Zitat Juli/August 2016

Zitat Juli/August 2016

"Einige Kinder werden Wissenschaftler, aber alle Kinder werden Bürger." (Pierre Lena)

Dieses Zitat stammt von dem Astrophysiker Pierre Lena, der sich seit 1996 für die Stärkung des naturwissenschaftlichen Unterrichts an Grundschulen in dem französischem Projekt "La main à la pâte" einsetzt. Es spiegelt seine Motivation wider, warum er sich als erfolgreicher Wissenschaftler für die naturwissenschaftliche Bildung von Grundschülern einsetzt. 

Technische und naturwissenschaftliche Erkenntnisse prägen in zunehmendem Maße unsere Lebenswelt. Daher ist eine naturwissenschaftliche Grundbildung eine wichtige Voraussetzung für die reflektierte Teilnahme an unserer Gesellschaft. Fakten von Meinungen unterscheiden zu können, kritisch hinterfragen zu können, sind Kompetenzen, die benötigt werden, um als mündiger Bürger aktiv an Entscheidungsprozessen teilzunehmen.

„La main à la pâte“ koordinierte das EU-Projekt POLLEN, das von 2006 -2009 lief und sich der Implementierung und nachhaltigen Verbreitung des untersuchenden Lernens im naturwissenschaftlichen Unterricht (inquiry based science education) widmete. Berlin war eine der 12 europäischen Städte, die als Startzentren der Initiative ("seed city") in den einzelnen Ländern wirken sollten. Das Schülerlabor NatLab der Freien Universität Berlin realisierte die Umsetzung in Deutschland.

Um mehr Schulen die Teilnahme zu ermöglichen und die Arbeit über den Projektzeitraum von POLLEN fortführen zu können, gründete die Freie Universität Berlin und die Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften das Projekt TuWaS! (Technik und NaturWissenschaften an Schulen). 

TuWaS! greift das Interesse von Grundschulkindern an naturwissenschaftlichen Phänomenen auf und führt die Kinder an die naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen heran. Damit werden entscheidende Grundlagen gelegt für ein nachhaltiges Interesse von Jungen und Mädchen an Naturwissenschaft und Technik. 

Neben den praxisorientierten ganztägigen Lehrerfortbildungen, bietet TuWaS! den Projektschulen die entsprechenden Experimentiereinheiten für den Sach- und naturwissenschaftlichen Unterricht zur Ausleihe an. Zurzeit stehen 13 Themen zur Auswahl.

Die Unterrichtseinheiten und Experimentiermaterialien für die Klassenstufen 1-6 sind so konzipiert, dass sie ein forschendes Vorgehen der Kinder anleiten und unterstützen und auf den Erwerb der für naturwissenschaftlich-technisches Lernen spezifischen Kompetenzen ausgerichtet sind: Forschungsfragen stellen, Vermutungen und Hypothesen formulieren, Versuche durchführen, Lösungsmöglichkeiten erproben und dokumentieren, Grafiken und Tabellen erstellen, Forschertagebücher führen, Ergebnisse präsentieren und diskutieren und daraus neue Fragestellungen entwickeln, - genau wie "echte" Wissenschaftler und Ingenieure.

Die Kinder arbeiten in Zweier- oder Dreiergruppen und übernehmen Aufgaben innerhalb der Teams, hinterfragen und haben Erfolgserlebnisse, sodass Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl gestärkt werden. Neben fachlichen Fertigkeiten bietet das Unterrichtsmaterial Möglichkeiten zum fächerübergreifenden Unterricht.

Ein weiteres wichtiges Element des Konzeptes ist die Sprachförderung, die durch kooperative Arbeitsformen und Lernmethoden ermöglicht und zusätzlich durch spezielles Sprachfördermaterial (z. B. Wortschatzarbeit, Fach-Begriffsbildung) unterstützt wird. Neben Fachwissen und Sprachentwicklung entwickeln die Kinder Spaß und Freude an Naturwissenschaften und Technik.

Die Unterrichtseinheiten bieten den Lehrkräften Anleitung und Hilfe für forschende Lernprozesse, es besteht jedoch die Möglichkeit zur flexiblen Anpassung der Arbeit an die konkreten Gegebenheiten vor Ort.

Die Teilnahme an der ganztägigen Fortbildung ist obligatorisch vor dem Einsatz der Experimentiereinheit im Unterricht. Im Rahmen dieser Fortbildung erarbeiten sich die Lehrkräfte im Schnelldurchlauf die 16 aufeinander aufbauenden Lektionen. Sie führen alle Experimente der Einheit durch, eignen sich das Fachwissen an und lernen praxisnah den Umgang mit dem Material. Die Lehrkräfte stoßen dabei auf die gleichen Probleme und Fragen, wie sie später den Kindern begegnen und werden so auf eine Vielzahl von Unterrichtssituationen gezielt vorbereitet. Die praxisorientierte Fortbildung nimmt den Lehrkräften häufig vorhandene Unsicherheiten bei der Unterrichtung naturwissenschaftlicher und technischer Themen.

TuWaS!-Schulen erhalten die Experimentiereinheiten etwa drei Wochen nach Halbjahresbeginn. Am Ende des Schulhalbjahres werden die Einheiten eingesammelt, gewartet, aufgefüllt und im folgenden Schulhalbjahr neu verteilt. 

TuWaS! verfolgt einen ganzheitlichen konzeptionellen Ansatz zur Verankerung von forschendem Lernen in der Grundschule und arbeitet daher nur mit ganzen Schulen zusammen.

Das Konzept des EU-Projekts POLLEN hat Früchte getragen, aus den anfänglichen 11 Schulen sind nach 10 Jahren in Berlin 143 Schulen geworden. TuWaS! gibt es inzwischen auch im Raum Köln-Bonn (96 Schulen), Hamburg (10 Schulen), Saarbrücken (8 Schulen) und startet jetzt als Pilotprojekt für Brandenburg in der Uckermark. 

 

Dr. Nicola Stollhoff leitet seit 2014 das Team von TuWaS!-Berlin.



Dr. Nicola Stollhoff

  • promovierte in der Neurobiologie der Freien Universität Berlin
  • 2008-2014 koordinierte sie das Projekt TuWaS! - Köln/Bonn
  • seit 2014 leitet sie das Team von TuWaS!-Berlin

Hinweis

Die dargestellten Meinungsäußerungen in den Kommentaren zu den Zitaten des Monats widerspiegeln die Meinung des jeweiligen Autors und werden nicht vom Bildungsserver Berlin-Brandenburg inhaltlich verantwortet.

Redaktionell verantwortlich: Ralf Dietrich, LISUM