9. März 1972 – Verabschiedung des Gesetzes „über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ in der DDR


Im Jahre 2022 jährt sich die Verabschiedung des "Gesetzes zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs" durch die Volkskammer der DDR zum 50. Mal. In der Bundesrepublik wurde die bisher übliche indikatorenbasierte Regelung zwei Jahre später abgeschafft und durch eine Fristenlösung ersetzt. Frauen erhielten damit das Recht, in den ersten drei Monaten ihrer Schwangerschaft eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, ob sie ein Kind gebären wollen oder nicht. Der ärztliche Eingriff war kostenlos und straffrei. Das Gesetz schrieb Schwangeren lediglich eine Beratung über die Abtreibung und die Anwendung von Verhütungsmitteln bzw. -methoden vor.
Anders als in der Bundesrepublik fand in der DDR kaum ein öffentlicher Meinungsbildungs- und Diskussionsprozess statt. Dem Gesetz blieb trotzdem das sonst übliche einstimmige Abstimmungsergebnis in der DDR-Volkskammer verwehrt. Es bekam 14 Gegenstimmen; weitere acht Personen enthielten sich bei der Abstimmung.
Nach seiner Veröffentlichung im Gesetzblatt der DDR trafen die neuen Regelungen in Teilen beider Kirchen und der Ärzteschaft auf Ablehnung. Zu einer Abänderung oder Neufassung kam es indessen nicht. Erst im Zuge des Einigungsprozesses machte sich eine gesetzliche Vereinheitlichung notwendig. Deshalb stand im Jahr 1990 die Frage im Raum: Übernahme einer der beiden gesetzlichen Regelungen oder deren Neufassung? Der parlamentarische Meinungsbildungsprozess wurde von einer intensiven öffentlichen Auseinandersetzung begleitet.
Der Jahrestag im Geschichtsunterricht
Die Rahmenlehrpläne Geschichte für die Sekundarstufe I und II eröffnen mehrere Möglichkeiten, das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ zum Unterrichtsgegenstand zu machen. Um die Lebenssituation in der DDR zu beleuchten und einzuordnen kann der Gesetzestext einer Analyse unterzogen werden. Es ist aber auch ein Vergleich der gesetzlichen Regelungen in Ost und West denkbar, auf dessen Grundlage sich weiterführend ein Bogen bis in die Gegenwart spannen lässt.
Mögliche Themenfragen im Geschichtsunterricht:
Für die Sekundarstufe I
Das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ in der DDR (1972) – Eine Chance auf mehr Selbstbestimmung?
Das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ in der DDR (1972): Wie viel Selbstbestimmung war für Frauen in der SED-Diktatur möglich?
Das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ in der DDR (1972) – Eine Chance auf mehr Selbstbestimmung der Frauen oder eine staatliche Maßnahme zur Erhaltung der weiblichen Arbeitskräfte?
Für die Sekundarstufe II
Das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ in der DDR (1972): Ein Beitrag zur Machtsicherung der SED?
Wer gewinnt den Wettbewerb der politischen Systeme? Ein Vergleich von Gesetzen zum Schwangerschaftsabbruch
Die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in der DDR: Ein Modell für das vereinte Deutschland 1990 und in der Gegenwart?
Inhaltliche Anbindung an Rahmenlehrpläne Geschichte in Berlin (BE) und in Brandenburg (BB)
BB/BE Sek. I Geschichte: Doppeljahrgangsstufe 9/10: Basismodul Der Kalte Krieg: Bipolare Welt und Deutschland nach 1945
BE Sek. II Geschichte: 4. Kurshalbjahr: Die bipolare Welt nach 1945: Ereignis und Struktur am Beispiel der doppelten deutschen Geschichte • Vergleich unter ausgewählten Aspekten
Wahlbereiche im 4. Kurshalbjahr: „Die Stellung der Frau und ihr Kampf um die Gleichberechtigung“ und „Haushalt und Familie“
BB Sek. II Geschichte: 4. Kurshalbjahr: Ereignis und Struktur der doppelten deutschen Geschichte • Wahlpflicht für den Leistungskurs: „Familie im Wandel“ und „Frauen: Emanzipation zwischen Anspruch und Wirklichkeit“
Links, Materialien und Literatur für die Bearbeitung des Themas im Unterricht
Deutsche Einheit 1990.de (pdf-Dokument) – Durch die Bundesstiftung Aufarbeitung vorgenommener tabellarischer Vergleich der Regelungen - Sek. I+II - https://deutsche-einheit-1990.de/wp-content/uploads/BArch-DY39-1828_Schwangerschaftsabbruch.pdf, Zugriff am 01.03.2022
DLF Kultur – Die Perspektive von drei Zeitzeuginnen zu Paragraf 218 - Linda Peikert, Der Paragraf 218 im Ost-West-Vergleich (2021) - Sek. II -https://www.deutschlandfunkkultur.de/paragraf-218-ungewollt-schwanger-und-jetzt-100.html, Zugriff am 01.03.2022
Digitales deutsches Frauenarchiv – Umfangreiches Dossier unter dem Titel: „§218 und die Frauenbewegung“, das den Bogen von 1871 bis 2021 schlägt - Sek. II -https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/angebote/dossiers/218-und-die-frauenbewegung, Zugriff am 01.03.2022
Digitales deutsches Frauenarchiv – Illustrierter Sachtext mit Hintergrundinformationen und Quellenverweisen - Ulrike Lembke, Schwangerschaftsabbruch in der DDR und der BRD (2020) - Sek. I+II -https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/angebote/dossiers/30-jahre-geteilter-feminismus/schwangerschaftsabbruch-in-ddr-und-brd, Zugriff am 01.03.2022
MDR –mit Fotos und Tondokumenten illustrierter Sachtext über die historische Situation des Jahres 1972 und der Einigungsdebatte - Grit Lemke, Selbstbestimmung der DDR-Frau: Als die Abtreibung legal wurde (2021) - Sek. I+II - https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/gesundheit/schwangerschaftsabbruch-ddr-100.html, Zugriff am 01.03.2022
MDR (2) –Filmische Auszüge aus der kontrovers geführten Debatte in der Volkskammer am 20.04.1990 - Sek. II- https://www.mdr.de/geschichte/ddr/schwangerschaftsabbruch-abtreibung-ddr100.html, Zugriff am 01.03.2022
Verfassungen.de – von Walter Ulbricht unterzeichneter Gesetzestext (mit den Änderungen von 1990 und 1992) - Sek. I+II - http://www.verfassungen.de/ddr/schwangerschaftsunterbrechung72.htm, Zugriff am 01.03.2022
Wikipedia.org – Historische Kontextualisierung, inhaltliche Bestimmungen und Reaktionen- Sek. I - https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_%C3%BCber_die_Unterbrechung_der_Schwangerschaft, Zugriff am 01.03.2022
Redaktionell verantwortlich: Dr. Uwe Besch, LISUM
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