11. September 1973 – Putsch des chilenischen Militärs

Autor: Thomas Zehrer
Mit dem Putsch vom 11. September 1973 stürzte das chilenische Militär das Land in eine fast 17jährige Diktatur. In den folgenden Monaten wurden regierungstreue Kräfte, Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter verhaftet, viele von ihnen auch gefoltert oder ermordet. Schon am ersten Tag gab es mehr als 2000 politisch motivierte Festnahmen. Viele Chilenen flohen ins Ausland.
Auch die beiden deutschen Staaten waren Zielland chilenischer Exilanten. Die DDR nahm etwa 2000 und die Bundesrepublik doppelt so viele auf. Damit reagierten beide Länder in einer weltpolitischen Phase der Entspannungspolitik auf einen vom CIA beförderten Umsturz in einem Land, das mehr als 12.500 Kilometer entfernt ist.
Der historische Kontext des Jahrestages
Präsident Salvador Allende regierte seit seinem Wahlsieg am 24. Oktober 1970. Viele politischen Entscheidungen, die u. a. auch zu Enteignungen führten, spalteten das Land und stießen auch im Ausland auf Ablehnung, aber auch auf Zustimmung. Im Zuge der US-amerikanischen Eindämmungspolitik erfuhren die chilenische Opposition und v. a. große Teile des Militärs Unterstützung aus den USA. Der Ostblock und sozialistisch-sozialdemokratische Kreise des Westens standen der Allende-Regierung nahe. Die fehlende Kompromissbereitschaft in der chilenischen Gesellschaft blockierte das Land, so dass die Journalistin Brigitte Baetz (2006) zu dem Schluss kam, Allende sei „durchaus schon gescheitert, bevor das Militär putschte“. Mario Góngora (1915-1985) verglich die politische Pattsituation mit einem „Bürgerkrieg ohne Waffen“. Konträre Positionen erreichten auch die Regierung und gipfelten in der Forderung des Oberbefehlshabers des Heeres, General Augusto Pinochet, dass aufgrund der „extremen wirtschaftlichen und moralischen Krise (…) und der Unfähigkeit der Regierung“ der Präsident zurücktreten solle. Das geschah nicht, sodass das Militär am 11. September 1973 putschte. Dabei wurde der Präsidentenpalast bombardiert und gestürmt. Zur Kapitulation und zum Tod Allendes gibt es unterschiedliche Aussagen.
Die SED-Führung sah die Chance zur politischen Profilierung und ließ schon einen Monat später, am 3. November 1973, im Ostberliner Bezirk Köpenick zwei Straßen nach Opfern dieses Putsches benennen. Heute wird in vielen deutschen Städten durch Denkmale und Gedenktafeln an Salvador Allende und seine Mitstreiter erinnert. Es gibt Straßen, Jugendherbergen und Schulen, die deren Namen tragen.
Der Jahrestag im Geschichtsunterricht
Der Jahrestag im Geschichtsunterricht
Im Geschichtsunterricht bieten sich mehrere Möglichkeiten, um an den Sturz der Allende-Regierung und die Zwangsmigration von linken Kräften zu erinnern. Einerseits kann der Terminus „Entspannungsphase“ des Kalten Krieges aus chilenischer Perspektive kritisch hinterfragt werden, andererseits können die fächerverbindenden Migrations- und Konflikt-Module räumlich-historisch konkretisiert werden.
Mögliche Themenfragen:
Für Sekundarstufe I
- Chilenische Exilanten – Bereicherung oder Last für die Aufnahmeländer?
- Der Militärputsch in Chile – Ein charakteristisches Ereignis des Kalten Kriegs?
- Der Putsch am 11.9.73 in Chile - Lag ein Angriff nach Kapitel VII der UN-Charta vor?
Für Sekundarstufe II
- Die Angst der USA vor einem zweiten Kuba – Ursache für den Militärputsch in Chile?
- Die Allende-Regierung in Chile – Wieviel staatliche Selbstständigkeit ist im Kalten Krieg möglich?
- Chile 1973 – Wo lagen die Grenzen der Entspannungspolitik der USA?
Inhaltliche Anbindung an Rahmenlehrpläne Geschichte in Berlin (BE) und in Brandenburg (BB)
BB/BE Sek. I Geschichte: Doppeljahrgangsstufe 9/10 – Basismodul: Der Kalte Krieg: Bipolare Welt und Deutschland nach 1945; Den Lernenden soll vermittelt werden, „wie verschieden und unterschiedlich weitreichend die politischen Gestaltungs- und Herrschaftsansprüche in Ost und West waren.“
Modul im gesellschaftswissenschaftlichen Fächerverbund 9/10 – Konflikte und Konfliktlösungen; Die Schülerinnen und Schüler sollen sich „an einem Fallbeispiel mit den historischen Ursachen und den Handlungschancen wie -grenzen in den politischen und militärischen Konflikten“ auseinandersetzen. „Sie analysieren die Mittel und Strategien der nationalen wie supranationalen Akteure.“[1]
BE Sek. II Geschichte: 4. Kurshalbjahr: Die bipolare Welt nach 1945; Konflikt und Konfliktlösung im Kontext des Ost-West-Gegensatzes; Wahlbereich Gewalt und Konfliktlösung
BB Sek. II Geschichte: 3. Kurshalbjahr: Konflikt und Konfliktlösung in der Welt seit 1917 – der Kalte Krieg im Spiegel der Geschichtskultur sowie 4. Kurshalbjahr: Ereignis und Struktur am Beispiel der doppelten deutschen Geschichte – Migration und Integration (Einwanderungsland Bundesrepublik sowie Ausländerinnen und Ausländer in der DDR)
[1] Ausführlicher unter: https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unterricht/rahmenlehrplaene/Rahmenlehrplanprojekt/amtliche_Fassung/Teil_C_Geschichte_2015_11_10_WEB.pdf; Zugriff am 01.03.2023
Links, Materialien und Literatur für die Bearbeitung des Themas im Unterricht
Bundeszentrale für politische Bildung– 1970: Salvador Allende wird Präsident Chiles –Informationstext zur Regierungszeit Salvador Allendes – geeignet für Sek. I und II. – verfügbar unter: https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/211593/1970-salvador-allende-wird-praesident-chiles/, Zugriff am 1.03.2023
Informationen über Vorgeschichte, Verlauf und internationale Reaktionen auf den Putsch – Darstellungstext – geeignet für Sek. I und II. – verfügbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Putsch_in_Chile_1973, Zugriff am 1.03.2023
Regierungszeit Salvador Allendes - Begleittext zu einem MDR-Beitrag anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Amtseinführung – geeignet für Sek. I und II. – verfügbar unter: https://www.mdr.de/geschichte/zeitgeschichte-gegenwart/politik-gesellschaft/salvador-allende-chile-ddr-102.html, Zugriff am 1.03.2023
Inhaftierung – Das Estadio Nacional in Santiago de Chile wurde 1973 von den Putschisten zur Haftanstalt missbraucht und 2015 war es Austragungsort der Copa América – geeignet für Sek. II. – Herrberg, Anne (2015): Stadion mit dunkler Vergangenheit, verfügbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/copa-america-in-chile-stadion-mit-dunkler-vergangenheit-100.html, Zugriff am 1.03.2023
Aktivitäten des CIA, verfügbar unter: https://www.welt.de/geschichte/article119295047/In-diesen-Laendern-ging-die-CIA-ueber-Leichen.html, Zugriff am 1.03.2023
Letzte Rede von Salvador Allende – ins Deutsche übersetzt – geeignet für Sek. II. – verfügbar unter: https://www.fr.de/politik/letzten-worte-allendes-11729736.html, Zugriff am 1.03.2023 sowie dazu Kontextualisierung der letzten Rede von Salvador Allende, verfügbar unter: https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/325069/chilenischer-ex-praesident-salvador-allende-so-wurde-seine-letzte-rede-gerettet/, Zugriff am 1.03.2023
Migrationsgeschichte – Darstellungstext mit statistischen Angaben –geeignet für Sek. I und II. – Leiva, Sandra und Ladio, Marcela Tapia (2012): Migration in Chile, verfügbar unter: https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/suedamerika/328131/migration-in-chile/, Zugriff am 1.03.2023
US-amerikanische Interessen - 12minutiges Video – geeignet für Sek. II. – verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=EeDU5k2Pq5k, Zugriff am 1.03.2023
Erinnerung – Hörbeitrag vom Deutschlandfunk - Kersten, Paula (2023): 50 Jahre nach dem Militärputsch in Chile – Schleppende Aufarbeitung der Diktatur – geeignet für Sek. II. – verfügbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/50-jahre-nach-dem-militaerputsch-in-chile-schleppende-aufarbeitung-der-diktatur-dlf-533f862f-100.html, Zugriff am 1.03.2023
Erbe – Text und 22minutiger Filmbeitrag des Deutschlandfunk - Boddenberg, Sandra und Herrberg, Anne (2021): Chiles 9/11. Der lange Kampf gegen Pinochets Erbe – geeignet für Sek. II. – verfügbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/chiles-9-11-der-lange-kampf-gegen-pinochets-erbe-100.html, Zugriff am 1.03.2023
Umfangreiche Fotosammlungen, verfügbar unter:
https://www.dw.com/de/nach-der-flucht-putsch-diktatur-und-der-weg-zur-demokratie-in-chile/g-41414933
https://www.dw.com/de/nach-der-flucht-putsch-diktatur-und-der-weg-zur-demokratie-in-chile/g-41414933 und
https://www.spiegel.de/fotostrecke/pinochet-putsch-1973-fotostrecke-171059.html
Zugriffe am 1.03.2023
Lieder und Liedtexte
Liedermacher Wolf Biermann über einen ermordeten Kameramann - verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=Ktwx6GG4QxQ, Zugriff am 1.03.2023
künstlerische Aufarbeitung durch die DDR-Band Renft mit dem Song „Chilenisches Metall“ - verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=zN6wOZzYQ-c und unter https://www.renft.de/chilenisches-metall/, Zugriff am 1.03.2023
künstlerische Aufarbeitung des Putsches durch die DDR-Band Puhdys im Jahre 1974 mit „Unser Lied ist euer Schrei“ - verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=ca-NURz-l4E und https://www.songtexte.com/songtext/puhdys/unser-lied-ist-euer-schrei-13ce4541.html, Zugriff am 1.03.2023
Weitere Literaturempfehlungen
Baer, Willi (2010): Die Schlacht um Chile 1973-1978, Laika-Verlag
Haber, Laura-Amelie (2011): Freiräume und Kompromisse, Chilenische Künstler in der DDR, S.113-139, in: Transit | Transfer, Priemel, Kim Christian [Hrsg.], Politik und Praxis der Einwanderung in die DDR 1945-1990
Reyer, Carlos und Elgueta, Rodrigo (2020): Die Jahre von Allende, bahoe books
Rinke, Stefan (2023): Kleine Geschichte Chiles, C.H. Beck
Redaktionell verantwortlich: Dr. Uwe Besch, LISUM
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