
Quelle 1: "Ein Tag im C.V."
Waren Sie schon im C.V.? Nein, das meine ich nicht. Daß Sie seit Jahren Mitglied sind und immer bleiben werden, weiß ich. Ich meinte, ob Sie schon einmal in der Hauptgeschäftsstelle in Berlin waren? Wie? Nicht dazu gekommen? Das müssen wir heute, da Sie zur Hauptversammlung nach Berlin gereist sind, rasch nachholen. Wir haben uns glücklicherweise früh genug getroffen, um schon zum Dienstbeginn im Bureau sein zu können und den Tag über zu beobachten, was hier geschieht. Unser Bureau liegt in der richtigen Gegend; und die Nachbarschaft ist beinahe symbolisch für den Geist unserer Arbeit: Presseviertel, das alte Gebäude des friderizianischen Kammergerichts, die großen modernen Geschäftshäuser – so haben wir die eherne Grundlage des Rechtsgedankens und lernen am Leben um uns, ihm auf die eindringlichste Weise im Alltag Geltung zu verschaffen.“
Zitiert aus: C.V. -Zeitung vom 5.3.1926, Artikel geschrieben vom Chefredakteur und Herausgeber der C.V.-Zeitung Alfred Hirschberg, Berlin
Quelle 2: Die Gründung einer Ortsgruppe
Der Rechtsanwalt Ernst Herzfeld (1874 Grätz-1947 Buenos Aires) war der letzte Vorsitzende des C.V.s von 1936 bis 1938, bis der Verein durch die Nationalsozialisten zwangsaufgelöst wurde. Herzfeld konnte 1938 nach Palästina emigrieren und ging später weiter nach Argentinien. Im folgenden Abschnitt schildert Herzfeld die Gründung einer Ortsgruppe des C.V.s: „Da Hirschland und Abel meine Sympathie [für den CV] teilten, vereinbarten wir, für die Vereinsaufgabe zu werben. Wir beschlossen, eine Versammlung zu veranstalten und eine Ortsgruppe zu errichten. Die Versammlung fand im Herbst 1903 statt. Abel leitete, mein Schwager Julius Brodnitz – als Mitglied des Hauptvorstandes des CV – und ich referierten. Zum erstenmal trat ich als Redner in einer Versammlung auf, und es gelang, die etwa 500 Zuhörer zu fesseln. Als erstes Erlebnis dieser Art ist mir der Abend unvergeßlich. Mein Erinnerungsbild ist auch deshalb scharf, weil ich in der Diskussion erstmals dem mir bis dahin nur dem Namen nach bekannten Zionismus begegnete, und der sonst überaus beherrschte Isaac Hirschland leidenschaftlich auf den zionistischen Beitrag reagierte.
Für die damalige Stellungnahme der deutschen Juden ist der Verlauf so kennzeichnend, daß ich ihn hier kurz rekapituliere. Sogleich zu Beginn der Diskussion nahm ein junger auswärtiger Referendar das Wort. Er begann: ‚Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens hat einen langen Namen’. Kaum war dieser Satz gesprochen, als Hirschland leidenschaftlich dazwischenrief: ‚Das ist nicht wahr!’ Der anscheinend durch diesen Zwischenruf gestörte Redner begann von neuem und wiederholte seine These; und wiederum donnerte Hirschland: ‚Das ist nicht wahr!’Als derVorgang sich unverändert zum drittenmal wiederholte, griff Abel mit der Feststellung ein, daß These und Antithese der Versammlung nun hinreichend bekannt sein dürften, er müsse den Redner bitten fortzufahren und die Versammlung auffordern, von Zwischenrufen abzusehen. Der Referendar, der wohl ohnehin kein wirkungsvoller Redner war und wenig Routine besaß, war durch diesen Auftakt recht mitgenommen. Zudem stand er einer offensichtlich scharf ablehnenden Versammlung gegenüber. Darauf führe ich es wenigstens zurück, daß er sich nur kur faßte und keine ernsthaften Einwendungen vorbrachte. – Von diesem Zwischenfall abgesehen, verlief die Versammlung sehr stimmungsvoll. Das Gros der Erschienenen trat in den Verein ein, die Ortsgruppe Essen wurde gegründet, und Abel, ich und ein dritter Herr wurden mit ihrer Leitung beauftragt.“
Zitiert aus: Jüdisches Leben in Deutschland, 370-388.
Redaktionell verantwortlich: Dr. Uwe Besch, LISUM
Der Bildungsserver Berlin-Brandenburg ist ein Service des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Berlin) und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport Land Brandenburg.