Sinti und Roma
Sprachwissenschaftliche Studien lassen vermuten, dass die Sinti und Roma aus dem indischen Raum stammen. Karoila Frings, Sinti und Roma, 2016 vermutet, dass die Vorfahren der heute hier ansässigen Sinti und Roma "mit einer einzigen Migrationsbewegung" nach Europa kamen und eben nicht zusätzliche über eine Route durch arabischsprachige Gebiete. Sichere Angaben über die frühe Geschichte sind jedoch rein spekulativ.
Sinti und Roma werden nach der Bevölkerung genannt, die Romanes spricht. Die International Roma Union sowie die EU benutzen die Bezeichnung "Roma". Der Begriff Sinti ist die Selbstbezeichnung der deutschsprachigen Personengruppe. Auffallend ist, dass Sinti und Roma ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl haben und sich stark von der übrigen Bevölkerung, den "Gadje" (Sg. m. Gadjo, Sg. w. Gadji) abgrenzen.
Die Geschichte der Sinti und Roma ist über viele Jahrhunderte von Vorurteilen, Ablehnung und Verfolgung gekennzeichnet. Diesen Vorgang bezeichnet man in Anlehnung an den Begriff "Antisemitismus" als "Antiziganismus". Allerdings ist der Begriff nicht unumstritten, da er einen "Ziganismus" impliziert, den es so nicht gibt.
Die staatliche Verfolgung der Sinti und Roma ist urkundlich durch Reichstagsabschiede von 1496 und 1498 belegt, als sie für vogelfrei erklärt wurden. Nach einer kurzen Phase der Schonung im 17. Jahrhundert, in der die Sinti und Roma im Militärdienst Karriere machen konnten, setzte schon im 18. Jahrhundert ihre Verfolgung als "herrenloses Volk" ein. Zeitgleich hatte die Völkerkunde im 18. Jahrhundert die antiziganistischen Beschreibungen stark ausgebaut; so entstand ein Grundverdacht gegen die Sinti und Roma.
Während im 19. Jahrhundert die breite Masse der Bevölkerung an einem Ort blieb, hatten soziale Gruppen, die sich auf der Durchreise befanden, es schwer, allgemein akzeptiert zu werden. Mit dem Ende der Leibeigenschaft in Rumänien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts drängten viele der dort Lebenden nach Mittel- und Westeuropa; ihr fremdes Aussehen, ihre Bräuche sowie die Tatsache, dass sie unterwegs waren, machte sie in den Augen der übrigen Bevölkerung verdächtig. Dieser Umstand schlug sich auch in staatlichen Verfügungen nieder wie etwa der "Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" von 1906, das das Reisen in Verbänden verbot.
Während des 1. Weltkrieges kämpften Sinti und Roma mit; ihre Mobilität wurde jedoch eingeschränkt, so dass viele in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht waren.
In der Folgezeit versuchte Österreich die Roma genau zu erfassen; dies bildete die Grundlage für die spätere Verfolgung durch die Nationalsozialisten. In Deutschland wurden viele Sinti und Roma in Lager gedrängt.
Während des Dritten Reiches setzte sich die planmäßige Erfassung der Sinti und Roma fort, die schließlich in ihrer massenhaften Vernichtung endete.
Im Gegensatz zu anderen Gruppen von Verfolgten endete nach dem 2. Weltkrieg jedoch nicht die Phase der Diskriminierung und Verfolgung. So gab es z.B. in Bayren von 1946-1970 im bayrischen LKA eine "Landfahrerstelle", die wieterhin die Sinti und Roma erfasste. Erst seit den 80er Jahren setzte langsam ein Bewußtseinswandel ein. Die Vergehen der Nationalsozialisten wurden jetzt als Völkermord anerkannt, den Sinti und Roma wurde ein zentrales Denkmal errichtet. Dennoch bestehen in der Bevölkerung nach wie vor zahlreiche Vorurteile gegenüber den Sinti und Roma.
Spuren der NS-Zeit
Unter https://www.planet-schule.de/schwerpunkt/spuren-der-ns-zeit/ finden sich Anregungen, wie die Filme "Wir haben doch nichts getan - der Völkermord an den Sinti und Roma“und „Auf Wiedersehen im Himmel - Die Kinder von der Josefspflege“ in den Unetrricht der Sek I und Sek II einbezogen werden können. Leitfragen und Anknüpfungsmöglichkeiten zu weiteren Fächern wie LER, Religion oder Ethik laden zum Nachdenken ein.
Lernwebsite: Das Schicksal der europäischen Roma/Romnija und Sinti/Sintizze während des Holocaust
Die österreichische Seite erinnern.at bietet unter dem Link http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/lernmaterial-unterricht/roma-und-sinti-europaeisches-unterrichtsmaterial fertig ausgearbeitete Unterrichtsmaterialien für die Sek I an. Diese Seite befasst sich vor allem mit der Alge der Roma und Sinti während des 2. Weltkrieges. Aber auch die ganz unterschiedlichen Schicksale einiger Überlebender werden hier thematisiert.
Deutsche Sinti und Roma
Das Zentrum für Lehrerbildung an der Universität Potsdam hat eine Handreichung über "Deutsche Sinti und Roma. Eine Brandenburger Minderheit und ihre Thematisierung im Unterricht" herausgegeben. Diese liegt als Onlineversion vor und bietet vielfältige Hinweise zur Gestaltung des Unterrichts über die Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma. Comics sind ebenso Gegenstand der Unterrichtsvorschläge wie Lieder, ein Film oder Produktbezeichnungen wie "Zigeunerschnitzel".
Petra Rosenberg / Mĕto Nowak:
Deutsche Sinti und Roma. Eine Brandenburger Minderheit und ihre Thematisierung im Unterricht,
hrsg. vom Zentrum für Lehrerbildung an der Universität Potsdam, Potsdam 2010
http://pub.ub.uni-potsdam.de/volltexte/2010/4923
Zwischen Romantisierung und Rassismus,Sinti und Roma 600 Jahre in Deutschland
Bausteine für den Unterricht, Hrsg: Landeszentrale für Politische Bildung, 1998 (als Download)
www.lpb-bw.de/publikationen/sinti/sinti.htm
Portale/Links
Stiftung Erinnerung - Verantwortung - Zukunft (EVZ)
Die Stiftung EVZ engagiert sich seit ihrer Gründung in verschiedenen Programmen und Projekten für Sinti und Roma. Schwerpunkte sind dabei Bildung und Empowerment.
Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Marzahn
Auf dem Parkfriedhof Marzahn am Wiesenburger Weg erinnern ein Gedenkstein, eine Marmorplatte und eine Gedenktafel an das Sinti-Lager („Zigeuner-Lager”), das die Nationalsozialisten wenige hundert Meter entfernt errichtet hatten.
Dossier: Sinti und Roma in Europa
Informationsportal zur Politischen Bildung der Bundeszentrale für politische Bildung
RomaniPhen e.V.
ist ein Verein von Romnja* und Sintizze*. Der Verein arbeitet vornehmlich im Bereich der außerschulischen, historischen und politischen Bildung, an rassismuskritischen Fortbildungen von Fachkräften und Multiplikator:innen und an der Erarbeitung und Vermittlung von Bildungsmaterialien. Die feministische Mädchenarbeit, romani bezogene Veranstaltungen und Vernetzung von Aktivist*innen sowie die Wertschätzung und Verbreitung von romani Wissensbeständen stehen im Zentrum der Aktivitäten.
Bildungsmaterialien:
- ZORALIPE EMPOWERMENT - Aktivismus als Empowerment Strategie, Handreichung 1
- DIE POLIZEI HAT SICH SCHULDIG GEMACHT - Die Geschichte der Kriminalisierung von Sinti:zze und Rom:nja und der Widerstand dagegen, Begleitmaterial zum Dokumentarfilm, Handreichung 2
- RASSISTISCHE FREMDBEZEICHNUNG GEGEN ROM:NJA UND SINTI:ZZE, Begleitmaterial zum Kurzfilm: Romani Chaji – Wie wir genannt werden wollen, Handreichung 3
Informationen zu den Handreichungen
Download der drei Handreichungen
Das "Visual History Archive" des "USC Shoah Foundation Institute for Visual History and Education" ist der weltweit größte Oral-History-Bestand, es enthält nahezu 52.000 lebensgeschichtliche Interviews mit Opfern und Zeugen des Nationalsozialismus. 407 dieser Interviews wurden mit überlebenden Sinti und Roma geführt. 15 Interviews sind in deutscher, vier in englischer Sprache.
Die Freie Universität Berlin ermöglicht Studierenden, Lehrenden und Forschenden, aber auch LehrerInnen und SchülerInnen den Zugang zu diesen Interviews.
Das Ansehen der Interviews ist nur auf dem Campus der Freien Universität Berlin möglich.
Mehr Informationen unter: www.vha.fu-berlin.de oder www.zeugendershoah.de
- "Deutsche Sinti und Roma - Eine Brandenburger Minderheit und ihre Thematisierung im Unterricht"
Die Publikation von 2010 vermittelt Informationen zur Situation der Sinti und Roma in Berlin-Brandenburg und stellt Material zur Verfügung. Außerdem werden neue Ansätze zur Thematisierung im Unterricht vorgestellt, die von und mit Lehramtsstudierenden an der Universität Potsdam erarbeitet wurden. Auf die traditionellen Ansätze der schulischen Thematisierung vor allem im Kontext mit dem nationalsozialistischen Völkermord an Sinti und Roma oder der Antivorurteilspädagogik sowie weiterführende Literatur wird an geeigneter Stelle verwiesen. Im Gegensatz zu vielen traditionellen Materialien soll hier die Kultur von Sinti und Roma als lebendige Kultur im heutigen Deutschland wahrgenommen bzw. aktuelle Bezüge zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler hergestellt werden. - Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg hat bereits 1998 einen Band mit dem Titel "Zwischen Romantisierung und Rassismus" zusammengestellt, die sich in elf Einzelbeiträgen mit der Geschichte, Kultur sowie (damaligen) Gegenwart der Sinti und Roma auseinandersetzt. Der Band ist unter https://www.lpb-bw.de/publikationen/sinti/sinti.htm abrufbar.
- Karola Fings, Sinti und Roma. Geschichte einer Minderheit, München, 2016 hat für die Beck'sche Reihe eine wichtige Orientierungshilfe verfasst.
Redaktionell verantwortlich: Thomas Hirschle, LIBRA
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