
Quelle 1: Menschen aus der Kreuzberger Lindenstraße, die als Juden deportiert wurden
(29 Menschen, die zum Zeitpunkt ihrer Deportation in der Lindenstraße gemeldet waren)
Philipp Jaroczynski (* 15.3.1868) | Lindenstraße 5 |
Selma Jaroczynski, geb. Berek (* 2.12.1870) | Lindenstraße 5 |
Gertrud Weissbart, geb. Korn (* 31.5.1901) | Lindenstraße 7 |
Jona Weissbart (*4.11.1941) | Lindenstraße 7 |
Sophie Korn, geb. Weissbarth (*10.7.1871) | Lindenstraße 7 |
Max Weissbart (* 11.12.1902) | Lindenstraße 7 |
Anita Rosshändler (*31.1.1932) | Lindenstraße 7 |
Uri Weissbart (*2.1.1943) | Lindenstraße 7 |
Meta Zuckermann, geb. Rosenthal (*27.8.1884) | Lindenstraße 15 |
Heinrich Zuckermann (* 8.5.1876) | Lindenstraße 15 |
Cäcilie Jastrow, geb. Brczezinski (*9.2.1887) | Lindenstraße 26 |
Herbert Gleitmann (* 18.8.1923) | Lindenstraße 48-50 |
Lotte Rotholz, geb. Jastrow (*25.9.1923) | Lindenstraße 48-50 |
Josef Brczezinski (*15.2.1883) | Lindenstraße 48-50 |
Else Ullendorff (*8.11.1884) | Lindenstraße 57 |
Clara Rosenbaum, geb. Glaser (* 25.9.1878) | Lindenstraße 70 |
Hermann Lewinsli (*17.8.1864) | Lindenstraße 70 |
Margarete Lesser, geb. Glaser (*21.3.1878) | Lindenstraße 70 |
Ruth Mannheimer (*27.10.1899) | Lindenstraße 78 |
Leonhard Jabkowski (*16.6.1885) | Lindenstraße 82 |
Richard Jacobson (*17.7.1874) | Lindenstraße 84 |
Wilhelm Baum (*7.8.1904) | Lindenstraße 90 |
Dorothea Lea, geb. Moses (*8.10.1864) | Lindenstraße 100 |
Auguste Morgenstern, geb. Brandt (*7.1.1874) | Lindenstraße 113 |
Aron Morgenstern (*15.1.1872) | Lindenstraße 113 |
Meta Eisenberg, geb. Herzberg (*15.2.1898) | Lindenstraße 113 |
Eugen Eisenberg (*14.3.1887) | Lindenstraße 113 |
Leocardia Levy, geb. Segall (*2.5.1880) | Lindenstraße 113 |
Bruno Müllerheim (*23.4.1883) | Lindenstraße 113 |
Zitiert aus: Gedenkbuch Berlins 1995
Quelle 2: Die Vermögenserklärungen – Das Beispiel Lotte Rotholz – Lindenstraße 48-50
„Lotte Rotholz
Akte Nr. A Rep. 092 Nr. 32300 / 60 / 36426
Lotte Sara, geb. Jastrow Nachname: Rotholz, geboren am 25.9.1923 in Bentheim
Konfession: „Jude“ / Staatsangehörigkeit: D. R. (Deutsches Reich).
Untermieterin in der Lindenstraße 48-50 in Berlin Süd-West (1937 bis 1942)
möbliertes Zimmer / Untervermieterin: Jude
Miete: 35,- RM, bis zum 31.7.42 gezahlt
Beruf: Schneiderin
letzter Verdienst: 15,- bis 20,- RM
Arbeiterin bei der Firma Spindler, SP
Verhaftung als Mitglied einer Widerstandsgruppe / Zuchthaus Cottbus (1941)
Berlin, den 13. Oktober 1943
Lotte Sara Rotholz, geb. Justrow“
Zitiert aus: BLHA A Rep. 092, Nr. 32300 / 60 / 36426
Die Vermögenserklärung von Lotte Rotholz wurde mit Kopierstift ausgefüllt; dies war häufig der Fall, wenn die „Listen“ in einer Sammelstelle und nicht am letzten Wohnort ausgefüllt wurden. Berichten zufolge durften die bedrohten Menschen in den Sammelstellen keine Füllfederhalter benutzen, weil sich Menschen damit umgebracht hatten. Auffällig bei der Akte von Lotte Rotholz ist, dass die Schrift, in der die Angaben ausgeführt worden waren, der Unterschrift im Antrag überhaupt nicht ähnelt; es scheint, als habe ein anderer – in ihrem Beisein? – die Listen ausgefüllt. Auf der letzten Seite ist die wohl letzte Unterschrift von Lotte Rotholz zu sehen in kleinen, eher unregelmäßigen Schriftzügen. Es ist anzunehmen, dass Lotte Rotholz durch ihre mehr als einjährige Haft im Zuchthaus Cottbus sehr mitgenommen war und in einem Zustand äußerster Hoffnungslosigkeit in der Sammelstelle in der Hamburger Straße ankam. Dort stieß sie auf viele Menschen, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ebenfalls deportiert werden sollten. Die Deportationen hatten im Herbst 1941 begonnen, sodass im Oktober 1943 allen Betroffenen bewusst sein musste, was ihnen bevorstand.
Der Vermögenserklärung sind die folgenden weiteren Dokumente beigefügt:
Verfügung der geheimen Staatspolizei (Abschrift / kursiv die eingetragenen Daten)
„Verfügung
Auf Grund des §1 des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26. Mai 1933 RGB1. S. 293 – in Verbindung mit dem Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 – RGB1. S. 479 – wird in Verbindung mit dem Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden vom 29. Mai 1941 – RGB1. S. 303 – das gesamte Vermögen der Lotte Sara Rotholz, geborene Jastrow, geboren am 25.9.23 in Bentheim, zuletzt wohnhaft in Berlin SW. 68, Linden-Straße Nr. 48/50 zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. /
ImAuftrag Dreher (Unterschrift) / Stempel der GeStPo“
Eine Zustellungsurkunde (Abschrift)
„Ausfertigung umstehenden Schriftstücks nebst einer beglaubigten Abschrift dieser Zustellungsurkunde habe ich heute im Auftrag der GeStPo (ausgeschrieben) – Staatspolizeileitstelle Berlin – zum Zweck der Zustellung an Lotte Sara Rotholz, geb. Jastrow dem Empfänger selbst in Berlin N.4, Gr. Hamburger Str. 26 übergeben.
Berlin, den 13. Oktober 1943 / Obergerichtsvollzieher in Berlin (Unterschrift) / D. R.Nr. 556“
Inventar / Schätzung des Vermögens (Abschrift) „Inventar und Bewertung / Schätzungsblatt Nr. 1 Aktenzeichen des OFP 60/36426
Dieses Haus ist vollständig ausgebrannt. Ermittlungen konnten weiter nicht gemacht werden, da Bewohner des Grundstücks rechtzeitig untergebracht sind. / Unterschrift: 8.II / 44“
Inventar und Bewertung (Abschrift)
„Das Haus Lindenstraße 48/50 ist infolge Feindeinwirkungsbrandbomben zerstört.“
unterschrieben von Beamter der Reichsfinanzverwaltung am 15. März 1944
Quelle 3: Die Vermögenserklärungen – Das Beispiel Meta Herzberg – Lindenstraße 113
Meta Herzberg wurde am 15.2.1889 in Berlin geboren und war in der Frankfurter Allee 61 (vermutlich ihr Elternhaus) groß geworden. Nach der Hochzeit mit Eugen Eisenberg zog sie in die Lindenstr. 113. Hier bewohnte das Paar eine Drei-Zimmer-Wohnung mit Balkon und Badezimmer; die monatliche Miete betrug 87,50 RM. Die berüchtigte „Liste“ unterschrieb Frau Eisenberg am 8. Juli 1942; parallel musste auch ihr Mann seine Vermögenserklärung ausfüllen.
Beide gaben als ehelichen Güterstand „Gütertrennung“ an, was vermuten lässt, dass sie noch Hoffnungen hatten, dass zumindest ein Teil ihres Vermögens gerettet werden konnte. Frau Eisenberg hatte ein Achtel Anteil an ihrem Elternhaus geerbt, was für die damalige Zeit ein erhebliches Vermögen war. 1941 besaß das Ehepaar noch ein kleines Guthaben bei der Deutschen Bank. Als Gesamtvermögen wurden 475,- RM angegeben. In der Lindenstraße hatten sie zwei Zimmer untervermietet; als Untermieter werden in der Vermögenserklärung angegeben: Leo Israel und H. Sara Schinski (1 Zimmer zu 40.- Mark inkl. Licht) und Minna Sara, gemeinsam mit Betty Sara Guth (ein Zimmer zu 125.- Mark).
Die Akte zu Meta Herzberg ist sehr umfangreich; detailliert haben sich die zuständigen Sachbearbeiter/innen mit dem Vermögen der Familie befasst und akribisch aufgelistet, was noch im Besitz der Familie war. Dass es sich hier um eines von vielen menschlichen Schicksalen der Verfolgten der NS-Zeit handelt, um das Leben von Meta und Eugen Eisenberg, kommt nur zwischen den Zeilen zur Geltung. Auch diese Akte scheint das Ehepaar nicht allein ausgefüllt zu haben. Nur die Seiten eins und zwei mit den persönlichen Angaben und die Unterschriftenzeile auf der letzten Seite wurden mit Füllfederhalter geschrieben; alle anderenAngaben wurden mit einem Kopierstift gemacht, vieles einfach ausgestrichen. Was mag der zuständige Sachbearbeiter gedacht haben, als er die Aktennotiz schrieb: „geräumt am 9.10.42“ oder „Miete bezahlt bis: 1.8.42?“
Zitiert aus: BLHA, A Rep Nr. 92
Quelle 6: Stolpersteine - ein Projekt zur Erinnerung an Nachbarn, die Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft wurden
„Stolpersteine“ sind in den Bürgersteig eingelassene Pflastersteine mit Tafeln aus Messing mit einer Aufschrift wie „Meta Eisenberg, geb. Herzberg, Jg. 1889, deportiert 1942 Auschwitz“ (ein Stolperstein für Frau Herzberg wurde noch nicht verlegt).
Stolpersteine erinnern an Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden. Die Erinnerungssteine werden vor der letzten bekannten Wohnanschrift der Betroffenen verlegt und von Menschen aus der heutigen Nachbarschaft, von Verwandten der Opfer und von verschiedenen Initiativgruppen initiiert und finanziert; sie sollen erinnern und appellieren:
Erinnern, damit unsere ehemaligen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die zu Opfern des Faschismus wurden, nicht in Vergessenheit geraten, und appellieren an politisches Engagement und Zivilcourage für eine Gesellschaft, die sich gegen Ausgrenzung und Verfolgung „anderer“ stellt – dies auf der Basis einer kritischen Auseinandersetzung mit historischen Hintergründen und ethischen Wertvorstellungen, die auf Respekt und Toleranz gegründet sind.
Die Initialzündung zu diesem Projekt kam 1995 von dem Kölner Künstler Gunter Demnig. 1996 engagierte er sich in dem Berliner Projekt „Künstler forschen nach Auschwitz“ und verlegte in der Oranienstraße in Kreuzberg Stolpersteine. Kurze Zeit darauf reiste Steven Robins, Sohn des 1936 von Berlin nach Südafrika ausgewanderten Herbert Leopold Robinsky, nach Berlin, auf der Suche nach Spuren seiner jüdischen Angehörigen. Er traf 1999 auf das Team des Kreuzberg-Museums Berlin, das ihn bei seiner Recherche unterstützte, die Idee der Stolpersteine aufgriff und mit dem Künstler Gunter Demnig vor die letzte Wohnanschrift seiner Verwandten Stolpersteine verlegte. Zusammen mit der Carl-von-Ossietzky-Oberschule in Berlin Kreuzberg wurde daraus ein Projekt für Jugendliche entwickelt. Es entstand der Wunsch, die ehemaligen Berliner Nachbarn näher kennenzulernen. Wo überall lebten in Berlin jüdische Menschen? Was ist mit ihnen im Zuge des Nationalsozialismus geschehen? Wurden sie deportiert? Haben die übrigen Nachbarn gar nichts mitbekommen? Gibt es Zeitzeugen? Inzwischen existieren in Berlin etwa dreißig Initiativgruppen, die in ihrem Umfeld Recherchen aufnehmen und andere Mitbürgerinnen und Mitbürger ansprechen, sich an den Nachforschungen, der Finanzierung der Steine und der Organisation einer Gedenkveranstaltung zu beteiligen. Die Thomas-Mann-Oberschule in Berlin Reinickendorf hat die Recherchen zu jüdischen Deportierten im Rahmen eines Stolperstein-Projekts bereits erfolgreich mit der 5. Prüfungskomponente im Abitur verbunden.
Redaktionell verantwortlich: Dr. Uwe Besch, LISUM
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