ziele zu verwirklichen.

 

 

Susanne Krause-Hinrichs ist Geschäftsführerin der F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz.

Susanne Krause-Hinrichs

  • Geschäftsführerin der F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz
  • ehrenamtliche stellvertretende Vorstandvorsitzende der Stiftung Amcha Deutschland

Hinweis

Die dargestellten Meinungsäußerungen in den Kommentaren zu den Zitaten des Monats widerspiegeln die Meinung des jeweiligen Autors und werden nicht vom Bildungsserver Berlin-Brandenburg inhaltlich verantwortet.

Redaktionell verantwortlich: Ralf Dietrich, LISUM